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Vet-NewsAffenpocken - die neue Epidemie?

Im Interview mit dem LMU-Virologen und Impfstoff-Forscher Gerd Sutter wird schnell klar, dass er die Gefahr einer Affenpocken-Epidemie in Europa als gering einschätzt – und zudem zahlreiche Unterschiede zur COVID-19-Pandemie sieht.

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Im Interview mit dem LMU-Virologen und Impfstoff-Forscher Gerd Sutter wird schnell klar, dass er die Gefahr einer Affenpocken-Epidemie in Europa als gering einschätzt – und zudem zahlreiche Unterschiede zur COVID-19-Pandemie sieht.

Der Veterinärmediziner Professor Gerd Sutter hat den Lehrstuhl für Virologie an der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) inne. Er erforscht neue Impfstoffe sowie die globale Verbreitung bisher unbekannter Erreger – und gilt als einer der führenden Pockenvirologen Deutschlands.

Affenpocken und der Unterschied zu Corona

Die Angst vor dem Beginn einer Affenpocken-Epidemie verneint Professor Sutter ganz klar, denn den Prozess, dass das Affenpockenvirus durch Reisende aus Afrika nach Europa importiert wird, gibt es – schleichend – bereits seit Jahren, parallel zu einem ebenfalls schleichenden Ausbruch in Nigeria. Vereinzelt brachten Reisende den Erreger in den vergangenen Jahren bereits in die USA, nach Israel, Singapur und Europa – hier vorwiegend ins Vereinigte Königreich. Völlig neu ist dagegen, dass es jetzt eine gewisse Ausbreitung in Europa gibt – und das muss natürlich beobachtet werden. Hinzu kommt, dass das Affenpockenvirus klar vom Coronavirus abzugrenzen ist und es fundamentale Unterschiede gibt.

Zu Beginn der Coronapandemie es sich um einen völlig neuen Erreger und man wusste nichts über seine Biologie. Über das Affenpockenvirus dagegen weiß man bereits viel mehr, und das seit Jahren: Affenpockenviren gehören zur Gruppe der Orthopockenviren, von denen man weiß, dass sie verschiedene Wirte befallen können. Auch ist bekannt, dass die Übertragung über direkten Kontakt und insbesondere über die hochinfektiösen Läsionen stattfindet. Eine Übertragung durch Tröpfchen oder Aerosole spielt eine höchstens untergeordnete Rolle. Übertragungen der Affenpocken sind daher im Vergleich zu Infektionen mit COVID-19- oder Influenza-Viren relativ ineffizient und führen – bei adäquaten Maßnahmen zur Diagnose und Kontaktermittlung – zu meist nur kurzen Infektketten. Zudem gibt es etablierte Nachweisverfahren für das Virus, so ist der Nachweis von Affenpockenviren für virologische Facheinrichtungen in Deutschland grundsätzlich problemlos möglich. Außerdem gibt es bereits Impfstoffe und sogar ein zugelassenes Medikament.
Auch der Typ des Virus ist ein ganz anderer: Bei den Affenpocken handelt es sich um ein DNA-Virus, dessen genetische Stabilität sich stark von RNA-Viren wie Corona- oder Influenza-Viren unterscheidet. Ständig mutierende neue Varianten wie bei SARS-CoV-2 kommen bei den Affenpocken, mit in der Regel sehr stabilem Genom, nicht vor.

Direkter Kontakt und Schutz

Laut Sutter erfolgt die Übertragung vor allem durch den direkten Kontakt zu Wildtieren, aber auch eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, erfordert jedoch direkten Kontakt zu einem Infizierten. Dabei sitzt die Hauptinfektiosität in den Hautläsionen, die sich erst nach den ersten generelleren Krankheitserscheinungen wie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Fieber entwickeln. In der Flüssigkeit dieser Pusteln und den sich anschließend bildenden Krusten befindet sich extrem viel Virus. Die Patient*innen sind in der Regel nicht mehr infektiös, sobald diese Krusten abgefallen und die Pusteln abgeheilt sind
Trotzdem sollten Kontakt nachvollzogen und entsprechende Hygiene- und gegebenenfalls Quarantäne-Maßnahmen eingeleitet werden. Hinzu ist eine Impfung von Kontaktpersonen sinnvoll, aber eine große Menge an Impfstoff wird deshalb nicht benötigt.

Sicherer Impfstoff

Moderne in Europa, Kanada und den USA zugelassene Pockenschutzimpfstoffe beruhen auf dem sicherheitsgetesteten und in Säugetieren nicht vermehrungsfähigen Vacciniavirus MVA (Modifiziertes Vacciniavirus Ankara), mit dem Professor Sutter selbst sich schon seit seiner Doktorarbeit befasst. Es handelt sich um ein klassisches Impfvirus, das wirksame humorale Immunantworten, also Antikörper und zugleich zelluläre Antworten, also T-Zellen anregt. Bei der Prophylaxe zum Schutz gegen Orthopockenvirus-spezifische Erkrankungen kommt der zellulären Immunität eine besondere Bedeutung zu. Das MVA dient aufgrund seiner klinisch erprobten Sicherheit und Fähigkeit zur Induktion schützender Virus-spezifischer T-Zellantworten – in der aktuellen Forschung von Professor Sutter wird das MVA auch zur Entwicklung breit wirksamer Impfstoffe gegen andere neu auftretende Viruskrankheiten genutzt. Dabei dient das Orthopockenvirus quasi als Vektor, der die Gensequenzen für Impfantigene anderer Erreger, wie etwa von MERS oder COVID-19 sozusagen Huckepack nimmt und einschleust. Viele Ältere wurden damals mit einer Menschenpockenimpfung geimpt und auch durch diese kann noch ein Teilschutz vorhanden sein. Es gibt klare Daten, dass gerade die zelluläre, die T-Zell-Immunität noch virusspezifisch nachweisbar ist, auch wenn die Antikörperantwort im Serum schon verschwunden ist. Während der Impfkampagne gegen die Menschenpocken erhielt das Pflege- und Impfpersonal allerdings alle drei Jahre eine Auffrischungsimpfung. Dazu ist aber zu sagen, dass die Menschenpocken auf einem anderen Virus beruhten, das viel ansteckender und fulminanter in seiner Ausbreitung ist als das der Affenpocken.

Medikamente zur Verhinderung der Ausschleusung neuer Viren?

Das bei uns zugelassene Medikament Tecovirimat gegen Affenpocken, ist ein sogenanntes „Small Molecules”-Medikament, welches hochspezifisch ein Protein von Orthopockenviren angreift und so das Ausschleusen neuer Viren aus infizierten Zellen verhindert. Es hat demnach eine wirklich sehr gute Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Die Zulassung von Tecovirimat beruhte auf sehr vielen präklinischen Versuchen an verschiedensten Tiermodellen.

Besser vorbereitet auf die nächste Pandemie?

Bei allem Schaden und Unglück, das die COVID-19-Pandemie über uns gebracht hat - sie hat immerhin weltweit eine Aufmerksamkeit dafür geschaffen, dass solche Ereignisse tatsächlich eintreten können – und man sich entsprechend vorbereiten muss. Dazu gehört, dass die Gesundheitssysteme mit Schutzkleidung versorgt und mit wirksamen Containment-Strategien gerüstet sind, aber auch, dass die Forschung vorausdenkt, welche Erreger gefährlich werden und welche Impfstoffe benötigt werden könnten. Wir sind sicher auch gut beraten, entsprechende Produktionsstätten für Medikamente und Impfstoffe bereitzuhalten – auch lokal in Europa. Sutter selbst ist bei der von der WHO initiierten und begleiteten „Coalition for Epidemic Preparedness Innovation” involviert, einer weltweiten öffentlich-privaten Partnerschaft von Firmen und wichtigen Forschungsinstituten. Diese beobachtet bestimmte „Most Wanted”-Viren, von denen man glaubt, dass sie unter Umständen gefährlich werden könnten – wie das Krim-Kongo-Fieber oder das MERS-Coronavirus. Das Affenpockenvirus, auch wenn es der Öffentlichkeit nun bedrohlich erscheint, gehört nicht dazu.

 

Quelle (nach Angaben von):

Ludwig-Maximilians-Universität München (24.05.2022). „Mit ständig mutierenden Varianten ist bei Affenpocken nicht zu rechnen”. Im Internet: „Mit ständig mutierenden Varianten ist bei Affenpocken … - LMU München. 31.05.2022