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ForschungWie bereiten sich Hirsche auf die kalte Jahreszeit vor?

Forschende der Vetmeduni Wien haben herausgefunden, dass Hirsche die Physiologie ihrer Muskeln anpassen, um sich auf den Winter vorzubereiten.

Rothirsche
Ingus Evertovskis/stock.adobe.com

Durch zelluläre Anpassungen können Hirsche die Nahrungsknappheit und Kälte des Winters überstehen.

In den Membranen von Muskelzellen befinden sich Schlüsselenzyme der Muskelfunktion. Wie alle biochemischen Vorgänge ist die Aktivität dieser Enzyme temperaturabhängig. Ein zu kalter Muskel ist deshalb nur eingeschränkt funktionstüchtig. Wie Rothirsche im Winter ausreichend bewegungsfähig bleiben, trotz niedrigerer Temperatur vor allem in äußeren Körperteilen, war die zentrale Fragestellung des Projekts am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni.

Fettsäuren haben Einfluss auf Enzyme

Um saisonale zelluläre Veränderungen feststellen zu können, wurde den Tieren im Winter und im Sommer unter Narkose mittels Biopsie eine geringe Menge an Muskelgewebe entnommen. Im Labor bestimmten die Wissenschafter*innen anschließend die Fettsäurezusammensetzung der Zellmembranen und die Aktivität von Schlüsselenzymen. Mit den Ergebnissen gelang es grundlegende Zusammenhänge aufzuklären. Dazu sagte der Projektleiter Walter Arnold: „Wir konnten feststellen, dass die Aktivität wichtiger Enzyme des Muskelstoffwechsels von der Konzentration bestimmten Fettsäuren in den Zellmembranen beeinflusst wird. Zusammen mit jahreszyklischen Veränderungen der Genexpressionen, bestimmen die saisonalen Veränderungen der Fettsäureumgebung die maximal mögliche Aktivität membranständiger Enzyme.“

Melatoningabe führt zu vorzeitigem Fellwechsel

Wie kommen die jahreszyklischen Veränderungen in Zellmembranen zustande? Hierfür kommen 2 Möglichkeiten in Betracht. Denkbar wäre zum einen eine unterschiedliche Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren mit der Nahrung, da diese von Säugetieren nicht synthetisiert werden können. Eine weitere Möglichkeit wäre die Steuerung durch die Tageslänge, deren Veränderung im Jahresverlauf wohlbekannte andere saisonale Reaktionen auslöst, wie den Wechsel vom Sommer- ins Winterfell. Beide Hypothesen wurden mit einem ausgeklügelten Experiment untersucht. Den Tieren wurde das ganze Jahr über Futter mit unterschiedlichen Konzentrationen essenzieller Fettsäuren verabreicht und die Wahrnehmung der Tageslänge wurde im letzten Versuchsjahr manipuliert. Das gelang mit der Verabreichung des Hormons Melatonin, dass natürlicherweise nur nachts und deshalb vermehrt im Winter ausgeschüttet wird. Die künstliche Erhöhung des Melatoninspiegels im Blut ab Juni führte bereits im August zur Wende in den Winterzustand, deutlich erkennbar am vorzeitigen Wechsel ins Winterfell und ebenso nachweisbar in den Muskelzellen. Die Zufuhr essenzieller Fettsäuren hatte dagegen so gut wie keinen Einfluss auf jahreszeitliche Veränderungen.

Ergebnisse möglicherweise auf Menschen übertragbar

Durch saisonale Anpassungen auf zellulärer Ebene ist es den Hirschen möglich, trotz der besonders in den Beinen niedrigeren Körpertemperatur ausreichende Muskelfunktion zu erhalten. Mit der durch geringere Wärmeproduktion erzielten Energieeinsparung überstehen sie Nahrungsknappheit und Kälte des Winters, ohne ihre Fluchtfähigkeit zu sehr zu beeinträchtigen.

Diese Studie bietet Einblicke in die erstaunlichen Anpassungsmechanismen von Hirschen und legt nahe, dass ähnliche Phänomene auch bei anderen Säugetieren vorhanden sind, einschließlich des Menschen. Die Erkenntnisse haben somit weitreichende Auswirkungen auf das grundlegende Verständnis der evolutionären Anpassung an saisonal veränderliche Lebensbedingungen.

Quelle (nach Angaben von):

Vetmeduni: Hirsche passen Physiologie der Muskeln an Jahreszeit an. 05.08.2024

(JD)