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Hund und KatzeNeugierige Katzen und die Gefahr des Kippfensters

Häufig kommt es durch die Kombination aus neugierigen Katzen und einem gekippten Fenster zu einer großen Notsituation. Nach Befreiung der Katze folgt meist eine intensivmedizinische Notfalltherapie mit aufwändiger Weiterbehandlung.

Kirsten Oborny/Thieme

Vor allem im Sommer kommt es häufig vor, dass Hauskatzen auf ihren Erkundungstouren durch die Wohnung ein gekipptes Fenster als Chance ansehen nach draußen zu gelangen. Dieses stellt jedoch eine große Gefahr für die neugierige Katze dar, denn häufig kommt es zum Steckenbleiben in dem gekippten Fenster. Diese Situation führt häufig zu schweren Problemen nach der Befreiung der Katze, denn je nachdem wie lange sie eingeklemmt war, werden bei der wieder freigegebenen Durchblutung des Gewebes in der Zwischenzeit angesammelte giftige Stoffwechselprodukte in den Körperkreislauf freigesetzt, die zu weiteren Schäden führen können. Teilweise benötigen die Katzen eine intensive Therapie, jedoch ist die Prognose für eine gute Erholung in der Regel sehr günstig.

Pathogenese

Der keilförmige Fensterspalt eines Kippfensters führt dazu, dass der Körper zwischen Brustkorb und Becken eingeschnürt wird. Auch das Befreien der Katze aus der misslichen Lage bewirkt häufig ein noch tieferes Hineinrutschen in den Spalt und führt so zu einer Verstärkung der Belastung des Körpers. Hierdurch kann es auch zu einer Einengung der Aorta und somit zu Problemen der arteriellen Blutversorgung der hinteren Organe kommen. Diese Minderdurchblutung, auch Ischämie genannt bringt eine Sauerstoffunterversorgung der Muskulatur und Nerven der Hintergliedmaße mit sich und in schweren Fällen sind zudem auch die Bauchorgane, die Bauchwand und das Rückenmark betroffen. Im Extremfall kommt es sogar zu lebensbedrohlichen Nekrosen.

Der gesamte Krankheitskomplex wird als ischämische Neuromyopathie bezeichnet. Hierbei kommt es durch die Mangeldurchblutung zu schwerwiegenden Organschäden und Stoffwechselstörungen, außerdem führt die mangelhafte Sauerstoffversorgung zu einer Übersäuerung des Gewebes durch Laktatbildung. Nach der Wiederherstellung der Durchblutung bilden sich zudem hochgiftige Sauerstoffradikale und Entzündungsmediatoren, sodass es im schlimmsten Fall zu einem Multiorganversagen kommen kann. So entstehen die schädlichen Langzeitfolgen für die Katzen erst nachdem die Durchblutung wieder funktioniert.

Klinik

In der Regel befinden sich die Katzen bei Eintreffen in der Klinik im lebensbedrohlichen Schock mit akutem Kreislaufversagen.

Anzeichen des akuten Kreislaufversagens

  • blasse Schleimhäute und verlängerte kapilläre Rückfüllzeit (KFZ)
  • erhöhte Herzfrequenz
  • herabgesetzte Körperinnentemperatur

Je nach Schweregrad werden die Patienten in Seitenlage eingeliefert oder sind mit den Vordergliedmaßen noch geh- und stehfähig. Neurologisch ist nach der Befreiung aus dem Kippfenster meistens eine unterschiedlich stark ausgeprägte Gangstörung zu beobachten. Die meisten Katzen zeigen eine schlaffe oder vollständige Lähmung der Hintergliedmaßen mit reduzierten oder fehlenden spinalen Reflexen. Dazu sind die Pfoten der Hinterbeine kalt und ohne Gefühl, teilweise sind die Ballen zyanotisch und die Muskulatur verdickt, verhärtet und hochgradig schmerzhaft. Außerdem ist der Puls an den Innenschenkeln reduziert oder fehlt vollständig. Durch die starken Schmerzen schreien die betroffenen Katzen häufig und zeigen Maulatmung.

Es ist jedoch zu beachten, dass Katzen mit unklarem Vorbericht und Kippfenstersymptomen auch andere muskuläre, nervale oder kreislaufbedingte Erkrankungen haben können. So können eine Aortenthrombose oder ein Kompartmentsyndrom als Differenzialdiagnosen beispielsweise ebenfalls zu einer Ischämie und Lähmung der Hintergliedmaßen führen.

Diagnostik

Für die richtige Diagnostik ist eine gründliche klinische Untersuchung essentiell. Die Vitalparameter werden erhoben, um schnell beurteilen zu können, wie schwer ein ggf. vorliegender Schock ist. Im Rahmen dessen wird der Patient auch auf äußerliche Verletzungen hin untersucht. Liegen Hinweise für eine Thrombose vor und palpatorisch ist kein Puls an den Femoralarterien fühlbar, kann mithilfe einer Doppler-Ultraschallsonde versucht werden, eine Pulswelle distal an den Pfoten nachzuweisen. Wichtige Verfahren sind die Bildgebung und eine umfangreiche Laboruntersuchung.

Bildgebung

Übersichtsröntgenaufnahmen sind für eine schnelle Abklärung ggf. vorliegender Verletzungen des knöchernen Skeletts oder der thorakalen Organe gut geeignet. Nach ausreichender Stabilisierung des Patienten kann zusätzlich eine Röntgenkontrastuntersuchung der Harnorgane durchgeführt werden, so kann eine gute Aussage über die Funktionsfähigkeit der Nieren und der Blase getroffen werden.

Aber auch eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens kann sinnvoll sein, denn hier lassen sich Verletzungen der Organe abklären. Die Symptome einer gefährlichen Fettgewebsnekrose entwickeln sich oft erst Tage nach dem Trauma, sodass nach einem solchen Unfall engmaschige und regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Praxis empfehlenswert sind.

Laboruntersuchung

Eine Blutentnahme für eine hämatologische und blutchemische Untersuchung ist unbedingt nötig, damit möglichst schnell Auskünfte über pathologische Veränderungen vorliegen. Das rote Blutbild kann Hinweise auf einen Blutverlust durch innere Verletzungen geben. Dabei ist zu beachten, dass sich ein akuter Blutverlust erst nach Wiedererlangen eines ausgeglichenen Volumenstatus in vollem Umfang im Blutbild niederschlägt. Veränderungen im weißen Blutbild können auf weitere vorliegende Verletzungen mit daraus resultierenden Entzündungszeichen hinweisen. Durch die blutchemische Untersuchung erhält man Hinweise auf Störungen des Leber- oder Nierenstoffwechsels wie zum Beispiel eine postrenale Azotämie, die durch eine Kompression der Harnleiter mit nachfolgendem Rückstau von Urin in die Niere hervorgerufen wird. Wenn die Muskelenzyme und Leberenzyme erhöht sind, weist dies auf eine direkte Schädigung der entsprechenden Organe hin.

Von besonderer Bedeutung ist die Bestimmung der Elektrolyte und der Blutgase. Patienten mit einer ischämischen Neuromyopathie zeigen häufig eine Hyperkaliämie durch Freisetzung von Kalium aus nekrotischen Muskelzellen. Ein hoher Kaliumwert kann zu einer lebensbedrohlichen Bradykardie führen und muss schnell erkannt und therapiert werden. Auch andere mögliche Ursachen für eine Hyperkaliämie müssen bedacht werden. Eine Blutgasanalyse zeigt bei der Kippfensterkatze typischerweise eine Übersäuerung des Blutes an, die durch die Ansammlung von Stoffwechselprodukten aufgrund der Sauerstoffunterversorgung und Gewebeschädigung entsteht und ebenfalls therapiebedürftig ist.

Therapie

Die erste symptomatische Therapie der Kippfensterkatze sollte aus einer Schocktherapie mit kaliumfreier Infusionslösung, einer Wiederherstellung des Säure-Basen-Gleichgewichtes und adäquater Schmerztherapie bestehen. Die normalen Schmerzmedikamente, die sogenannten nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) eignen sich dafür nicht, da sie die Durchblutung der bereits geschädigten Nieren weiter verschlechtern und daher nicht im Schock eingesetzt werden sollten. Es sollten eher die besser wirksamen Opioide wie beispielsweise Morphin, Buprenorphin oder Butorphanol verwendet werden.

Außerdem sollte die Katze bei Untertemperatur vorsichtig mit geeigneten Hilfsmitteln aufgewärmt werden und die Temperatur sollte engmaschig kontrolliert werden. Außerdem sollte eine bestehende Hyperkaliämie durch die Gabe von Glukose mit Insulin, Kalziumglukonat und Natriumbikarbonat bekämpft werden. Wenn der Kreislauf wieder stabil ist, kann die Diurese (Harnbildung) mit Furosemid gesteigert werden, was den Kaliumspiegel zusätzlich senkt.

Auch eine passende Physiotherapie der Katze kann helfen die Funktion der Gliedmaßen zu fördern, sobald es der Zustand erlaubt. Zuerst lockern Massagen die harte Muskulatur und stimulieren den venösen und lymphatischen Rückfluss, danach sorgt eine passive Bewegung der Gelenke für die Förderung der Ernährung des Gelenkknorpels, bevor zuletzt aktive Bewegungsübungen durchgeführt werden.

Prognose und Ausblick

Die Prognose ist für die meisten Katzen günstig, sodass sich die meisten Patienten mit entsprechender Therapie von selbst innerhalb von 14 Tagen erholen. So zeigt eine Studie von 2002, dass sich 75% der Katzen vollständig erholten und 25% der Tiere verstarben direkt oder indirekt an den Folgen. Folglich ist eine schnelle und passende Therapie mit einer guten Nachsorge für den Erfolg ausschlaggebend. Wichtig dabei ist, den Katzenbesitzer zu möglichen Komplikationen zu beraten und ihn von der Wichtigkeit einer stationären Überwachung und Behandlung sowie einer engmaschigen Verlaufskontrolle zu überzeugen.

 

Der Originalartikel zum Nachlesen:

Fischer A. Die "Kippfensterkatze". tk 2015; 11(2): 10-14. DOI: 10.1055/s-0035-1545986.