Nicht nur der Mensch hat beeidruckende kognitive Fähigkeiten. Bei Primaten aber auch bei Bienen und Spinnen konnten mathematische Fähigkeiten nachgewiesen werden. Und jetzt hat eine Forschungsgruppe aus Bonn gezeigt, dass auch Fische das Rechnen lernen können.
Was können Fische lernen?
Diese Frage will Prof. Vera Schlüssel, Professorin am zoologischen Institut der Uni Bonn, nun klären. An der Universität arbeitet sie mit verschiedenen Fischarten, u.a. auch Haien und Rochen. Nach ihrem Projekt zur Erforschung des räumlichen Gedächtnisses dieser Tiere, beschäftigt sie sich nun mit dem mathematischen Verständnis der Tiere. Nachdem 2019 Forscher aus Australien zeigten, dass Honigbienen das Plus- und Minus-Rechnen konnten, wollen Schlüssel und ihr Forschungsteam dies jetzt auch mit ihren Rochen ausprobieren.
Farbsystem soll Rechenkünste zeigen
Dafür zeigten sie in einem Aquarium den Fischen auf einem Tor eine bestimmte Anzahl geometrischer Figuren – entweder in blau oder in gelb. Die Farbe war das Signal für die Fische, welche Rechenoperation sie jetzt ausführen sollten: Blau hieß „plus 1“, Gelb „minus 1“. Kurz darauf öffnete sich das Tor, dahinter zwei Gänge, in die die Fische schwimmen konnten. Waren auf dem Tor vorher zum Beispiel drei blaue Symbole zu sehen, waren es auf den Wänden am Ende der Gänge einmal zwei und einmal vier Symbole, also einmal eines mehr und einmal eines weniger als auf dem Tor. Die Fische mussten sich entscheiden, wohin sie schwimmen – wenn sie es richtig machten, also bei blau „plus eins“ rechneten, bekamen sie eine Belohnung. Und siehe da: Mit der Zeit lernten die Fische das Prinzip und schwammen deutlich öfter zur richtigen Wand.
Kontrollversuch zeigt: die Fische rechnen tatsächlich
Das allein ist aber noch kein Beweis, dass die Fische wirklich gelernt haben zu rechnen – vielleicht hatten sie einfach gelernt, bei Blau zur größten Anzahl Symbole zu schwimmen und bei Gelb zur kleinsten. Also machten die Forschenden es eine Stufe schwieriger: Nachdem den Fischen auf dem Tor zum Beispiel 3 blaue Symbole gezeigt wurden, waren die Auswahlmöglichkeiten am Ende der Gänge nicht mehr 4 und 2, also plus 1 und minus 1, sondern 4 und 5. Für Vera Schlüssel wäre es absolut logisch gewesen, dass die Tiere jetzt zur höheren Zahl schwimmen.
Tatsächlich aber haben sie noch immer die „Plus 1“-Antwort der „Plus 2“ Antwort vorgezogen. Die Fische haben also tatsächlich gelernt zu rechnen, statt einfach die Menge abzuschätzen.
Individuelles Rechentalent bei Rochen und Buntbarschen
Die Forscher*innen untersuchten in der Studie zwei unterschiedliche Fischarten – Rochen und Buntbarsche. Und beide Arten lernten das Addieren und Subtrahieren. Interessanterweise gelang den Buntbarschen das Rechnen besser als den Rochen – allerdings gab es auch zwischen den Individuen einer Art deutliche Unterschiede. Für Vera Schlüssel ein Zeichen für die unterschiedlichen Fähigkeiten und Persönlichkeiten der einzelnen Fische, die man nicht unterschätzen dürfe.
Zweck der Rechenfähigkeit noch unklar
Wofür die Barsche und Rochen die Rechenfähigkeit brauchen könnten, kann auch Vera Schlüssel nicht mit letzter Sicherheit sagen. Das haben sie und ihr Team auch nicht erforscht – in ihrer Studie ging es nur um die Frage, ob Fische Addition und Subtraktion lernen können und nicht wofür. In der Natur könnten die Tiere so vielleicht Gruppengrößen abschätzen oder herausfinden, wo es mehr oder weniger Futter gibt.
Tiere können mehr als wir denken
Schlüssel hofft andere mit ihrer Begeisterung anzustecken: „Vielleicht sollte man sich das immer wieder mal ins Gedächtnis rufen, dass nur weil man nicht immer davon hört, dass das nicht bedeutet, dass diese Tiere alle instinktgetrieben und in Anführungsstrichen doof sind".
Quelle (nach Angaben von):
SWR Wissen (01.04.2022). Fische können rechnen lernen. Im Internet: Fische können rechnen lernen - SWR Wissen 05.04.2022