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Anwendungsbeispiele von CBDCannabis in der Veterinärmedizin

Die Verwendung von Hanfprodukten für Mensch und Tier ist hoch im Trend. Besonderer Fokus dabei liegt auf der Wirkung von THC und CBD. Wir zeigen Ihnen für den Einsatz im Praxisalltag, wo und wie insbesondere CBD im Körper wirkt.

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Inhalt

Das Endocannabinoid-System

Die Cannabinoide

Einsatzgebiete von CBD in der Veterinärmedizin

Fazit

Das Endocannabinoid-System

Das Endocannabinoid-System (ECS) ist ein komplexes Regulationssystem, welches bei allen Säuge- und Wirbeltieren vorkommt. Es ist eines der größten Rezeptorsysteme des Körpers. Seine Hauptfunktion ist die Aufrechterhaltung der Homöostase, das heißt, es kontrolliert und reguliert u. a. Schmerzwahrnehmung, Appetit, Schlaf, Entzündungen und den Zellstoffwechsel. Dieser physiologische Balanceakt wird durch inter- und intrazelluläre Regulation bzw. Kommunikation erreicht. Wird dieses Gleichgewicht gestört, versucht das ECS durch Freisetzung von Endocannabinoiden regulierend einzuwirken.

Das ECS interagiert sowohl mit den körpereigenen Cannabinoiden (Endocannabinoide) als auch mit Phytocannabinoiden oder mit synthetisch hergestellten Cannabinoiden. Die Hauptkomponenten des ECS sind [1] :

  • Cannabinoid-Rezeptoren, das sind G-Protein-gekoppelte Rezeptoren, die im ganzen Körper verteilt sind,
  • Endocannabinoide, die Agonisten der Cannabinoid-Rezeptoren, z. B. Anandamid und 2-AG,
  • Enzyme zur Biosynthese und Degradation der endogenen Agonisten,
  • Endocannabinoid-ähnliche Moleküle.

Cannabinoid-Rezeptoren

Cannabinoid (CB)-Rezeptoren sind die Aktionspunkte des ECS. Cannabinoide binden an diese Rezeptoren, welche wiederum das ECS aktivieren. Es gibt zwei Haupttypen von Cannabinoid-Rezeptoren, den CB1- und den CB2-Rezeptor.

CB1-Rezeptoren

CB1-Rezeptoren sind überwiegend im Nervensystem lokalisiert und finden sich im Kortex, im limbischen System, im Hippocampus, im Kleinhirn usw. Außerdem sitzen sie auch in Nervenenden der afferenten Neuronen (A∂, C). Eine Interaktion mit CB1 resultiert u. a. in der Modulation der Produktion und Freisetzung von Neurotransmittern wie Acetylcholin, Dopamin, GABA, Histamin, Serotonin und Glutamat. THC bindet allosterisch an den CB1-Rezeptor und ist unter anderem verantwortlich für die psychoaktive Wirkung von Cannabis.
 

Der Hund verfügt über mehr CB1-Rezeptoren als andere Säugetiere, weswegen er besonders empfindlich auf THC reagiert!


CB2-Rezeptoren

CB2-Rezeptoren befinden sich in den Strukturen des Immunsystems, den peripheren Organen und im peripheren Nervensystem. Sie sind exprimiert auf B-Lymphozyten, Makrophagen, Mastzellen-NK (natürliche Killerzellen) und Mikrogliazellen.

Eine Interaktion mit CB2 kann in der Hemmung pro-inflammatorischer Zytokine und der erhöhten Produktion anti-inflammatorischer Zytokine resultieren. In entzündetem Gewebe sind bis zu 100-fach mehr CB2-Rezeptoren zu finden als in gesundem Gewebe [2] . Dies hat wiederum einen Einfluss auf die Dosierung von Cannabinoiden während einer Entzündungsreaktion.


Die Cannabinoide

Innerhalb dieser Substanzgruppe unterscheidet man zwischen Phyto-, Endo- und synthetischen Cannabinoiden.

Phytocannabinoide

Phytocannabinoide sind Moleküle, die von Pflanzen abgeleitet werden. Ihre Struktur ist der Struktur der Endocannabinoide ähnlich und sie rufen bei allen Säugetieren physiologische Wirkungen auf das ECS hervor. Am bekanntesten und am besten untersucht sind das nicht-psychoaktive Cannabidiol (CBD) und das psychoaktive Delta-9-Tetrahydrocannabidiol (THC). THC und CBD stellen aber lediglich 2 von über 100 verschiedenen Phytocannabinoiden dar, die in Cannabispflanzen identifiziert wurden.

CBD bindet an eine allosterische Stelle des Rezeptors, stimuliert seine Aktivität und hat eine hemmende Wirkung auf bestimmte Enzyme. THC ist das häufigste von nur wenigen Phytocannabinoiden, welches an die orthosterische Stelle des CB1-Rezeptors bindet.

Endocannabinoide

Bislang sind 5 Endocannabinoide bekannt, wobei die zwei wichtigsten Anandamid und 2-Arachidonylglycerol sind. Alle Endocannabinoide interagieren mit den CB-Rezeptoren und werden vom Körper synthetisiert, wenn er sie benötigt. Anandamid (AEA) löst eine ähnliche biologische Reaktion wie das Phytocannabinoid THC aus und wird während angenehmer Aktivitäten ausgeschüttet. 2-Arachidonylglycerol (2-AG) ähnelt in seinen Effekten auf den Körper eher dem Phytocannabinoid CBD.

Synthetische Cannabinoide

Synthetische Cannabinoide sind künstlich hergestellte Substanzen, die eine ähnliche Wirkung haben wie Phytocannabinoide, die u. a. in der Humanmedizin angewendet werden.


Cannabidiol

Cannabidiol ist momentan das zweitbeliebteste und am besten untersuchte Phytocannabinoid. Es kann bei vielen unterschiedlichen Problemen eingesetzt werden, weil es einerseits mit dem ECS und andererseits auch mit anderen Rezeptoren und Enzymen des Körpers interagiert. So ist es z. B. unterstützend zur Therapie bei Hauterkrankungen, Schmerzen und neuronalen Störungen erfolgreich und auch in Kombination mit weiteren Therapeutika einsetzbar. Hinzu kommt, dass die Sicherheitsdaten bei Hund und Katze günstig sind [1] .

CBD geht mit den CB-Rezeptoren eine allosterische Bindung ein und moduliert so deren Aktivität. Dies führt je nach Situation zu einer Freisetzung oder Hemmung von Endocannabinoiden . Daraus resultiert eine Beeinflussung aller Zellen im Körper, die CB1- oder CB2-Rezeptoren haben.

CBD beeinflusst auch Rezeptoren, die nicht direkt zum ECS gehören und weitere, wichtige Stoffwechselvorgänge, so z. B.:

  • Es stimuliert den Vanilloid-Rezeptor, aktiviert den Adenosin-Rezeptor, übt eine positive allosterische Modulation auf den GABA A -Rezeptor aus und ist ein Antagonist des GPR55-Rezeptors.
  • Es hemmt die Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH) und erhöht somit den Anandamidgehalt im Körper. Anandamid hilft, grundlegende Funktionen wie Lust und Belohnung, Appetit, Eisprung, Gedächtnis, Schlaf und Schmerzen zu regulieren.
  • Es wirkt durch seine polyphenolische Natur als gutes Antioxidans im Körper.


Einsatzgebiete von CBD in der Veterinärmedizin

CBD bei Hauterkrankungen

Eine gute Anwendungsmöglichkeit für CBD ist die atopische Dermatitis , bei der wichtige Hautstoffwechselfunktionen gestört sind. Hauptfunktion des kutanen ECS ist die grundlegende Kontrolle der richtigen und ausgewogenen Proliferation, die Differenzierung, das Überleben sowie die Immunkompetenz und/oder die Toleranz von Hautzellen [3] . Eine Aktivierung des CB2-Rezeptors scheint zudem die Wundheilung zu verbessern, indem es die Entzündung reduziert, die Epithelisierung beschleunigt und die Narbenbildung abschwächt [4] .

Praxisfall Dunay

Der amerikanische Pit-Bullterrier Dunay kam mit 2 Jahren aus dem Tierheim zu seiner Besitzerin. Er war zu diesem Zeitpunkt voller Eiterpusteln. Eine Dermatologin diagnostizierte Atopische Dermatitis (AD). Daraufhin bekam er 6 Wochen lang Prednisolon. Nach 6 Monaten kamen die Symptome zurück und es wurde eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern gestartet. Unter dieser Medikation trat eine deutliche Besserung ein, jedoch waren weiterhin ein leichter Pruritus und Eiterpusteln an Bauch und Hals vorhanden.

Seit 2 Jahren wird bei Dunay nun ein MCT-Öl mit 18% CBD-Extrakt 2 × täglich direkt auf die Maulschleimhaut verabreicht. Der Pruritus nahm seither massiv ab, die Eiterpusteln sind komplett verschwunden und die Intervalle der monoklonalen Antikörper-Injektionen konnten von 4 auf 6 Wochen verlängert werden.


CBD bei Schmerzen

Über die exogene Zufuhr von Cannabinoiden können via dem ECS Schmerz- und Entzündungsvorgänge moduliert werden. Die Schmerzschwelle ist von einem Individuum zum andern unterschiedlich und wird von Angst und/oder Stress beeinflusst.

Praxisfall Sir Franklin

Sir Franklin, ein 3-jähriger Scottish Fold x BKH Kater, zeigte im Alter von 1 Jahr eine beginnende Lahmheit an beiden Vorderextremitäten, welche er zunehmend mehr entlastete. Er zeigte eine starke Vokalisierung beim Hoch- und Herunterspringen bereits aus kleinen Höhen. Die Palpation der beiden Carpi war deutlich dolent und die Bewegung eingeschränkt. Mittels PCR wurde eine Osteochondrodysplasie diagnostiziert und initial mit NSAID und Ergänzungsfuttermitteln behandelt. Das Ergebnis war jedoch unbefriedigend. Seit 1,5 Jahren wird nun ein MCT-Öl mit 10% CBD-Extrakt 2 × täglich direkt auf die Schleimhaut verabreicht. Seither zeigt der Kater vermehrt Bewegungsfreude, spielt wieder aktiv, springt herum und ist lahmheitsfrei.


CBD bei kognitiver Dysfunktion

Die Aufrechterhaltung der Homöostase ist eine wesentliche Voraussetzung für das Überleben aller Lebewesen. Das Immunsystem und das zentrale Nervensystem sind besonders wichtig für die Wiederherstellung dieses physiologischen Gleichgewichts.

Bei neurodegenerativen Erkrankungen ist die Homöostase aus verschiedenen Gründen gestört. Einige dieser Ursachen sind bekannt, andere wiederum nicht. Mehrere Forschergruppen haben gezeigt, dass die wechselseitige Kommunikation zwischen neuroimmunen Signalnetzwerken und dem ECS des Gehirns aufgrund ihrer neuroprotektiven und neurogenen Wirkungen als Reaktion auf neurodegenerative Prozesse von zentraler Bedeutung ist.

Eine besondere Rolle spielen dabei die Unterdrückung oder Abschwächung chronischer neuroinflammatorischer Reaktionen , die Regulierung der Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren oder die Aktivierung von Prozessen der adulten Neurogenese [5] .

Praxisfall Thelma

Ab dem Alter von 13 Jahren begann Thelma, eine 15-jährige Europäische Hauskatze, des Öfteren verwirrt und mit leerem Blick in der Wohnung zu sitzen. Zunehmend schlief sie auch nachts weniger und miaute bzw. schrie. Der Allgemeinzustand von Thelma war dem Alter entsprechend gut. Seit knapp einem Jahr erhält Thelma CBD 2 × täglich direkt auf die Schleimhaut verabreicht. Mit dieser Dosierung ist Thelma nachts wieder ruhig und schläft. Selten ist sie noch schreiend anzutreffen oder sitzt verwirrt herum. Hinzu kommt, dass Thelma wieder mehr Bewegungsfreude zeigt und tagsüber aktiv spielt.


Fazit

CBD und auch andere Cannabinoide, sind, wenn sie richtig und gezielt angewendet werden, hilfreiche Moleküle, die den Alltag von Tier- und Tierhalter erleichtern können. Allerdings handelt es sich bei diesen Molekülen nicht um Wundermittel und sie gehören in die Hände von Fachleuten, die die Interaktion mit anderen Medikamenten kennen und auch ein regelmäßiges Follow-Up des Patienten durchführen.

Obwohl CBD als ein „sicheres“ Molekül angesehen werden kann, sollten insbesondere bei älteren Tieren oder Tieren, die hohe Dosen über einen längeren Zeitraum erhalten, zumindest die Leberwerte regelmäßig überprüft werden.


Literatur

1  Deabold KA, Schwark WS, Wolf L. et al. Single-Dose Pharmacokinetics and Preliminary Safety Assessment with Use of CBD-Rich Hemp Nutraceutical in Healthy Dogs and Cats. Animals (Basel) 2019; 9: 832
2  Rahn EJ, Zvonok AM, Thakur GA. et al. Selective activation of cannabinoid CB2 receptors suppresses neuropathic nociception induced by treatment with the chemotherapeutic agent paclitaxel in rats. J Pharm Exp Ther 2008; 327 (02) 584-591
3  Bíró T, Tóth BI, Haskó G. et al. The endocannabinoid system of the skin in health and disease: novel perspectives and therapeutic opportunities. Trends Pharm Sci 2009; 30 (08) 411-420
4  Wang LL, Zhao R, Li JY. et al. Pharmacological activation of cannabinoid 2 receptor attenuates inflammation, fibrogenesis, and promotes re-epithelialization during skin wound healing. Eur J Pharm 2016; 786: 128-136
5  Molina-Holgado E, Molina-Holgado F. Mending the broken brain: neuroimmune interactions in neurogenesis. J Neurochem 2010; 114 (05) 1277-1290
6  Kapoor R, Huang YS. Gamma linolenic acid: an anti-inflammatory omega-6 fatty acid. Curr Pharm Biotechnol 2006; 7 (06) 531-534

 

Sandra Bruckner ist Tierärztin, Veterinary Cannabis Counselor und besitzt den Fachausweis Ernährung für Hunde und Katzen GST. Als Gründerin von VetNutrition bietet sie tierärztliche Ernährungsberatung für Hunde und Katzen, sowie Cannabis-Konsultationen für Tiere  in der Schweiz an.

Ihr Originalartikel „Cannabis in der Veterinärmedizin – Pharmakologie und Anwendungsbeispiele“ erschien im Veterinärspiegel.