Ist das Umsatzplus in der Tiermedizin im Jahr 2020 während der Pandemie von 10,6% im Vergleich zum Vorjahr ein Segen für die Branche oder wächst mit den steigenden Haustierzahlen das Problempotenzial?
Umsatzplus und höchste Absolventenrate
Laut Statistischem Bundesamt erzielte das Veterinärwesen 2020 rund 4,4 Milliarden Euro Umsatz. Das stellt ein Plus von 10,6% gegenüber dem Vorjahr dar und das, obwohl der Jahresumsatz 2020 von allen Wirtschaftsbereichen zusammen um insgesamt 3,8% gesunken ist.
Zu diesem Umsatzplus hat aber nicht die Anzahl der Tierarztpraxen in Deutschland beigetragen, denn diese lag auch 2020 nahezu unverändert bei rund 11.000. Dafür war die Zahl an Nachwuchskräften 2020 so hoch wie schon lange nicht mehr, 18% mehr Studenten als 2019 erlangten einen Hochschulabschluss in der Tiermedizin einschließlich einer Promotion. Zuletzt gab es so viele Absolventinnen und Absolventen im Jahr 2005 mit ebenfalls rund 1.500 Studenten. Unter den Nachwuchskräften sind 83% Frauen. Doch ein Aufwärtstrend beim Umsatz war bereits vor der Pandemie zu erkennen, denn auch 2019 lag dieser bereits 5,9% höher als im Jahr 2018.
Immer mehr Haustiere
Aber nicht nur die vielen neuen Tierärzte sorgten für ein großes Umsatzplus in der Branche, sondern auch die vielen Tierhalter. So zogen im Corona-Jahr 2020 rund 1 Million Tiere in ein neues Zuhause ein. Mittlerweile lebt in fast jedem zweiten Haushalt ein Tier, denn viele Menschen fühlten sich während der Pandemie einsam und wie auch Psychologen mittlerweile bestätigen ist der positive Effekt von Tieren auf den Menschen wissenschaftlich erwiesen. Und auch im Jahr 2021 stieg die Anzahl der Haustiere weiter an.
Fluch oder Segen?
Doch die immer steigenden Zahlen von Haustieren bringen auch Probleme mit sich. Zwar gibt es teilweise auch immer mehr Tierärzte, jedoch reicht es meist nicht aus, um die vielen Tiere zu versorgen. Die Verteilung ist gerade in den ländlicheren Regionen oft sehr schlecht, aber auch in den Großstädten kommt es beispielweise in der Notfallversorgung zu immer längeren Wartezeiten. Viele Besitzer suchen Stunden nach einem Tierarzt mit einem freien Termin und das sogar bei einem Akutfall. Folglich steigt auch die Arbeitsbelastung der Tierärzte immer weiter an, obwohl sie bereits vor der Pandemie hoch war. So ist der Tiermedizinberuf, der Beruf mit der weltweit überdurchschnittlich höchsten Suizidrate. Die Überbelastung der Tierärzte ist ein Zusammenspiel aus Leistungsdruck, schwierigen Patientenbesitzern, einer hohen Erwartungshaltung, schlechter Bezahlung, vielen Überstunden und der häufigen Konfrontation mit dem Thema Tod.
Folglich stellt Corona nicht wirklich einen Segen für die Tiermedizin dar: zwar ist der Umsatz deutlich gestiegen, doch auch die Anzahl der zu versorgenden Tiere steigt immer weiter. Im Gesamten wachsen so die Probleme der Tierärzte von Tag zu Tag ohne Aussicht auf Veränderungen.
Quellen (nach Angaben von):