Es gibt verschiedene Methoden, die das Potenzial haben, Tierversuche zu minimieren oder sogar zu ersetzen. Dazu zählen menschliche Stammzellen, die im In-vitro-Verfahren gezüchtet werden und aus denen Mini-Organe, sogenannte Organoide, nachgebildet werden. Auch am Fraunhofer ISC/TLZ-RT in Würzburg entwickeln Forscher*innen solche In-vitro-Gewebemodelle, wobei sie sich unter anderem auf Barriere-Organe wie die Haut fokussieren. Mit diesen im Labor gezüchtete Zellaggregaten lassen sich physiologische Prozesse nachvollziehen und unter kontrollierten Bedingungen erforschen – eine Möglichkeit, den Einsatz von Tierversuchen zu vermeiden oder zu verringern. Diesen Weg gehen auch die Forschenden des Start-up-Projekts TigerShark Science: Es ist ihnen gelungen, ein Hautmodell zu kultivieren, das nahezu alle Strukturen der menschlichen Haut repräsentieren kann und somit ein realitätsnahes Hautmodell darstellt. Mit der Start-up-Idee, steht das Forscherteam nun vor der Ausgründung.
Komplexe Modelle sind einmalig
Der Pharma- und Kosmetikbranche bietet das Start-up zunächst gesunde Hautmodelle in hoher Stückzahl an, die die 3 Hautschichten Epidermis, Dermis und Hypodermis mit Fettzellen nachbilden. Sie eignen sich etwa für die Testung von Medikamenten und deren Nebenwirkungen oder beispielsweise für die Erforschung des Haarwachstums. Bei den Organoiden handelt es sich um komplexe Hautmodelle aus unterschiedlichen Zelltypen, die vergleichbar der menschlichen Haut Talgdrüsen und Haare aufweisen. Man kann unter anderem untersuchen, wie die Zellen nach der Gabe eines Wirkstoffs miteinander kommunizieren oder ob Wirkstoffe Irritationen auslösen. »Hautmodelle dieser Komplexität gibt es bislang noch nicht auf dem Markt, sie sind einmalig«, betont eine Forscherin das Alleinstellungsmerkmal und das große Potenzial der Technologie.
Vom Bioreaktor zur Epidermis
Die Organoide werden automatisiert in hoher Stückzahl im Bioreaktor entwickelt und anschließend mit einem speziellen Verfahren auf Nanofasern aufgebracht. So entsteht eine sogenannte Luftmediumgrenzkultivierung, bei der die oberste Hautschicht, die Epidermis – anders als bei der Kultivierung in der Petrischale – Kontakt mit der Luft hat. Die Nanofasern sind bereits patentiert, ein Verfahrenspatent ist ebenfalls geplant.
Hautmodelle besser auf Menschen übertragbar
Das Modell ermöglicht schnelle Testungen – ein großer Vorteil gegenüber Tierversuchen, die oft teuer und zeitaufwändig sind. Mit dem Hautorganoid aus menschlichen Stammzellen lassen sich schnellere und präzisere Ergebnisse erzielen, die in vielen Fällen besser auf den Menschen übertragbar sind. In nur einem einzigen Schritt können die Reaktionen der Zellen aller 3 Hautschichten untersucht werden, eine Möglichkeit, die der Markt bis dato nicht bietet.
Modell soll weiterentwickelt werden
Derzeit wird das Hautmodell weiterentwickelt und künftig um Modelle mit Immunzellen und Blutgefäßen, aber auch um Modelle mit Tumorzellen ergänzt, etwa um Krankheiten wie Hautkrebs simulieren und erforschen zu können. Mit der wachsenden Komplexität des Modells können weitere Anwendungsfelder wie Aspekte der Wundheilung adressiert oder Infektionsstudien realisiert werden. »Wir wollen unser Portfolio sukzessive erweitern. Im ersten Schritt gehen wir mit dem gesunden Hautmodell auf den Markt, es kommen jedoch zusätzliche hinzu wie ein Hautmodell zur Erforschung von Hautfibrose«, erläutert eine am Projekt beteiligte Biologin.
Quelle (nach Angaben von):
Hautmodelle als Alternative zu Tierversuchen (fraunhofer.de). 16.07.2024
(JD)