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InterviewNOMV - Interview mit der Präsidentin Carrie Juney

Interview mit der Tierärztin Carrie Juney, Gründungsmitglied und aktuelle Präsidentin von „Not One More Vet“ über die Arbeit ihrer Organisation.

Not One More Vet

Interview mit der Tierärztin Carrie Juney, Gründungsmitglied und aktuelle Präsidentin von „Not One More Vet“ über die Arbeit ihrer Organisation.

Welche Geschichte steht hinter NOMV – Not One More Vet?

Im Jahr 2014 verloren wir mit Dr. Sophia Yin ein bekanntes Mitglied der Tierarztgemeinschaft. Sie beging Selbstmord. Dr. Nicole McArthur, die Gründerin von NOMV, haderte zu diesem Zeitpunkt bereits sehr mit ihrem Beruf als Tierärztin und hatte sogar für einige Zeit eine Auszeit genommen. Nachdem die Meldung von Dr. Yins Tod bekannt wurde, kam Nicole mit einer Freundin und weiteren Kollegen darüber ins Gespräch. Es begann ein Austausch über die Herausforderungen des Tierarztberufs, und Nicole hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass sie mit ihren Gedanken nicht allein war. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihr bewusst, dass viele, viele Kollegen mit ganz ähnlichen Problemen kämpfen. Um im Austausch zu bleiben, gründete sie bei Facebook eine Tierarztgruppe und lud ihre Kommilitonen ein. Diese informierten Freunde über die Gruppe, die wiederum ihre Freunde einluden. Inzwischen ist die Gruppe zu einer Nonprofit-Organisation geworden und besteht aus über 30 000 Mitgliedern.

Wie hat sich NOMV In den letzten Jahren und auch außerhalb der USA entwickelt?

NOMV wächst seit 2014 kontinuierlich. Allein im letzten Jahr kamen etwa 6000 neue Mitglieder in der Tierarzt-Gruppe und 2000 Mitglieder in der TFA-Gruppe hinzu. Der überwiegende Teil arbeitet in den USA, aber auch die internationale Bekanntheit nimmt zu. Ebenso wachsen auch die von NOMV angebotenen Förderprogramme. So konnten wir beispielsweise in den letzten 3 Monaten mehr als 65 betroffenen Tierärzten finanzielle oder andere individuelle Hilfen anbieten. Außerdem gehören inzwischen Aufklärungsarbeit sowie Studierenden- und Studienunterstützung zu unserem Angebot.

Über NOMV

  • Bei NOMV arbeiten 4 Festangestellte und mehr als 60 Freiwillige. Der überwiegende Teil sind Tierärzte, aber es gibt auch berufsfremde Unterstützer vom Psychologen bis zum Marketingexperten.
  • In den letzten Jahren sind zahlreiche Kooperationen entstanden. Eine davon ist z. B. mit MightyVet, die für tiermedizinische Teams kostenfreie Weiterbildung im Bereich Finanzen oder Kommunikation anbieten.
  • NOMV-Mitglieder profitieren von der Community. Im Forum sind immer Kollegen bereit zuzuhören und Hilfestellung zu geben. Angebote außerhalb des Forums, beispielsweise Weiterbildungen oder Stipendien, stehen allen Kollegen zur Verfügung, unabhängig von der Mitgliedschaft.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum weltweit so viele Tierärzte in ihrem Beruf unglücklich sind, bis hin zum Selbstmord?

Die Situation der Tierärzte ist kompliziert, sodass es hier keine einfache, allgemeingültige Antwort geben kann. Und dennoch gibt es einige Gemeinsamkeiten dieser Berufsgruppe. Studien zeigen, dass Tierärzte oft einem bestimmten Persönlichkeitstyp angehören: Wir sind häufig Perfektionisten und obendrein noch etwas neurotisch. Diese Eigenschaften haben Einfluss auf unseren Umgang mit Stress. Und zumeist sind wir in einem hochstressigen Arbeitsumfeld beschäftigt, in dem Entscheidungen ganz oft durch äußere Faktoren diktiert werden. Jobbedingt ist die erstrebenswerte Work-Life-Balance in der Praxis häufig nicht umsetzbar, Fehler werden nicht toleriert. Hinzu kommt noch, dass Tierärzte sich davor scheuen, psychologische Hilfe anzunehmen, selbst wenn es dringend erforderlich wäre. All dies zusammen mag eine Erklärung für die unglückliche berufliche Situation vieler Kollegen sein.

Wie sieht es unter Pandemie-Bedingungen aus, hat sich die Situation im letzten Jahr noch einmal verschärft?

Ja, unglücklicherweise hat es das. Eine Umfrage, die wir in unseren Gruppen durchgeführt haben, ergab, dass sich bei 67% der Tierärzte und 49% der TFA die seelische Gesundheit durch die Pandemie verschlechtert hat.

Was raten Sie, wenn Sie merken, dass jemand sich in seinem Job quält? Wie kann ein erstes Hilfsangebot aussehen?

Ich denke, dass das Wirkungsvollste der Schutz der seelischen Gesundheit ist. Ein belastendes Arbeitsumfeld entsteht durch die Menschen, die dort arbeiten. Und somit liegt es in der Verantwortung von jedem einzelnen, diese ungesunde Situation zu ändern. Dazu gehört, dass man Kollegen ermuntert, sich Unterstützung zu holen, wenn es notwendig scheint. Dazu gehört aber auch, dass man die von Kollegen gezogenen Grenzen respektiert. Ruf Deinen Kollegen nicht an, wenn er seinen freien Tag hat! Erinnert Euch gegenseitig an die so wichtige Mittagspause. Diese kleinen Dinge können bereits eine große Wirkung haben.

 

Der (hier aktualisierte) Originalartikel ist erschienen in:

„Wir sind häufig Perfektionisten und etwas neurotisch“ – Im Gespräch mit Tierärztin Carrie Juney. Kleintier Konkret 2021; 24(03): 4 - 7. DOI: 10.1055/a-1508-3156.