
Prokrastination, umgangssprachlich auch als „Aufschieberitis“ bekannt, ist ein weit verbreitetes Phänomen.
„Schieb, schieb! Schieb die Hausaufgaben!“ singen Deine Freunde schon seit 2015. Und darin sind manche Personen große Meister: Sie schieben ihre Aufgaben bis zuletzt vor sich her, bis sie unter Druck entweder komplett aufgeben oder unter Stress doch noch rechtzeitig finalisieren. Das neue Jahr hat begonnen, mit neuen Vorsätzen, neuen Ideen, neuen Versprechungen oder neuen Projekten. Das Jahr erscheint lang, mit viel Zeit für alles, was man sich vorgenommen hat. Dann muss man auch nicht gleich mit den guten Vorsätzen starten. Oder?
Werfen wir einmal einen Blick auf das vergangene Jahr: Hast du alles geschafft, was du dir vorgenommen hattest? All die hoffnungsvollen Meilensteine, wie die gängigen „10 kg abnehmen“, „mehr Sport“, „mehr Weiterbildungen“ oder auch „endlich einen Ultraschallkurs besuchen“? Ich persönlich nehme mir grundsätzlich gar nichts Spezielles zum Anfang des Jahres vor. Dann kann ich an Silvester stets positiv zurückblicken und sagen: „Gut gemacht, du hast was geschafft!“
Dies ist eine Strategie, eine potenzielle Prokrastination zu vermeiden, wenngleich Prokrastination natürlich in allen Bereichen vorkommt, nicht nur bei guten Vorsätzen zum Jahresnwechsel. Daher ist es durchaus legitim, sich einmal intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.
„Aufschieberitis“ und ein paar Hintergründe dazu
Prokrastination, umgangssprachlich auch als „Aufschieberitis“ bekannt, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Dabei können unterschiedliche Verhaltensweisen beobachtet werden:
- Der Beginn wird wiederholt verschoben
Dies ist die klassische Aufschieberitis. Man verschiebt Aufgaben, obwohl man das Risiko kennt, dass es später stressiger werden könnte. („Ich müsste eigentlich…“) - Kreative Vermeidung
Man ist den ganzen Tag emsig, ohne am Ende tatsächlich „gearbeitet“ zu haben, geschweige denn, die vorgenommenen Aufgaben erledigt zu haben. Denn man beschäftig sich den ganzen Tag mit Unwichtigem. Die Gefahr daran: dieser Zustand kann ewig dauern. - Verschwommene Priorität
Man erlaubt seinem Gehirn, sich durch weniger wichtige Dinge ablenken zu lassen. Dies passiert vor allem bei Menschen , die sehr viel auf einmal machen müssen, bzw. viele verschiedene Aufgabenbereiche haben. Der Fokus geht verloren und man weiß einfach nicht, wo man zuerst anfangen soll.
Wichtiger Einschub
Prokrastination ist nicht (!), wenn ich mich bewusst dafür entscheide (inklusive aller Abwägungen), eine Aufgabe später zu machen, weil sie gerade nicht in den Zeitplan passt. Das wiederum ist Zeitmanagement und wird in meinem nächsten Blogbeitrag behandelt.
Warum schieben wir Aufgaben vor uns her?
Die Antwort ist recht simpel: Wir schauen immer nach dem „leichten Weg“. Das liegt quasi in unseren Genen: Lieber Pizza bestellen als selbst kochen. Lieber den Fahrstuhl nehmen als die Treppe. Lieber „jaja“ sagen, als in einen Konflikt geraten. Lieber jahrelang in einem ungeliebten Job verharren, als den Aufwand zu betreiben, etwas Neues zu suchen.
Dass man also Dinge aufschiebt, weil man schlicht keine Lust auf den Aufwand hat, ist normal. Unser Körper musste schon vor 15.000 Jahren möglichst viel Energie sparen, um diese für wichtigere Situationen wie Kampf oder Flucht zur Verfügung zu haben. Dass wir heute also noch so „ticken“, weil unsere Genetik der Weiterentwicklung der Menschheit nicht so schnell folgen konnte, lässt sich logisch erklären. Nur ist Prokrastination heutzutage leider nicht mehr up to date.
Daher sollte man die Ursachen für Prokrastination vor allem dann genauer untersuchen, wenn diese zur Regel wird, man also ständig unattraktive Aufgaben verschiebt und bis zur letzten Sekunde liegenlässt, um sie dann unter Stress oder am Ende gar nicht zu finalisieren. In diesem Fall kann Prokrastination durchaus pathologisch sein: Man wird zum Opfer seiner eigenen Zeit. Man reagiert nur noch, anstelle zu agieren und selbstwirksam zu sein.
Raus aus der Falle
Ich habe mal einen Jungen in einem Schwimmbad beobachtet, der 15-mal auf das 3-Meter-Brett gestiegen ist. Er wurde jedes Mal von seinen Kumpels angefeuert zu springen. Aber er hat sich einfach nicht getraut. Und am Ende hat er frustriert aufgegeben und seine Clique und das Bad verlassen. Dass hier Höhenangst zugrunde lag, war nicht schwer zu erraten.
Bei einer pathologischen Prokrastination können auch Ängste zugrundeliegen, wie z.B. Versagensangst. Diese kann trotz erkennbarer Sinnhaftigkeit einer Aufgabe so groß sein, dass man in der Bewegungsunfähigkeit verbleibt. In diesem Falle ist es besonders wichtig, erst einmal Aufgaben zu erledigen, von denen man weiß, dass sie zwar herausfordernd, aber schaffbar sind.
Mit diesen kleinen Erfolgen kann man nach und nach Aufgaben angehen, die größer und schwerer sind. Aber auch bei einer „normalen“ Prokrastination helfen die hier aufgeführten Tipps.
- Prokrastination hat mit Sinnhaftigkeit und Emotion zu tun. Daher versuche, deinen Aufgaben einen Sinn oder eine positive Emotion zu verleihen. Wenn du weißt, „wofür“ du in die Herausforderung gehst, dann fällt der Start etwas leichter, als wenn du den Sinn dahinter nicht verstehst und schon von vornherein genervt bist.
- Erscheinen Aufgaben überwältigend, teile diese in kleinere, lösbare Schritte.
- Außerdem kann man sich zeitliche Blöcke vornehmen, die mindestens 20 Minuten betragen sollten. In dieser Zeit gibt es keine Ablenkungen durch Handy und Co., sodass du fokussiert arbeiten kannst. Eine Zeitplanung schafft eine Struktur, sodass du auch in kleinen Schritten vorwärtskommen kannst.
- Finde Tageszeiten, die deiner „inneren Uhr“ entsprechen und in denen du besonders produktiv sein kannst. Auch in diesen Phasen fällt es leichter, sich an vermeintlich unliebsame Aufgaben zu setzen.
- Akzeptiere Unvollkommenheit. Vor allem perfektionistisch veranlagte Menschen halten sich gerne an Kleinigkeiten auf, die unfassbar viel Zeit kosten. Lass los und mache die Aufgabe erst einmal zu 80%. Sollte am Ende noch Zeit sein, kannst du die letzten 20% immer noch nacharbeiten. Perfektion sollte nicht bedeuten, nichts mehr hinzufügen zu können, sondern, nichts mehr weglassen zu können. Es geht also nicht um mehr, sondern um weniger, aber dafür auf den Punkt.
- Zu guter Letzt: Belohne dich selbst für deine (kleinen) Erfolge. Dies motiviert und hilft, die notwendige Disziplin zu entwickeln, um auch unliebsame Aufgaben erfolgreich zu Ende zu bringen.
Fazit
Prokrastination ist, wenn ich weiß, dass ich etwas tun sollte, diese Aufgabe aber vor mir herschiebe, weil ich keine Lust darauf habe, oder im schlimmsten Fall Angst habe zu Versagen. Dies ist natürlich und betrifft jede Person in dem ein oder anderen Bereich. Wichtig ist aber, dass man sich die eigene „Aufschieberitis“ bewusst macht und sie in einem weiteren Schritt hinterfragt. Denn nichts ist schlimmer, als wenn Deadlines verpasst werden, man in Stress gerät oder Aufgaben auf andere „fleißigere“ Personen übertragen werden.
Probleme, die man vor sich herschiebt, verschwinden nicht. Im Gegenteil. Sie wachsen. Und wir müssen am Ende dafür bezahlen. Auf welche Weise auch immer.