„Wir wissen, welche Moleküle auf der frühen Erde existiert haben. Die Frage ist: Können wir daraus im Labor die Entstehung des Lebens nachbauen?“, sagt Job Boekhoven, Professor für Supramolekulare Chemie an der Technischen Universität München (TUM). Das von ihm geleitete Team interessiert sich vor allem für die RNA, da sie sowohl Informationen speichern als auch biochemische Reaktionen katalysieren könne, so Boekhoven. In der Wissenschaft geht man daher davon aus, dass von allen komplexen Molekülen als erstes die RNA entstanden sein muss.
Das Problem ist: Wirksame RNA-Moleküle bestehen aus hunderten oder tausenden von Basen und sind sehr instabil. Im Wasser zerfallen RNA-Stränge schnell in ihre Einzelteile – ein Vorgang, der als Hydrolyse bezeichnet wird. Wie also konnte RNA in der Ursuppe überleben?
Modellsystem führt zu Antworten
Im Labor nutzten die Forschenden von TUM und LMU ein Modellsystem von RNA-Basen, das einfacher Bindungen eingeht als die natürlich vorkommenden Basen in unseren heutigen Zellen. Das Team gab diese schnellbindenden RNA-Basen in eine wässrige Lösung, gab eine Energiequelle hinzu und überprüfte, wie lang die gebildeten RNA-Moleküle waren. Das ernüchternde Ergebnis: Die gebildeten Stränge von bis zu 5 Basenpaaren Länge überlebten nur wenige Minuten.
Anders sah es aus, als die Forschenden zu Beginn auch kurze Stränge von fertiger RNA hinzugaben. An diese lagerten sich die freien komplementären Basen schnell an, ein Vorgang der als Hybridisierung bezeichnet wird. Es entstanden Doppelstränge von 3 bis 5 Basenpaaren Länge, die über viele Stunden hinweg stabil waren. „Das Spannende daran ist, dass Doppelstränge zur Faltung von RNA führen, wodurch diese katalytisch aktiv werden kann“, erklärt Boekhoven. Die Doppelstrang-RNA habe also 2 Vorteile: Sie verlängert die Lebensdauer des Moleküls in der Ursuppe und sie bildet die Grundlage für katalytisch aktive RNA.
Der Ursprung eines Doppelstrangs
„Wir testen gerade, ob es möglich ist, dass die RNAs ihren eignen komplementären Strang bilden können“, sagt der Chemiker. Es wäre denkbar, dass sich ein Molekül aus 3 Basen mit einem Molekül aus 3 komplementären Basen zusammenlagert – das Produkt wäre ein stabiler Doppelstrang. Dank seiner längeren Lebensdauer könnten sich dann weitere Basen an ihn anlagern und der Strang würde wachsen.
Erkenntnisse auch für die Medizin relevant
In Zukunft möchte Job Boekhoven weiter daran arbeiten, die Entstehung und Stabilisierung der ersten RNA-Moleküle zu verstehen. „Manche Menschen denken, diese Forschung sei so eine Art Hobby, dabei haben während der Corona-Pandemie alle Leute gesehen, wie wichtig RNA-Moleküle zum Beispiel für Impfstoffe sein können“, sagt Boekhoven. „Unsere Forschung will also nicht nur eine der ältesten Fragen der Wissenschaft beantworten. Wir generieren dabei auch Wissen über RNA, das vielen Menschen zunutze kommen könnte.“
Quelle (nach Angaben von):
Neue Erkenntnisse über die Entstehung des Lebens - TUM. 02.08.2024
(JD)