Rund 200 Einsendungen verendeter Amseln, Drosseln, Falken und weiterer Vogelarten: Das ist die vorläufige Bilanz am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) für das laufende Jahr 2024. Zum Vergleich: Im gesamten Vorjahr waren es „nur“ 100 Päckchen, die Bürger*innen dem Institut zur Untersuchung geschickt oder persönlich vorbeigebracht hatten.
Auch der Naturschutzbund NABU verzeichnet deutlich erhöhte Klickzahlen auf seiner Internetseite zum Thema Amseln und Usutu-Virus: Die Zahl der täglichen Aufrufe habe sich in den letzten Wochen mehr als verdoppelt. Gegenüber dem Vorjahr werde das Thema sogar 3- bis 4mal stärker nachgefragt. Über seine Meldeseite wurden dem NABU in den zurückliegenden 6 Monaten mehr als doppelt so viele kranke oder tote Vögel gemeldet als im Vergleichszeitraum 2023.
Vor allem Niedersachsen betroffen
Sowohl die Einsendungen als auch die Meldungen stammen aus dem gesamten Bundesgebiet. Besonderer Schwerpunkt scheint diesmal Niedersachsen zu sein. Von dort kamen laut NABU in der ersten Jahreshälfte 6-mal mehr Meldungen als im Vergleichszeitraum für 2023.
Als Ursache vermuten BNITM und NABU, dass das Usutu-Virus (USUV) derzeit noch stärker zirkuliert als sonst ohnehin während der Stechmückensaison zwischen Mai und September. Der warme und vor allem feuchte Sommer habe die starke Aktivität des Virus in Stechmücken begünstigt.
Unterstützung der Bevölkerung ist wichtig
Am BNITM werden die eingesandten Tierkadaver seziert und auf Usutu- bzw. West-Nil-Viren (WNV, ein weiterer Erreger, der Vogelsterben verursachen kann) getestet. Bisher erwiesen sich 25 % der bereits untersuchten Tiere als Usutu-Virus-positiv. Beim großen Ausbruch von 2018 waren es sogar 40 %. West-Nil-Viren konnte das BNITM bei den bisher untersuchten Einsendungen dieses Jahres noch nicht nachweisen.
„Der Anstieg der USUV-positiven Fälle in diesem Jahr zeigt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung des Virus zu beobachten, zu dokumentieren und wissenschaftlich auszuwerten“, sagt Dr. Renke Lühken, Leiter der Arbeitsgruppe Vektorbekämpfung am BNITM. „Dabei sind wir auf die Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen. Vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen, uns verendete Tiere einzusenden und so einen Beitrag zur Forschung zu leisten.“
Populationsentwicklungen beobachten
Auch Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim NABU Hamburg, findet die aktuellen Zahlen der Einsendungen und Meldungen besorgniserregend. Ihm zufolge könnte sich das Amselsterben erneut verheerend auf den Vogelbestand auswirken: „2018 ist der Amselbestand beispielsweise in Hamburg um etwa 40% eingebrochen. Seitdem hat er sich noch nicht wieder erholt. Bei so einer häufigen Art ist das erschreckend.“ Außerdem hat Sommerfeld den Eindruck, dass damals auch andere Vögel wie Sing- und Misteldrosseln betroffen waren. Es sei daher wichtig, auch die Populationsentwicklungen weiterer Arten zu beobachten.
Zum Usutu-Virus
Das Usutu-Virus wird durch heimische Stechmückenarten übertragen. Es wurde 2011 erstmals in Amseln nachgewiesen. Seit 2018 zirkuliert es deutschlandweit. Im selben Jahr wurde auch erstmals das West-Nil-Virus in Zoo- und Wildvögeln nachgewiesen.
USUV-erkrankte Vögel wirken meist apathisch, flüchten nicht mehr und sind entweder leichte Beute für Räuber oder sterben innerhalb weniger Tage.
Auch Säugetiere können sich durch Stechmücken sowohl mit dem Usutu-Virus als auch mit dem West-Nil-Virus infizieren. Bei Menschen verlaufen die meisten Infektionen ohne oder mit nur leichten Symptomen wie Fieber, Kopfschmerzen und im Fall von USUV mit Hautausschlägen. Nur selten kommt es zu Komplikationen wie Hirn(haut)entzündungen.
Um die tatsächliche Ausbreitung des Usutu- oder West-Nil-Virus dokumentieren zu können, ist es wichtig, möglichst viele Verdachtsfälle im Labor bestätigen zu können. Entsprechende Untersuchungen nehmen das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) sowie manche veterinärmedizinischen Untersuchungsämter vor.
Das BNITM ruft daher die Bevölkerung dazu auf, tote oder kranke Vögel zu melden und gegebenenfalls dem Institut zu senden.
Quelle (nach Angabe von):
Weltmoskitotag | Verstärkte Usutu-Virus-Aktivität - BNITM. 20.08.2024
(JD)