Die einzige Bärenart aus der etwa 11,5 Millionen Jahre alten Fundstelle Hammerschmiede im Allgäu war ein Verwandter des Großen Pandas, seine Ernährung ähnelte jedoch eher der pflanzlich-tierischen Mischkost heutiger Braunbären. Das hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Madelaine Böhme vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen bei der Untersuchung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten von 28 inzwischen ausgestorbenen Raubtierarten aus der Hammerschmiede festgestellt.
Außergwöhnliche Vielfalt
Die Hammerschmiede wurde 2019 durch den Fund des bereits aufrecht gehenden Menschenaffen Danuvius guggenmosi, genannt Udo, bekannt. Die jüngsten Ausgrabungen in der Hammerschmiede haben eine außergewöhnliche Vielfalt an 166 fossilen Tierarten zutage gefördert. „Solch ein blühendes Ökosystem bietet eine Fülle von ökologischen Nischen für die darin lebenden Arten“, sagt Böhme. Viele der entdeckten Tiere hätten sowohl im Wasser als auch an Land gelebt oder eine kletternde Lebensweise gehabt. „So konnten sie sich an den bewaldeten Fluss anpassen, der zu jener Zeit in der Region vorhanden war“, sagt die Forscherin.
Untersuchungen der Zähne geben Hinweise
Die gefundene Bärenart mit dem Namen Kretzoiarctos beatrix wird als ältester Verwandter des modernen Großen Pandas angesehen, da die Form und Gestalt seiner Zähne Ähnlichkeiten mit denen des chinesischen Bären aufweist, der sich fast ausschließlich von Bambus ernährt. Kretzoiarctos beatrix war kleiner als moderne Braunbären, wog aber mehr als 100 kg. „Die heutigen Großen Pandas gehören in der zoologischen Systematik zu den Fleischfressern. Tatsächlich ernähren sie sich aber ausschließlich von Pflanzen. Sie haben sich auf harte pflanzliche Nahrung, insbesondere Bambus spezialisiert“, berichtet Dr. Nikolaos Kargopoulos von der Universität Tübingen und der University of Cape Town. Wissenschaftlich interessant sei, wie sich bei ursprünglichen Fleischfressern eine Anpassung an eine solch extreme pflanzliche Ernährungsweise entwickelte.
In einer Studie untersuchte das Forschungsteam die Ernährung von Kretzoiarctos anhand der Makro- und Mikromorphologie der gefundenen Zähne. „Die Merkmale dieser Oberflächenveränderungen können Aufschluss über die Ernährungsgewohnheiten eines Tieres während eines kurzen Zeitraums vor seinem Tod geben“, sagt der Wissenschaftler.
Makro- und Mikromorphologie?
Auf der Makroebene ändert sich die Form der Zähne je nach ihrer Rolle bei der Nahrungsverarbeitung, was Aufschluss über die allgemeine Hauptnahrung eines Tieres gibt. Auf der Mikroebene der Zahnoberfläche kann man Kratzer und Grübchen erkennen, die durch Kontakt von Nahrungspartikeln mit dem Zahn verursacht werden.
Verglichen wurde die Makro- und Mikromorphologie der Zähne von Kretzoiarctos mit denen von Braunbären, Eisbären, südamerikanischen Brillenbären sowie heutigen und ausgestorbenen Großen Pandas. Dabei kam das Forschungsteam zu dem Schluss, dass der Bär aus der Hammerschmiede weder ein Spezialist für harte Pflanzen war noch ein reiner Fleischfresser wie der Eisbär. Die Ernährung der ausgestorbenen Art ähnelte eher der eines modernen Braunbären und enthielt sowohl pflanzliche als auch tierische Bestandteile. „Diese Ergebnisse sind wichtig für unser Verständnis der Evolution von Bären und der Entwicklung des Veganismus bei den Großen Pandas. Kretzoiarctos beatrix, die ältesten Großen Pandas, waren demnach Generalisten. Eine Spezialisierung in der Ernährung der Pandas erfolgte erst spät in ihrer Evolution“, sagt Böhme.
Viele weitere Raubtiere gefunden
Neben dem Panda wurden bisher in der Hammerschmiede weitere 27 Raubtierarten gefunden, berichten die Forscher*innen in einer weiteren Studie. Die Räuber reichen von winzigen, wieselartigen Tieren, die weniger als 1 kg wogen, bis hin zu großen Hyänen und Säbelzahnkatzen, die mehr als 100 kg auf die Waage gebracht haben dürften. Dabei decke nicht nur ihre jeweilige Hauptnahrung eine große Bandbreite ab, sondern auch die bevorzugten Lebensräume sollen sehr unterschiedlich gewesen sein, so die Forschenden.
„Eine derart vielfältige Raubtierpopulation ist nicht nur fossil äußerst selten; es gibt wohl auch kaum einen modernen Lebensraum mit ähnlich vielen Arten“, sagt Böhme. Diese Artenvielfalt an der Spitze der Nahrungskette zeige, dass das Ökosystem der Hammerschmiede sehr gut funktioniert haben muss.
Quelle (nach Angaben von):
Die Evolution des Großen Pandas begann als Allesfresser | Universität Tübingen. 16.09.2024
(JD)