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Forscher*innen vermuten, dass Neurotoxine – die möglicherweise von Mikroorganismen produziert werden – für die Equine Grass Sickness verantwortlich sind.
Forscher*innen konnten ein Neurotoxin als wahrscheinliche Ursache der Equine Grass Sickness (EGS) identifizieren. Das Toxin zeigt eine ähnliche Wirkung wie Schlangengifte. Diese Entdeckung kann möglicherweise zu neuen Behandlungsmethoden und verbesserter Diagnostik für die Erkrankung führen. Wesentliche Aspekte der Arbeit sind in einem Sondereditorial des Equine Veterinary Journal (EVJ) zusammengefasst.
Sondereditorial des Equine Veterinary Journal
Der Originalartikel "Neurotoxic phospholipase A2: A proposed cause of equine grass sickness and other animal dysautonomias (multiple system neuropathies)" aus dem Equine Veterinary Journal.
Wissenswertes zur Equine Grass Sickness
Vorkommen
Die EGS ist in einigen Gegenden von Großbritannien stark vertreten. Doch auch in anderen europäischen Ländern – einschließlich Deutschland – tritt die Erkrankung auf.
Risikofaktoren
Für eine Erkrankung an der EGS gibt es unterschiedliche Risikofaktoren, wie epidemiologische Studien aus Großbritannien zeigen:
- Einzelpferd: z. B. junge Pferde (2–bis 7-jährig) in gutem bis adipösem Nährzustand
- Management des Pferdes: Weidegang, Neuzugang, häufige Verabreichung von Anthelmintika
- Haltungsbedingungen: z. B. geografische Lage, frühere EGS-Fälle, Sand- oder Lehmboden
- klimatische Bedingungen/Jahreszeit: z. B. Erkrankungspeak im Frühjahr (und 2. Peak im Herbst)
Klinik
Klinische Fälle können in der Regel in 3 Gruppen eingeteilt werden. Die Einteilung erfolgt in akute, subakute und chronische Fälle, wobei auch perakute Fälle beschrieben werden. Die Schwere der Erkrankung korreliert mit dem Ausmaß der Nervenschädigung.
Hauptsymptome der EGS sind gastrointestinaler Art. Bei der akuten Form zeigen Pferde häufig Koliksymptome. Bei einem chronischen Verlauf treten eher milde Koliksymptome auf, die oft nach der Futteraufnahme einsetzen. In beiden Fällen ist eine Veränderung der Kotbeschaffenheit oder fehlender Kotabsatz beobachtbar.
Bei aktuten, subakuten und chronischen Verläufen kann eine Dysphagie auftreten, diese ist gegebenenfalls durch eine gleichzeitige Anorexie schwer zu identifizieren. Betroffene Pferd können außerdem Tachykardie und Schweißausbrüche zeigen.
Akute Equine Grass Sickness | Chronische Equine Grass Sickness |
---|---|
Koliksymptome mittleren Schweregrads (selten hochgradig) | milde, intermittierende Koliksymptome, häufig nach Futteraufnahme |
fehlende Peristaltik | rapider Gewichtsverlust |
Reflux, manchmal spontan | veränderte Abdomensilhouette mit typischer „Wespentaille“ |
fehlender Kotabsatz oder Veränderungen der Kotbeschaffenheit (trockener, harter Kot mit schwarzem Überzug und Pseudomembranen) | fehlender Kotabsatz und Veränderungen der Kotbeschaffenheit (trockener, harter Kot mit schwarzem Überzug und Pseudomembranen) |
Dysphagie | Dysphagie |
Anorexie | Anorexie |
bilaterale Ptosis | bilaterale Ptosis |
Hypersalivation (kann auch ausbleiben) | Rhinitis sicca (nahezu pathognomonisch) |
Tachykardie (60–120 Schläge/min) | Tachykardie (50–60 Schläge/min) |
generalisierter oder lokalisierter Schweißausbruch | lokales Schwitzen (Ohrbasis, seitlich am Hals und an der Flanke, unter dem Schweif) |
Muskelzittern und Muskelfaszikulationen (v. a. Trizeps- und Quadrizepsmuskulatur, an den Flanken) | Muskelzittern und Muskelfaszikulationen (v. a. Trizeps- und Quadrizepsmuskulatur, an den Flanken) |
Verhaltensänderungen (mit Trinkwasser spielen) | Verhaltensänderungen |
Piloerektion | Piloerektion |
„base narrow stance“ | „base narrow stance“, häufig mit niedriger Kopf-Halshaltung |
Penisprolaps (häufiger Hengste als Wallache) |
Diagnose
Durch die Kombination aus der klinischen und neurologischen Untersuchung und der Anamnese lässt sich die Krankheit von erfahrenen Tierärzt*innen mit einer hohen diagnostischen Sicherheit identifizieren. Vor allem bei der Anamnese sollten mögliche Risikofaktoren erfragt werden.
Prognose und Therapie
Eine Therapie sollte nur bei milden chronischen Fällen erfolgen. Die Behandlung der EGS umfasst sowohl symptomatische als auch unterstützende Therapiemaßnahmen. Zu den Maßnahmen zählen beispielsweise das Füttern aus der Hand, die Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten, Gabe von Appetitstimulanzien und Analgesie.
Der Verlauf bei akuten und subakuten Fällen ist in der Regel tödlich. In diesem Fall sollten die Pferde euthanasiert werden. Bei chronischen Fällen überleben ungefähr 50% der Pferde.
Zum Weiterlesen
Der Beitrag "Equine Grass Sickness – Bei welchen Symptomen ist daran zu denken?" erschien im Pferdespiegel und bietet unter anderem eine ausführliche Beschreibung der Erkrankung.
Neu entdeckter Auslöser
Forscher*innen der University of Edinburgh, der Newcastle University und der University of Padova sind der Meinung, das für die EGS verantwortliche Neurotoxin identifiziert zu haben. Die Forscher*innen zeigten unter dem Elektronenmikroskop, dass betroffene Pferde große Anomalien in der Struktur ihrer neuromuskulären Verbindungen aufweisen. Es wird angenommen, dass diese Anomalien eine toxinspezifische Signatur des neurotoxischen Enzym "Phospholipase A2" darstellen. Interessanterweise sind neurotoxische Phospholipase-A2-Toxine im Gift vieler giftiger Schlangen enthalten. Deshalb besteht die Hoffnung, einige der Medikamente, die derzeit zur Behandlung und Förderung der Nervenregeneration in der Humanmedizin zum Einsatz kommen, auch bei der Genesung von Pferden einsetzen zu können.
Weiterhin wird daran gearbeitet, die Quelle dieses Toxins endgültig zu identifizieren. Die Forscher*innen vermuten, dass es von einer Mikrobe wie einem Bakterium oder Pilz produziert wird, die während des kalten und trockenen Wetters auf der Weide des Pferdes wachsen.
Professor Bruce McGorum, R(D)SVS, sagte: "Die Identifizierung einer wahrscheinlichen Ursache für die Pferdekrankheit stellt einen bedeutenden Durchbruch dar. Wir hoffen, dass diese Entdeckung zu neuartigen Behandlungen und einer verbesserten Diagnostik für diese verheerende Erkrankung führen wird. Wir sind sehr dankbar für die großzügige Unterstützung, die wir von Pferdebesitzern, Tierärzten, Wissenschaftlern, Wohltätigkeitsorganisationen und Fördereinrichtungen erhalten haben.
"Weitere Arbeiten sind im Gange, um die Quelle dieses Neurotoxins zu bestimmen; Es ist wahrscheinlich, dass es von einer Mikrobe wie einem Bakterium oder Pilz produziert wird, die während des kalten und trockenen Wetters, das der Krankheit vorausgeht, auf der Weide des Pferdes wächst."
Orignalpublikation:
Quellen (nach Angaben von):
Researchers identify probable cause of equine grass sickness (beva.org.uk) 05.12.2024
Schwarz B. "Equine Grass Sickness – Bei welchen Symptomen ist daran zu denken?" pferde spiegel 2014; 17(1): 8-14 DOI: 10.1055/s-0034-1368170
(IR)