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Interview"Mir war nicht klar, dass man nur mit Kälbern arbeiten kann" - Tierärzt*innen in der Rinderpraxis

Die Tiermedizin bietet so viele Arbeitsmöglichkeiten wie kaum ein anderer Beruf. In diesem Artikel stellen wir die Arbeit zweier Tierärzt*innen in der Rindermedizin vor.

Tierarztpraxis Lüllmann / Posed by Dr. Wapelhorst

Warum fiel die Entscheidung auf eine Stelle in der Rindermedizin?

Dr. Wapelhorst: Ich habe mich eigentlich nicht aktiv für diese Arbeitsstelle entschieden. Ich war vorher bei einer anderen Praxis angestellt und dort nicht zufrieden. Das hat mein jetziger Chef mitbekommen und so bin ich da gelandet. Eigentlich wollte ich nie Rinderpraxis machen. In der Uni bedeutet Rinder ja vor allem Milchkühe, da habe ich keine Freude dran. Mir war nicht klar, dass man nur mit Kälbern arbeiten kann. Die Arbeit mit den Kälbern bereitet mir hingegen Freude. Es kann mir keiner erzählen, dass er Kälber nicht süß findet. Wobei es erstaunlich ist, wie heftig so ein süßes Kalb schon treten kann.

Dr. Reupke: Ich wollte auf jeden Fall eine Stelle im Rinderbereich, bei der ich nicht noch nebenbei Pferde oder Kleintiere betreuen muss. Das traf auf diese Stelle zu. Außerdem empfand ich ein größeres Team als Vorteil.

Wie laufen der Start und die Einarbeitung ab?

Dr. Wapelhorst: Ich bin am Anfang mit Kolleg*innen mitgefahren und sie haben mir gezeigt, was man können muss. Als ich angefangen habe, konnte ich gar nichts, weil ich mich an der Uni nie für Rindermedizin interessiert habe. Zu Beginn habe ich oft Kolleg*innen angerufen, wenn ich mir unsicher war. Wenn man die klinische Untersuchung drauf hat und in der Lage ist zu beschreiben, was man festgestellt hat, dann konnten die am Telefon eigentlich immer weiterhelfen. 

Dr. Reupke: Am Anfang bin ich viel mit Kolleg*innen mitgefahren und habe dabei viele wichtige Dinge für die tägliche Arbeit gelernt. Außerdem haben mir die Erfahrungen aus dem praktischen Jahr geholfen. Das habe ich zum Teil in Neuseeland gemacht und dort schon sehr selbstständig gearbeitet.
 

Dr. Franz Xaver Wapelhorst arbeitet als angestellter Tierarzt in Niedersachsen bei der Tierarztpraxis Lüllmann. Sein Schwerpunkt liegt in der Bestandsbetreuung von Kälberbetrieben. Das Veterinärmedizinstudium absolvierte er in Budapest und Hannover. Anschließend promovierte er im Bereich der Tierernährung.

Dr. Saskia Reupke beendete ihr Tiermedizinstudium in Hannover und promovierte im Anschluss. Nach der Promotion trat sie, wie ihr Kollege, die Stelle in der Tierarztpraxis Lüllmann in Löningen an. Zu ihren Aufgaben gehört die Betreuung Fresseraufzüchtern, Kälber-und Mutterkuhbetrieben.

Welche Aufgaben hat man als Rindertierarzt?

Dr. Wapelhorst: Ich habe fest geplante Tage. Die allermeisten Betriebe fahre ich jede Woche an einem festen Tag an. Daher muss ich morgens nicht warten, wer alles anruft, sondern fahre gleich los. Die Uhrzeit varriert hier und kann ich mir auch weitesgehend selbst einteilen. Meistens starte ich gegen halb 8. Auf den Betrieben mache ich dann mindestens einmal pro Woche gemeinsam mit dem Landwirt einen Stalldurchgang und gucke mir dabei alle Kälber an. Auf meinem größten Betrieb sind das über 3000 Kälber, das dauert natürlich. Aber ich finde es wichtig, zumal ich die Zeit auch nutze, um mit dem Landwirt zu sprechen. Dabei werden dann auch Behandlungen besprochen, die auf meinen Betrieben fast alle durch die Landwirte nach meinen Anweisungen gemacht werden. Wenn notwendig, nehme ich Proben, zum Beispiel Nasentupfer, Lungenspülproben, Kotproben oder Futterproben, für eine weiterführende Labordiagnostik. An den meisten Tagen muss ich auf mindestens einem meiner Betriebe auch Kälber impfen.

Dr. Reupke: Ich plane meine Tage selbstständig und fahre die verschiedenen Betriebe an. Je nach Betrieb besuche ich manche jede Woche und manche besuche ich nur nach Bedarf. Dabei ist dann das ganze Spektrum der Rindermedizin vertreten: Bestandsbetreuung mit Entwicklung von Impfkonzepten und Diagnostikplänen sowie die Einzeltierbehandlung bei Kuh und Kalb inklusive Chirurgie und Geburtshilfe. Natürlich gehört auch die Betreuung der Landwirte dazu. Dabei kann es dann mal um einen Stallneubau, aber auch um Maßnahmenpläne zur Antibiotikaminimierung oder auch um die alltäglichen Sorgen in ganz anderen Lebensbereichen gehen.
 

Wie sind die Arbeitszeiten bzw. ist die Work-Life-Balance?

Dr. Wapelhorst: Ich arbeite 40-45 Stunden pro Woche. Aus den Nachtdiensten bin ich dieses Jahr ausgestiegen, davor hatte ich alle 2 Wochen eine Nacht. Wochenenddienst habe ich nicht häufig, da ich in einer großen Praxis arbeite, also nur etwa alle 6-8 Wochen.

Dr. Reupke: Ich arbeite, seit ich Mutter geworden bin, nur noch eine halbe Stelle und komme auf 20 bis 25 Stunden pro Woche. Dazu kommt ein Nachtdienst alle 4 Wochen. Wochenenddienst habe ich etwa alle 6 bis 8 Wochen. Für die Wochenenddienste bekomme ich dann einen Freizeitausgleich.
 

Welches Gehalt kann man erwarten?

Dr. Wapelhorst: Es gibt keinen Tarifvertrag, sondern nur Gehaltsempfehlungen. Es kommt also auf das Verhandlungsgeschick an. Ich bin jetzt seit über 7 Jahren Kälbertierarzt und verdiene mehr als in allen Gehaltsempfehlungen angegeben wird. Dafür muss man aber natürlich seine Arbeit sehr gut machen und sich auch sonst für die Praxis engagieren. Wer nur des Geldes wegen mit der Kälbermedizin anfängt und sich nicht mit Herzblut reinstürzt, der macht es nicht gut und das wird sich auch auf dem Konto bemerkbar machen. 

Dr. Reupke: Wie schon Robert Bosch sagte: Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle. Gute Arbeit und Verhandlungsgeschick werden bezahlt.
 

Was gefällt Ihnen an der Arbeit am besten?

Dr. Wapelhorst: Ich plane meine Tage selbst und entscheide auch selbstständig über Impfkonzepte sowie Behandlungen auf meinen Betrieben. Solange auf den Betrieben alles gut läuft und sich kein Landwirt beschwert, redet mein Chef mir nicht rein. Inzwischen gehöre ich zu denjenigen, die jüngere Kolleg*innen einarbeiten und ich habe Freude daran, mein Wissen weiterzugeben. Wenn ich etwas operiere, von dem ich weiß, dass ein*e jüngere*r Kolleg*in das noch nicht kann, rufe ich die auch an. Manche von den uralten Praxischefs geben ihr Wissen nicht weiter und man bleibt Assistent. Ich finde man sollte den Jüngeren etwas beibringen, dann können die einem auch Arbeit abnehmen. Kälber impfen kann eigentlich jeder, mein Ziel ist aber, dass die jüngeren Kolleg*innen mir jede Arbeit abnehmen können und auch Bestandsprobleme in Angriff nehmen.

Dr. Reupke: Mir gefallen die sehr selbstständige Art zu arbeiten und der große eigene Entscheidungsfreiraum. Ich mag den Kontakt zu den Landwirten und die häufig schon sehr lange Zusammenarbeit. Außerdem habe ich Spaß an der Mitarbeit an Forschungsprojekten oder der Zusammenarbeit mit Firmen bei der Neuentwicklung von Produkten.
 

Was gefällt Ihnen an der Arbeit am wenigsten?

Dr. Wapelhorst: Ich bin Schönwettertierarzt. Bei Kälte und Regen mit kalten Fingern am Laptop den Besuch zu dokumentieren und Abgabebelege schreiben, das kann nerven. Die Arbeitszeit ist nicht immer gut planbar, da man nie hundertprozentig weiß, was einen auf den Betrieben erwartet. Und wenn Notfälle dazukommen, wie kranke Einzeltiere oder gar ganze Kälbergruppen, dann schmeißt es einem die Tagesplanung schon mal durcheinander.

Dr. Reupke: Das Argument: Das haben wir schon immer so gemacht.  Und ich kann mich auch so gar nicht dafür begeistern, dass sich jedes Jahr eine Behörde ein neues Formular ausdenkt, das ich dann ausfüllen muss.

Haben Sie Zukunftspläne?

Dr. Wapelhorst: Ich sage immer: Ich kaufe keine grünen Bananen, so weit im Voraus plane ich nicht. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen.

Dr. Reupke: Wenn ich einen Plan mache, der bis Mittag hält, habe ich viel geschafft. Seneca, der römische Philosoph, sagte es etwas schöner: „Wie töricht ist es, Pläne für ein ganzes Leben zu machen, da wir doch nicht einmal die Herren des morgigen Tages sind.“

 

Das Interview führte Laura Nipperdey, stud. Vet.med an der Universität Leipzig.