Inhalt

Bei einem Debriefing werden bedeutende oder problematische Ereignisse aus dem Praxisalltag besprochen. – Symbolbild
Der verbale Angriff eines Tierhalters oder ein im Wartezimmer verstorbener Patient – psychisch belastende Situationen gib es in fast jeder Tierarztpraxis. Ein systematisches Debriefing kann helfen, diese Ereignisse besser zu verarbeiten und früher zu erkennen, wann externe Hilfe benötigt wird.
Was ist Debriefing?
Unter Debriefing versteht man die Nachbesprechung nach einem spezifischen Ereignis mit dem Ziel, Informationen auszutauschen und zu analysieren [1].
In gewisser Weise debriefen wir alle, wenn wir jemand anderem erzählen, wie unser Tag gelaufen ist oder was in unserem Leben passiert. In diesem Beitrag bezieht sich der Begriff „Debriefing“ auf einen geplanten Kommunikationsprozess unter Teammitgliedern oder Individuen, um ein bedeutendes bzw. problematisches Ereignis oder eine schwierige Situation zu besprechen. Typischerweise handelt es sich dabei um ein belastendes oder traumatisches Ereignis, das eine negative psychologische Auswirkung auf die Teammitglieder haben könnte.
Das Debriefing wird auch eingesetzt, um einen Fall oder eine Situation zu analysieren mit dem Ziel, hervorragende Leistungen, bewährte Vorgehensweisen, aber auch Schwachstellen zu identifizieren und um zu erkennen, welche Abläufe oder Methoden modifiziert werden können, um bessere Ergebnisse zu erzielen.
Debriefings können sowohl Elemente des psychologischen Verarbeitungsprozesses als auch eine Fallbesprechung und Situationsüberprüfung umfassen.
In der Literatur findet man wenige Informationen über Debriefing in der tierärztlichen Praxis, da die meisten Forschungsarbeiten aus dem humanmedizinischen Bereich kommen. Obwohl die Befunde zur Wirksamkeit des Debriefings nicht eindeutig sind, werden Debriefings in der Humanmedizin immer öfter durchgeführt. Im Allgemeinen haben wissenschaftliche Studien eine Verbesserung der Leistung durch das Debriefing bestätigt, während seine Wirksamkeit in Bezug auf die psychologische Unterstützung und die Reduktion der Traumasymptomatik nicht eindeutig ist [2], [3], [4].
Stressige und traumatische Ereignisse in der Tierarztpraxis
Obwohl die Ausübung des tiermedizinischen Berufs viel Freude bereiten kann, werden Veterinärmediziner*innen häufig mit belastenden oder traumatischen Ereignissen konfrontiert, die Individuen und Teams negativ beeinflussen können. Beispiele dafür sind:
- unerwartete oder ungünstige klinische Ergebnisse inkl. Todesfälle
- iatrogene Fehler in der Therapie oder Diagnose, die den Zustand des Tieres verschlechtern
- schwierige/übergriffige Patientenbesitzer*innen
- niedergeschlagene Patientenbesitzer*innen
- Konfrontation mit schweren Verletzungen und Tierleid
- Kundenbeschwerden
Note
Stressige und traumatische Erlebnisse sind subjektiv und werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst, z. B. durch individuelle Stärken, Schwächen, Bewältigungsstrategien und Ressourcen.
Aus diesem Grund sollte man nicht davon ausgehen, dass ein bestimmtes Ereignis von jeder Person als traumatisch empfunden wird.
Ziele des Debriefings
Das allgemeine Ziel des Debriefings kann mit folgendem Zitat zusammengefasst werden: „Die Befragten nannten als Ziele des Debriefings die Überprüfung der medizinischen Versorgung, die Diskussion über die Fehler, die Entwicklung von Leitlinien/Abläufen, die Besprechung der Teamarbeit, die Stärkung der Teammoral und das Anbieten emotionaler Unterstützung“ [1].
Konkret bietet das Debriefing folgende potenzielle Vorteile:
• psychologische Vorteile:
- reduziert die Folgen traumatischer Ereignisse
- verringert die Stresssymptome
- hilft Individuen und Gruppen, weiterhin effizient zu arbeiten
- unterstützt Regeneration und Resilienz
- identifiziert und fördert adaptive Bewältigungsstrategien
- versucht, diejenigen zu identifizieren, die von zusätzlicher Hilfe profitieren könnten
• praktische Vorteile:
- erleichtert die Diskussion über die Leistung des Einzelnen und des Teams
- identifiziert die Aspekte, die gut gelaufen sind
- identifiziert die Bereiche, die verbessert werden können und die Fehler, aus denen man lernen kann
- ermöglicht die Entwicklung von Plänen, um die künftige Leistung zu verbessern
Durch das Debriefing kann die Zusammenarbeit im Team gestärkt werden. Dies ist jedoch nicht garantiert und hängt stark von der bestehenden Gruppendynamik und der Natur des Ereignisses ab. Wenn z. B. ein Tier infolge eines iatrogenen Fehlers gestorben ist, können die Teammitglieder hin- und hergerissen sein. Einerseits möchten sie die verantwortlichen Kollegen unterstützen, andererseits fühlen sie sich ggf. wütend, weil der Fehler passiert ist, und schuldig gegenüber den Tierbesitzer*innen.
Wer braucht Debriefing und wer sollte teilnehmen?
In der frühen Entwicklung des Debriefings in den 1970er-Jahren wurde davon ausgegangen, dass eine Teilnahme verpflichtend sein sollte. Dabei wurde angenommen, dass jedem durch das Debriefing geholfen werden könne und dass Debriefing zweifellos ein positiver und hilfreicher Prozess sei. Im Laufe der Zeit wurde jedoch festgestellt, dass obligatorisches Debriefing für einige Personen entweder keinen Unterschied macht oder sogar posttraumatische Symptome verstärkt [5].
Die Gründe dafür sind:
- Emotional belastende Erinnerungen und persönliche Schilderungen von anderen Teilnehmer*innen können die Stresssymptome verstärken.
- Die Erinnerung kann zu einer Re-Traumatisierung führen.
- Das Ereignis könnte für einige Teilnehmer*innen nicht traumatisch gewesen sein.
- Einige Teilnehmer*innen können zu betroffen für ein Gruppengespräch sein.
- Einige Teilnehmer*innen fühlen sich möglicherweise nicht wohl, wenn sie sich verletzlich in einer Gruppe zeigen.
- Einige Teilnehmer*innen können denken, dass das Debriefing in der Gruppe genug sein „sollte“ und suchen daher keine zusätzliche Hilfe, wenn sie weiterhin Schwierigkeiten haben.
- Der Debriefing-Moderator könnte unzureichend kompetent sein.
Letztendlich muss die Praxis- oder Klinikleitung entscheiden, wer teilnehmen sollte. Dies hängt vom Ziel des Debriefings, von der Natur des Ereignisses und von den Kenntnissen der beteiligten Personen ab. Wenn der Fokus des Debriefings auf einer Verbesserung der Patientenversorgung, der Richtlinien und der Prozeduren liegt, wäre die obligatorische Teilnahme aller Beteiligten sinnvoll. Unabhängig davon sollten während des Debriefings die Option einer psychologischen Unterstützung und die Kontaktdaten entsprechender Beratungsstellen kommuniziert werden.
Es ist außerdem wichtig zu berücksichtigen, dass das Debriefing auch als Einzelgespräch durchgeführt werden kann (Eins-zu-Eins-Debriefing). Dies kann eine sicherere und vertraulichere Alternative für diejenigen sein, die zu betroffen für ein Gruppen-Debriefing sind oder die ihre Erfahrungen nicht mit der ganzen Gruppe teilen möchten.
Formen des Debriefings
Debriefing lässt sich in 2 große Kategorien unterteilen: „Hot Debriefing“ und „Cold Debriefing“. Beide können in der Gruppe oder als Einzelgespräch durchgeführt werden und bieten Vor- und Nachteile.
Hot Debriefings sind kurze (i. d. R. Minuten) Nachbesprechungen, die in einer Gruppe oder als Einzelgespräch unmittelbar nach dem Ereignis stattfinden. Oft werden sie im Team direkt vor Ort durchgeführt.
Cold Debriefings sind längere Nachbesprechungen, die in einer Gruppe oder als Einzelgespräch Stunden oder Tage nach dem Ereignis stattfinden.
Hot Debriefing
Beim Hot Debriefing können die Teilnehmer*innen ihren Gefühlen sofort freien Lauf lassen und das Ereignis unverzüglich verarbeiten, was die späteren Stresssymptome reduzieren kann. Dies kann zu einer besseren Leistung sowohl des Einzelnen als auch des Teams in der Zukunft führen.
Der potenzielle Nachteil des Hot Debriefings ist seine kurze Dauer. Stärker involvierte Personen könnten keine Zeit oder nicht genug Zeit für die psychologische Verarbeitung haben. Außerdem zeigen manche Individuen eine verzögerte Reaktion auf ein Trauma: Unmittelbar nach dem Ereignis fühlen sie sich nicht betroffen und entwickeln erst Stunden oder Tage später Symptome.
Cold Debriefing
Beim Cold Debriefing haben die Beteiligten mehr Zeit, um das Ereignis gründlich zu verarbeiten. Die Teilnehmer*innen fühlen sich weniger unter Druck und haben bereits die Möglichkeit gehabt, über das Geschehene nachzudenken. Der potenzielle Nachteil besteht darin, dass die Beteiligten das Ereignis nochmals „erleben“ müssen, auch wenn einige dachten, sie hätten es hinter sich.
Da die Problematiken, mit denen man in der Praxis konfrontiert wird, sehr vielfältig sein können, gibt es keine „perfekte“ Form des Debriefings.
Info
Verschiedene Debriefing-Formen können allein oder in Kombination angewendet werden. Es gibt immer die Möglichkeit, unmittelbar nach dem Ereignis ein Hot Debriefing, später ein Cold Debriefing und für diejenigen, die es brauchen, ein Eins-zu-Eins-Debriefing anzubieten.
Wie kann ein Debriefing während der Arbeitszeit organisiert werden?
Debriefings mit einer gewissen Struktur und einem Organisator oder Moderator sind effizienter. „Die Verwendung einer Struktur während des Debriefings dient als Leitfaden, sodass sich die Konversation ordentlich entfaltet, die Zeit effizient verwendet wird, die Diskussion auf Kurs bleibt und der Fokus auf wichtige Lernziele gerichtet wird“ [1].
Hot Debriefing
Hot Debriefing findet typischerweise direkt vor Ort und im Team statt. Es ist eine praktische und zweckmäßige Lösung, um die Auszeit der Mitarbeitenden zu minimieren. Die Nachbesprechung kann jedoch auch an einem anderen geeigneten Ort stattfinden, wenn am Arbeitsplatz zu viel los ist und die Debriefing-Gruppe die Arbeit anderer Personen stören würde.
Es ist ratsam, ein Zeitlimit zu setzen, um das Treffen kurz zu halten. Eine Möglichkeit ist das Modell „STOP“ oder „STOP für 5 Minuten“ (s. Kasten).
Info
STOP für 5 Minuten
Die Schritte des STOP-Modells sind:
• S ummarize the case/predicament = Zusammenfassung des Falls/der Situation
• T hings that went well = Dinge, die gut gelaufen sind
• O pportunities to improve = Verbesserungsmöglichkeiten
• P oints to action and responsibilities = Handlungspunkte und Verantwortlichkeiten
In diesem Modell ist kein psychologisches Debriefing vorgesehen, es kann aber hinzugefügt werden. Ein kurzer „Gefühls-Check-In“ kann integriert werden, indem der*die Moderator*in den Teilnehmenden die Möglichkeit gibt, ihre eigenen aktuellen Gefühle zu beschreiben. Dies sollte weder eine Zusammenfassung der Ereignisse noch eine „Geschichte“ sein: Die Teilnehmer*innen werden einfach darum gebeten, über ihre Gefühle zu sprechen, z. B. „Ich fühle mich müde, traurig und frustriert.“
Das Problem des „Gefühls-Check-Ins“ oder des psychologischen Debriefings im Rahmen eines Hot Debriefings ist die Extra-Zeit, die je nach Gruppengröße benötigt wird. Wenn es eine große Gruppe ist oder wenn eine gründlichere psychologische Verarbeitung unabhängig von der Gruppengröße notwendig ist, sollte diese Möglichkeit lieber im Rahmen eines Cold Debriefings angeboten werden.
Cold Debriefing
Im Folgenden werden die Struktur und die Richtlinien beschrieben, die der Autor in mehr als 20 Jahren Erfahrung in der Durchführung von Debriefings entwickelt hat. Diese Empfehlungen können nach Bedarf modifiziert werden.
Der Besprechungsraum sollte ruhig sein, ein Türhängeschild „Bitte nicht stören“ sollte aufgehängt werden.
Das Debriefing wird mit einer kurzen Aussage eingeleitet, z. B. „Wir möchten heute besprechen, was am Dienstag passiert ist, als Fido im Wartezimmer starb. Wir werden über die Punkte sprechen, die gut gelaufen sind, die Fehler, aus denen wir lernen können, die Bereiche, die verbessert werden können und die Richtlinien und Verfahren, die modifiziert werden sollten. Wir werden auch die Möglichkeit haben, darüber zu sprechen, wie dieses Ereignis euch beeinträchtigt hat – wenn ihr es möchtet.“
Die Grundregeln des Debriefings sollten gleich am Anfang kommuniziert werden, z. B.:
- „Alles, was im Laufe des Debriefings gesagt wird, muss bitte vertraulich bleiben.“
- „Jede*r Teilnehmer*in sollte seine Ansprache bitte auf 3 – 5 Minuten begrenzen, sodass alle die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen.“
- „Bitte lasst jeden aussprechen, bevor wir mit der offenen Diskussion anfangen.“
Wenn das Debriefing sowohl psychologische als auch praktische Aspekte abdecken soll, kann es hilfreich sein, diese Bereiche zu trennen. Der Autor empfiehlt, zuerst die psychologischen Themen zu besprechen. Dies gibt den Teilnehmer*innen die Möglichkeit, ihren eigenen Gefühlen freien Lauf zu lassen und die Situation zu deeskalieren, bevor der Fokus der Diskussion auf praktische Themen gerichtet wird. Somit sind sie beim „praktischen“ Teil des Debriefings weniger emotional labil und können klarer denken.
Beispiele:
- „Zu Beginn haben alle die Möglichkeit zu erzählen, wie dieses Ereignis sie beeinträchtigt hat.“
- „Ich werde durch die Gruppe gehen und jeden Einzelnen einladen, sich über seine Gefühle zu äußern, wenn er es möchte. Bitte haltet euch kurz (ca. 3 – 5 Minuten), sodass jeder zu Wort kommt. Felix, möchtest Du Deine Gefühle und Gedanken mit uns teilen?“
Wenn die Gruppe sehr groß ist, kann ein Wecker hilfreich sein, damit jede*r Teilnehmer*in die Möglichkeit zu sprechen hat. Dadurch muss der*die Moderator*in niemanden während eines sehr emotionalen Austauschs unterbrechen und erzählfreudige Teilnehmer*innen werden behutsam eingefangen.
Beispiel: „Wir werden einen Timer benutzen, damit jeder genug Zeit zur Verfügung hat. Bitte beendet euren Beitrag schnell, wenn der Timer klingelt.“
Wenn der psychologische Teil beendet ist, kann der Fokus auf praktische Themen gerichtet werden. Dies erfolgt i. d. R. in einer offenen Diskussionsrunde. Folgende Aspekte werden besprochen, wenn relevant:
- hervorragende Leistungen und bewährte Vorgehensweisen
- Schwachstellen und suboptimale Verfahren
- Fehler, aus denen man lernen kann
- Abläufe und Richtlinien, die geändert werden sollten
- strafbare Ereignisse mit Fristen und übertragene Verantwortlichkeiten
Entweder nach dem psychologischen Teil oder vor dem Ende der Besprechung sollten Empfehlungen über adaptive Bewältigungsstrategien ausgesprochen oder Informationsmaterial zu diesem Thema ausgehändigt werden. Die Kontaktdaten psychologischer Beratungsstellen sollten ebenfalls verteilt werden und alle, die nach dem Debriefing noch Schwierigkeiten haben, sollten ermutigt werden, Hilfe zu suchen.
Der Autor empfiehlt, wenn möglich, dass jede Praxis/Klinik mindestens eine*n ausgebildete*n Ersthelfer*in für psychische Gesundheit (MHFA, Mental Health First Aid) hat. Außerdem sollten die Kontaktdaten psychologischer Beratungsstellen für das Personal immer verfügbar sein. Diese sind z. B. ein Unterstützungsprogramm für Mitarbeitende (EAP, Employee Assistance Program), wenn verfügbar, Krisen- oder Hilfe-Hotlines, Ärzt*innen, Psycholog*innen, Psychiater*innen und alle weiteren Hilfsangebote in der Region.
Der Autor empfiehlt, dass jede Praxis/Klinik ein Beratungs- und Unterstützungsprogramm für Mitarbeitende (EAP) hat, das vertrauliche psychologische Unterstützung für das Personal außerhalb des Arbeitsplatzes anbietet.
Traumatisiertes Personal erkennen und unterstützen
Die Reaktionen auf traumatische Ereignisse können sehr unterschiedlich sein. Einige Personen können von einem bestimmten Vorfall stark betroffen sein, andere dagegen gar nicht. Einige Individuen können eine verzögerte Reaktion zeigen. Die Faktoren, die die individuelle Reaktion beeinflussen können, sind u. a.:
- vorherige traumatische Erlebnisse
- schon vorhandene psychische oder körperliche gesundheitliche Probleme
- gleichzeitige Lebenskrise oder andere Schwierigkeiten
- Verfügbarkeit einer psychologischen Unterstützung
- Bereitschaft, die psychologische Unterstützung wahrzunehmen
- adaptive Bewältigungsfähigkeiten
- innere Grundüberzeugungen, z. B.: „Ich sollte stark sein. Nur wer schwach ist, braucht Hilfe.“
Mögliche Stresssymptome
Die Palette der möglichen Symptome ist sehr groß und kann sowohl die psychologische als auch die körperliche Sphäre umfassen, z. B.:
- Schock und Fassungslosigkeit
- verschiedene Gefühle: Trauer, Wut, Verwirrung, Schuldgefühle, Frustration, Mitleid, Benommenheit, Reue, Apathie, Empathie, negative Gefühle, Zynismus
- „innere“ Wiederholungen des traumatischen Ereignisses
- neuer oder intensivierter Substanzmissbrauch
- Angststörungen
- Schlaflosigkeit und Inappetenz
- depressive Symptome oder Episoden
- Schwierigkeiten mit Alltagssituationen sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause
- häufiges Fehlen oder Fehler bei der Arbeit, Zynismus
- Vermeidungsverhalten
Um traumatisiertes Personal zu erkennen, ist es hilfreich, über folgende 3 Fragen nachzudenken:
- Was tut er/sie?
- Wie sind seine/ihre Lebensumstände?
- Was sagt er/sie?
Was tut er oder sie?
Man sollte auf die oben genannten Stresssymptome und auf Verhaltensänderungen achten. Manche Personen sind offensichtlich betroffen und emotional labil, z. B. brechen sie in Tränen aus, sind leicht reizbar oder haben für sie untypische Wutanfälle. Andere werden dagegen ruhiger, zurückhaltender und reservierter. Eine Person, die normalerweise nett und höflich ist, kann anfangen, sich sarkastisch und gemein zu verhalten. Jemand, der i. d. R. gepflegt und ordentlich ist, kann Selbstpflege und Aussehen vernachlässigen. Weitere Symptome können nachlassende Konzentrationsfähigkeit, Unachtsamkeit, gesteigerte Negativität und mehr Fehler bei der Arbeit sein.
Wie sind seine oder ihre Lebensumstände?
Gibt es weitere bekannte Stresssituationen bei der betroffenen Person? Hat sie vielleicht Beziehungsprobleme, einen Krankheitsfall im Familien- oder Freundeskreis oder finanzielle Schwierigkeiten? Ist sie selber krank oder hat sie psychische Probleme oder Schäden durch ein Kindheitstrauma? Hat sie den Tod einer wichtigen Person bzw. eines Haustiers erlebt oder gab es wichtige Veränderungen in ihrem Leben?
Was sagt er oder sie?
Manche Personen sagen offen und ehrlich, dass sie Schwierigkeiten haben. Andere sind weniger direkt und manche sagen gar nichts.
Direkte Aussagen sind z. B.:
- „Ich kann nicht aufhören, daran zu denken.“
- „Ich finde es wirklich schwierig, es hinter mir zu lassen.“
- „Es hat mich richtig schwer getroffen.“
- „Ich kann nicht aufhören, es immer wieder in meinen Gedanken durchzuspielen.“
- „Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt.“
Indirekte Aussagen sind z. B.:
- „Die Arbeit interessiert mich nicht mehr.“
- „Ich habe kein Interesse mehr an …“
- „Ich kann nicht mehr schlafen.“
- „Es ist mir alles egal.“
Fazit
Das Debriefing bietet viele potenzielle Vorteile, z. B. die Änderung bestimmter Arbeitsverfahren und -abläufe, um die Patientenversorgung zu verbessern. Das Debriefing kann auch die Stresssymptome nach einem traumatischen Ereignis reduzieren, obwohl dies nicht garantiert ist. Hot und Cold Debriefings können allein oder in Kombination angewendet werden, eine gewisse Struktur und ein*e Moderator*in maximieren ihre Wirksamkeit. Eins-zu-Eins-Debriefings bieten mehr Diskretion und Privatsphäre für diejenigen, die sie brauchen. Traumatisiertes Personal mit professioneller Hilfe zu versorgen und ihm gleichzeitig die bestmögliche Unterstützung im Haus anzubieten hilft den Betroffenen dabei, ihr psychologisches Wohlbefinden zu erhalten oder wiederzuerlangen.
Weitere Informationen
- MHFA-Ersthelfer*in /Mental Health First Aid (MHFA): www.mhfa-ersthelfer.de/de/
- Angebote zu Mental Health in der Tiermedizin: Vetivolution: https://vetivolution.org/
- Telefonseelsorge für tiermedizinisches Fachpersonal: Vethilfe
Info
Wie kann man helfen?
Das Hauptziel ist, die betroffene Person im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen und ihr professionelle Hilfe zu organisieren.
Eine allgemeine Vorgehensweise könnte sein:
- Sagen Sie der Person, was Sie beobachtet haben:
„Julie,
… Du bist nicht mehr dieselbe seit Fidos Tod.
… In letzter Zeit warst Du zurückhaltender/reizbarer/wehmütiger/besorgter als sonst.
… Du bist heute schon 3-mal in Tränen ausgebrochen.
… Du scheinst weniger engagiert und fleißig bei der Arbeit zu sein.
… Du scheinst etwas distanziert und verschlossen.“
- Fragen Sie die Person, wie es ihr geht:
„Wie geht es Dir?“
„Wie fühlst Du dich?“
„Was ist mit Dir seit dem Ereignis passiert?“
- Hören Sie der Person zu und bestätigen Sie ihre Gefühle mittels empathischem und „aktivem Zuhören“:
„Ich sehe, dass Fidos Tod Dich sehr betroffen hat, Julie, und ich verstehe, warum. Es war so unerwartet und überraschend. Du mochtest ihn sehr und hast so viele Energien investiert, um ihm zu helfen. Frau Bauer war auch stark betroffen.“
- Ermutigen Sie die Person, professionelle Hilfe aufzusuchen und helfen Sie ihr dabei, wenn möglich:
„Ich mache mir große Sorgen um Dich und denke, dass Du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen solltest. Sie können Dir dabei helfen zu verarbeiten, was passiert ist. Hier sind einige Kontaktdaten. Möchtest Du gleich anrufen und einen Termin vereinbaren?“
„Darf ich Dir dabei helfen, jetzt einen Termin mit Deinem Arzt zu vereinbaren?“
Jedes Anzeichen von Suizidalität ist extrem wichtig und muss sofort adressiert werden, indem man die Person ermutigt, Kontakt mit professioneller Hilfe aufzunehmen und eventuell die Rettungsdienste unverzüglich kontaktiert.
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Foote, D "Debriefing in der Tierarztpraxis – Kritische Ereignisse nachbereiten und analysieren" kleintier konkret 2023; 26(01): 49-54
(IR)
- Ugwu CV, Meadows M, Don-Pedro D. Critical Event Debriefing in a Community Hospital. Cureus 2020; 12 (06) e8822
- Tannenbaum SI, Cerasoli CP. Do team and individual debriefs enhance performance? A meta-analysis. Hum Factors 2013; 55 (01) 231-245
- Timms V. BET 1: To debrief or not debrief. Emerg Med J 2019; 36 (07) 444-445
- Gilmartin S, Martin L, Kenny S. et al. Promoting hot debriefing in an emergency department. BMJ Open Qual 2020; 9(3):e000913
- Kenardy J. The Current status of Psychological Debriefing. BMJ 2000; 321: 1032
- RCVS Knowledge. When it all goes wrong: the importance of debrief. Im Internet (Stand: Januar 2023): knowledge.rcvs.org.uk/news-and-events/features/when-it-all-goes-wrong-the-importance-of-debrief/ (Zugriff: )