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AchillessehnenrupturNicht zu unterschätzen – die Achillessehnenruptur

Die Achillessehnenruptur ist eine in der Kleintiermedzin eher selten vorkommende Erkrankung. Bei der chirurgischen Versorgung steht die Erhaltung der Beweglichkeit der betroffenen Gliedmaße im Vordergrund.

Martina Jäckel / AniCura Ahlen GmbH

Die Achillessehne (Tendo calcaneus communis) setzt sich aus den folgenden 3 Hauptbestandteilen zusammen:

  • Endsehne des M. gastrocnemius,
  • Endsehne des M. flexor digitorum superficialis,
  • gemeinsame Endsehne des M. biceps femoris, M. semitendinosus und M. gracilis (Hund) bzw. M. soleus (Katze).

Beim Hund ist das Verstärkungsband des M. gracilis an der Sehne des M. semitendinosus vorhanden, wohingegen bei der Katze die Sehne des M. soleus an der Bildung der Achillessehne beteiligt ist.

Der M. gastrocnemius entspringt an der Tuberositas supracondylaris lateralis und medialis und setzt am Tuber calcanei an. In seiner Funktion streckt er das Sprunggelenk und beugt gleichzeitig das Kniegelenk. Der M. flexor digitorum superficialis (oberflächlicher Zehenbeuger) hat ebenfalls seinen Ursprung an der Tuberositas supracondylaris lateralis, seine Endsehne bildet am Tuber calcanei die Fersenbeinkappe und setzt plantar an der Phalanx media II – V an. Er beugt die Zehen und streckt den Tarsus. Die gemeinsame Endsehne des M. biceps femoris, des M. semitendinosus und des M. gracilis entspringt mit ihren jeweiligen Muskeln an verschiedenen Punkten des Beckens, mit Ausnahme des M. soleus und setzt am Tuber calcanei an – der M. soleus entspringt am Caput fibulae. Funktionell agieren die einzelnen Muskeln der gemeinsamen Endsehne als Hüft-, Knie- und Sprunggelenkstrecker sowie Kniebeuger und Adduktoren.

Pathogenese

Zusammenhangstrennungen der Achillessehne können durch ein Trauma entstehen oder durch Degeneration hervorgerufen werden. Traumatische Rupturen sind meist vollständig, degenerative Rupturen hingegen meist partiell. Beide Formen weisen unterschiedliche klinische Bilder auf. Differenzialdiagnostisch sollte bei plantigrader Fußung eine diabetische Neuropathie sowie das Vorhandensein eines Morbus Cushing ausgeschlossen und iatrogene Gründe für Sehnenschädigungen bedacht werden (z. B. Enrofloxacin, Fluorchinolone).

Klinisches Bild

Vollständige Ruptur

Die vollständige Ruptur der Tendo calcaneus communis ist sowohl bei Hunden als auch bei Katzen beschrieben und ist meist mit einem Trauma einhergehend.

Betroffene Tiere zeigen häufig eine plötzliche Lahmheit, meist mit vollständiger Entlastung der Gliedmaße und einer Schwellung proximal des Calcaneus, Schmerzanzeichen müssen dabei nicht vorhanden sein. Bei Belastung sind eine plantigrade Fußung sowie eine Hyperflexion des Tarsokruralgelenkes bei Extension des Kniegelenks sichtbar ([Abb. 1]).

 

 

Bei Adspektion können Wunden oder Hämatome proximal des Calcaneus sichtbar sein. Während der Untersuchung kann palpatorisch ein Defekt der Sehne befundet werden, was allerdings durch die Sehnenscheide erschwert sein kann, vor allem bei zeitlich verzögerter Vorstellung.

Partielle Ruptur

Bei der partiellen Ruptur können verschiedene Bestandteile betroffen sein, wobei häufig die Sehne des M. flexor digitorum superficialis intakt bleibt.

Partielle Rupturen der Tendo calcaneus communis kommen häufig bei mittelgroßen und großen, aktiven Hunderassen vor, wobei Labrador Retriever und Dobermänner überrepräsentiert sind. Diese Verletzung ist, nach der Bicepssehnenverletzung, die zweithäufigste nicht-traumatische Sehnenverletzung bei Hunden, und ursächlich sind wahrscheinlich indirekte, wiederkehrende Traumata durch Sprünge.

Da es sich um eine chronische Erkrankung handelt, weisen diese Hunde eine längere Lahmheitsvorgeschichte mit Schwellung im Bereich des Ansatzes der Sehne am Calcaneus auf. In einer Studie dazu konnte auf mikroskopisch-biomechanischer Ebene gezeigt werden, dass die Sehnen des M. gastrocnemius und des M. flexor digitorum superficialis Prädilektionsstellen für degenerativen Verschleiß aufweisen.

Klinisch kann – im Vergleich zur vollständigen Ruptur – eine weniger ausgeprägte Hyperflexion des Tarsokruralgelenkes bei Hyperextension des Knies mit moderater plantigrader Fußung beobachtet werden. Bei intakter Sehne des M. flexor digitorum superficialis und Ruptur der Sehne des M. gastrocnemius sowie der Sehnen des M. gracilis, des M. semitendinosus und des M. biceps femoris, weisen die Zehen ein pathognomonisch klinisches Bild auf: Die Zehen zeigen eine Hyperflexion, da die unverletzte oberflächliche Zehenbeugersehne bei Hyperflexion des Tarsokruralgelenkes eine Flexion der Zehen bedingt ([Abb. 2].

Weiterführende Diagnostik

Nach eingehender orthopädischer Untersuchung und klinischer Diagnosestellung folgen bildgebende Verfahren zur Sicherung der Diagnose. In der röntgenologischen Untersuchung des Tarsus können Weichteilschwellungen im Bereich der Achillessehne befundet werden. Außerdem können periostale Reaktionen sowie milde Remodeling-Reaktionen des Knochens und Enthesiophyten am Ansatz der Achillessehne am Calcaneus auf das Vorliegen einer Achillessehnenruptur hinweisend sein. Auch eine Avulsionsfraktur des Calcaneus ist möglich.

Mittels sonografischer Untersuchung können sowohl vollständige von partiellen Rupturen unterschieden als auch die Sehnenanteile der partiellen Rupturen differenziert werden. Ebenso ist die Sonografie hinsichtlich der Beurteilung des Heilungsprozesses hilfreich.

Therapie

Eine chirurgische Versorgung ist indiziert, um die Sehnenenden mittels Sehnennaht (z. B. Locking-Loop-Naht [Kessler-Naht] oder Three-Loop-Pulley-Naht) zu adaptieren. Hierfür sollte ein langsam-resorbierbares oder nicht-resorbierbares, monofilamentes Nahtmaterial verwendet werden und die Manipulation der Sehnenenden sollte vorsichtig erfolgen, um weitere Schädigungen zu verhindern. Wenn erforderlich, muss die Sehne mittels Nutzung von Bohrlöchern zur Fixierung des Nahtmaterials am Calcaneus befestigt werden.

Bei der operativen Versorgung einer Achillessehnenruptur ist hinsichtlich der biologischen Gegebenheiten von Sehnen eine langsame Wundheilung zu erwarten. So werden in der Literatur Genesungszeiten bis zu einer normalen Funktion der Gliedmaße hinsichtlich Lahmheitsfreiheit von 20 Wochen beschrieben.

Die Sehnenreparatur sollte in der initialen Heilungsphase zwingend durch eine Immobilisation des Tarsus in Extension gesichert werden, wofür folgende Techniken infrage kommen:

  • calcaneotibiale Schraube
  • transartikulärer Fixateur externe
  • Castverband

Beim Einsatz einer calcaneotibialen Schraube wird eine Bohrung von der plantaren Seite des Calcaneus unter Schonung der Beugesehne mit Bohrrichtung nach kraniomedial zur distalen Tibia durchgeführt und folgend eine Positionsschraube eingesetzt ([Abb. 4]).

 

Auch bei partiellen Rupturen mit Hyperflexion des Tarsus ist eine operative Versorgung indiziert. Das Ziel dabei ist der Schutz der Sehne durch Fixierung des Tarsalgelenks in Extension.

Eine konservative Therapie mittels Stabilisierung des Tarsalgelenks (Verbandstherapie, Orthese) und Ruhighaltung kann bei partiellen, degenerativen Rupturen Anwendung finden. Dabei sollte bedacht werden, dass häufig Wundkomplikationen auftreten, insbesondere in Form von Druckstellen.

Komplikationen

Fast alle beschriebenen Komplikationen bei der chirurgischen Versorgung der Achillessehnenruptur werden durch die Immobilisationsmethode und weniger durch die Sehnennaht selbst verursacht, nichtsdestotrotz wird erst durch die Immobilisation die Heilung der Sehnennaht gewährleistet.

Eine Studie mit 45 Hunden beinhaltete 38 Fälle, bei denen die Immobilisation durch eine calcaneotibiale Schraube durchgeführt wurde und wovon lediglich 3 Patienten Komplikationen mit gebrochenen oder gebogenen Schrauben zeigten. Bei 37 Patienten wurde zusätzlich ein 6-wöchiger Castverband genutzt, bei einem Patienten ein Fixateur externe. Die Schraube wurde 6 Wochen post operationem mittels Schnittinzision entfernt und folgend eine Verbandstherapie von 10 Tagen angeschlossen. Es empfiehlt sich, die calcaneotibiale Schraube etwas nach kranial zu bohren, sodass im Falle eines Bruches die Schraubenfragmente minimalinvasiv von kranial und kaudal entfernt werden können.

In einer weiteren Studie mit 28 Hunden wurden nach chirurgischer Versorgung der Sehnenruptur 16 Patienten mit einem Fixateur externe, 11 Patienten mit einem Castverband und 1 Patient mit einer calcaneotibialen Schraube und Castverband immobilisiert. Keine der Methoden zeigte einen signifikanten Effekt auf die Komplikationsrate, die Dauer der Immobilisation, die Genesungszeit oder auf den funktionellen Outcome.

Alternativ-Techniken

Bei Rupturen mit nicht ausreichender Adaptionsmöglichkeit der Sehnenenden oder bei unmöglicher Befestigung der Sehne am Calcaneus, kann eine pantarsale Arthrodese Anwendung finden. Als weitere Möglichkeiten zur operativen Versorgung werden in der Literatur Polyethylenterephthalat-Implantate und verschiedene Flap-Techniken beschrieben.

Rupturen bei Katzen

Achillessehnenverletzungen bei Katzen sind in einer Fallserie von 21 Fällen beschrieben, welche zu gleichen Anteilen traumatisch und atraumatisch bedingt waren. 14 Patienten zeigten eine Sehnen-Knochen Avulsion am Calcaneus, wovon wiederum 11 atraumatischen Ursprungs waren und bei älteren Tieren vorkamen. Weibliche Tiere waren insgesamt überrepräsentativ vertreten. Nur eine der Katzen zeigte bilaterale Läsionen, keines der Tiere entwickelte im Langzeit-Follow-Up auf der kontralateralen Seite ein Problem und Übergewicht war kein signifikanter Faktor.

Klinisch zeigten alle 19 Katzen mit einer kompletten Ruptur eine plantigrade Fußung und eine Weichteilschwellung am Tarsus. Zwei Katzen mit einer partiellen Ruptur und einer intakten Sehne des M. flexor digitorum superficialis präsentierten eine milde Hyperflexion des Tarsus.

Alle Katzen wurden chirurgisch mittels Sehnennaht und bei Bedarf unter Nutzung eines Bohrlochs am Calcaneus zur Fixierung der Sehne bzw. des Nahtmaterials versorgt. Zusätzlich wurden diese Katzen durch einen Fixateur externe, durch einen calcaneotibialen Draht oder mit einem Verband bzw. Castverband immobilisiert. Hier zeigten sich Komplikationen vor allem im Zusammenhang mit dem Fixateur externe.

Prognose

Die Prognose einer Achillessehnenruptur ist gut. Langzeit-Follow-Up-Daten waren in einer Studie mit 45 Fällen bei 19 Hunden verfügbar, bei welchen retrospektiv zu 94% gute bis sehr gute Resultate beschrieben wurden. In einer weiteren Studie mit Arbeitshunden erreichten 7 von 10 Hunden post operationem ihr vorheriges Arbeitsniveau, wovon 2 Hunde eine geringgradige persistierende Lahmheit zeigten. Die 7 Arbeitshunde wurden mittels calcaneotibialer Schraube und Castverband über 6 Wochen immobilisiert. Alle Hunde, die lediglich einen Castverband zur Immobilisierung erhielten, kehrten nicht auf ihr vorheriges Arbeitsniveau zurück. In der erwähnten Fallserie von 21 Katzen erreichten 84% ein gutes post-operatives Ergebnis.


Quelle (nach Angaben von):

Jäckel, M., Stegen, L. (2021) Achillessehnenruptur – Klinik, Diagnose und Therapie. veterinär spiegel. 31(03): 99-107