Rhythmus im Blut

Eigentlich sind heimische Vogelarten wie Amsel, Drossel, Fink und Star durchweg Zugvögel, doch die Vögel passen sich mehr und mehr den veränderten Umweltbedingungen an und verzichten auch den Flug in den Süden. Doch das liegt nicht nur am Klimawandel, sondern auch der genetischen Programmierung wie Ornithologe Ernst Paul Dörfler erklärt: „Wenn zum Beispiel die Vatermeise reiselustig war, und die Muttermeise lieber zu Haus geblieben ist, dann können die Kinder sich aufsplitten. Ein Teil verreist und ein Teil bleibt.“

Doch andere Vogelarten, vor allem die Insektenfresser müssen in den Süden fliegen, wie Gänse, Kraniche, Enten, Schwalben und Stare. Sie fliegen meist in Formationen. Doch einige, vor allem Singvögel fliegen auch allein und vorwiegend nachts. Auf ihrem Weg Richtung Süden orientieren sie sich vor allem an Gewässern, denn hier gibt es Futter und Rastplätze. Doch der Rhythmus der Zugunruhe ist vorwiegend im Erbgut gespeichert, selbst handaufgezogene und in Volieren lebende Vögel kennen den richtigen Zeitpunkt zum Losfliegen.

Als zusätzliche Orientierungshilfe dient der Polarstern, er steht über dem Nordpol und befindet sich so folglich immer im Rücken der Vögel, auf dem Weg Richtung Süden. Da sich die Augen der Vögel seitlich befinden können sie ihn trotzdem die ganze Zeit über sehen. Doch die Vögel besitzen auch eigene Werkzeuge, um sich nicht zu verfliegen. Die sogenannten Cryptochrome, das sind Eiweißmoleküle, die sich in der Netzhaut der Vögel befinden und magnetosensorisch sind, das heißt sie nehmen die Magnetfeldlinien wahr. Gemeinsam mit vielen Millionen Magnetit-Kristallen in den Augen und auf dem Schnabel fliegen die Vögel so immer parallel zu den Magnetlinien.

Zugvögel ziehen nicht mehr

Zweimal im Jahr begeben sich Zugvögel auf ihre langen Flugreisen, im Herbst Richtung Süden ins Winterquartier und im Frühling zurück in die Brutgebiete nach Europa. Doch der Klimawandel verschiebt diesen Rhythmus, die Ankunftszeiten der Zugvögel passen immer öfter nicht mehr mit der verfügbaren Nahrung und den klimatischen Verhältnissen zusammen. Studien zeigen, dass der Zeitraum der Zugvögel in Europa im Laufe der letzten Jahre deutlich zugenommen hat und dahingegen der Aufenthalt in den südlichen Ländern wie Afrika deutlich abgenommen hat. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnten es in Zukunft dazukommen, dass kaum noch Vögel zum Überwintern bis nach Afrika fliegen, sondern lediglich im Süden Europas den Winter verbringen. Die längere Anwesenheit von Zugvögeln in Europa könnte zu einer verstärkten Konkurrenz um Nahrung und Ressourcen mit nicht ziehenden Vogelarten führen. Zudem treten in den Winterquartieren wie Afrika zunehmende Probleme auf, wie Auswirkungen auf den Insektenverbrauch, die Samenverbreitung und die Bestäubung von Pflanzen.

Haupttreffpunkt: Bodensee

Zahlreiche Zugvogelarten rasten auch auf ihrem Heimweg in den vergangenen Jahren deutlich länger am Bodensee als sonst. Viele Zugvögel haben auf den Weg zurück in den Norden wieder kehrtgemacht bzw. ihre Reise zurück gleich abgebrochen und warteten am Bodensee auf den Frühling. Aufgrund von Schnee und starken Winden im Norden haben sich viele Vogelarten für diese Strategie entschieden, denn gegen den Sturm zu fliegen würde zu viel Energie kosten. Zudem gibt es auf den hartgefrorenen Böden im Norden kaum Nahrung.