Aus dem Normalverhalten lassen sich die Bedürfnisse einer Tierart ablesen. Eine Haltung ist daher nur dann angemessen, wenn neben den Grundbedürfnissen wie Wasser und Futter auch die Bedürfnisse in Bezug auf Sozialkontakt, Rückzugsmöglichkeiten, Bewegung und Beschäftigung befriedigt werden können. Werden einige Punkte auf Dauer nicht erfüllt, so ist die Haltung tierschutzwidrig.
Ernährung – natürliches Nahrungsangebot möglich?
Auch in Menschenhand sollte die Nahrung der kleinen Heimtiere weitestgehend dem Nahrungsangebot im natürlichen Lebensraum entsprechen. So ist beispielsweise das gesamte Verdauungssystem von Kaninchen an ihre natürliche Nahrungsaufnahme angepasst, denn Wildkaninchen sind auf das Fressen von Gräsern spezialisiert und mehrere Stunden täglich mit der Nahrungsaufnahme und dem Zerkauen von Halmen beschäftigt. Dadurch reiben sich ihre Zähne gleichmäßig ab. Zusätzlich besitzt das Kauen einen beruhigenden Effekt auf die Tiere, den man sich auch in der Haltung zuhause zu Nutzen machen kann, denn Stereotypien können so signifikant reduziert werden. Aber nicht nur das Futter an sich, sondern auch die Art der Futteraufnahme ist entscheidend, denn viele Tiere suchen sich in freier Wildbahn ihr Futter mühsam zusammen. So ist es beispielsweise wichtig, Goldhamstern und Wüstenrennmäusen ihr Futter im Käfig zu verstecken, damit sie es suchen müssen und können. Anderseits benötigen Chinchillas Futter mit ausreichend großen Stücken, denn sie wollen ihr Futter gerne in den Vorderpfoten halten, um es vor dem Fressen zu untersuchen.
Artgenossen sind für fast alle kleinen Heimtiere wichtig
Das Sozialverhalten bildet eine weitere wichtige Grundlage für eine tiergerechte Haltung. Werden hier Fehler gemacht, kann dies schnell zu chronischem Stress und damit verbundenen Problemen führen. Nicht selten hat dies auch einen negativen Einfluss auf die Lebenserwartung. Einige Tierarten wie Meerschweinchen, Ratten oder Kaninchen sind obligat sozial. Das bedeutet, dass sie zwingend mit Artgenossen zusammenleben müssen, um sich wohlzufühlen. Allein gehaltene Tiere dieser Arten leiden. Andere Spezies können den arteigenen Sozialpartner ebenfalls nicht ersetzen, da sie auf eine andere Art kommunizieren und andere Bedürfnisse haben. Die bedauerlicherweise immer noch häufig praktizierte gemeinsame Haltung eines einzelnen Meerschweinchens und eines einzelnen Kaninchens ist somit nicht artgerecht. Eine gemeinsame Haltung unterschiedlicher Tierarten ist nur dann akzeptabel, wenn die jeweiligen Tierarten in Gruppen gehalten werden, der Platz ausreicht, um sich aus dem Weg gehen zu können, die Bedürfnisse in Bezug auf Nahrungsaufnahmeverhalten und die Rückzugsmöglichkeiten jederzeit gewährleistet werden können.
Doch auch bei der Gruppenhaltung sozialer Tierarten gilt es Einiges zu beachten, damit das Zusammenleben harmonisch verläuft. Wie eine Gruppe zusammengestellt sein muss, damit es möglichst wenig Probleme gibt, ist dabei von Tierart zu Tierart unterschiedlich. Die beste Haltungsform für Kaninchen ist beispielsweise eine gemischte Gruppe mit einem kastrierten Männchen und 2 Weibchen oder 2 kastrierten Männchen mit 2 – 4 Weibchen. Eine Vergesellschaftung erfolgt bei allen Tierarten idealerweise bereits im Jungtieralter. Bei älteren Tieren sollte sie immer nur nach einem Gewöhnungstraining stattfinden, bei dem die Tiere sich langsam an Geruch, Anblick und Geräusche des neuen Partners gewöhnen können. Nur wenige der häufig als Haustier gehaltenen Heimtiere sind Einzelgänger. Als bekanntestes Beispiel ist hier der Goldhamster zu nennen. Werden solche Tierarten in Gruppen gehalten, sind schwere Aggressionen und Verletzungen vorprogrammiert.
Gewöhnungstraining
Diese Trainingsform wird bei vielen kleinen Heimtieren ähnlich durchgeführt und eignet sich zur Gewöhnung von 2 Tieren aneinander. Hierbei sollten jedoch einige Punkte beachtet werden und vor allem der Stress sollte so gering wie möglich sein.
Der erste Schritt ist der Geruchsaustausch. Hierfür werden die Haltungseinrichtungen der Tiere so nah nebeneinandergestellt, dass kein Tier durch das andere gestresst wird, sie sich aber dennoch riechen können. Zusätzlich kann der Geruchsaustausch gefördert werden, indem benutzte Einstreu unter den Tieren ausgetauscht wird. Im zweiten Schritt kommt es dann zur Annäherung, indem die Haltungseinrichtungen immer näher zusammengestellt werden. Auch hier muss auf Stressanzeichen der Tiere geachtet werden und gegebenenfalls muss wieder ein Schritt zurück gemacht werden. Für die Gegenkonditionierung eignet sich außerdem die Verfütterung von sehr schmackhaften Leckerchen in Anwesenheit des anderen Tieres. Ist dieser Schritt geschafft, in dem die Haltungseinrichtungen so nah wie möglich beieinanderstehen und die Tiere kein Stressanzeichen zeigen, kann man zum dritten Punkt übergehen, dem ersten Direktkontakt. Dieser Kontakt sollte immer auf neutralem Terrain erfolgen, sodass keines der Tiere eventuelle Revieransprüche erhebt. Auch hier sollten Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten vorhanden sein, aber immer mit mindestens 2 Ausgängen, sodass sich die Tiere aus dem Weg gehen können. Außerdem sollte die erste Begegnung unter Aufsicht stattfinden, damit ein mögliches Eingreifen erfolgen kann. Wenn beide Tiere gut miteinander auskommen, kann die Zeit schrittweise verlängert werden, in der sie gemeinsam auf neutralem Boden Auslauf haben. Ist auch die direkte Kontaktaufnahme mehrmals ohne Probleme verlaufen, kann der letzte Schritt, der Umzug, erfolgen. Hierfür sollte die Haltungseinrichtung komplett gesäubert und neu eingestreut werden.
Rückzugsmöglichkeiten zur Vermeidung von Stress
Auch in Bezug auf die notwendigen Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten ist wieder das Normalverhalten der wildlebenden Verwandten zugrunde zu legen. Da es sich bei den kleinen Heimtieren um Beutetiere handelt, die mitunter nicht sehr wehrhaft sind, sind tiergerechte Rückzugsmöglichkeiten essenziell für ihr Wohlbefinden. Wenn sie sich bei vermeintlicher Gefahr nicht verstecken können, sind sie unnötigem Stress ausgesetzt. Deshalb sollten in einem Gehege ausreichend Unterschlupfmöglichkeiten zur Verfügung stehen, damit alle Tiere Zuflucht finden können. Als Faustregel gilt: Für jedes Tier mindestens ein Unterschlupf. Aber auch mindestens 2 Ausgänge sollten vorhanden sein, damit es nicht zur Bildung einer Sackgasse und zu Auseinandersetzungen kommt. Auch in einem Auslauf sollten diese Regeln beachtet werden, denn häufig bewegen sich die Tiere in einem Auslauf nicht viel, weil ihnen die Gegebenheiten als nicht sicher genug erscheinen, was von vielen Besitzern fehlinterpretiert wird, denn diese glauben, dass die Tiere dann grundsätzlich keinen Auslauf mögen und/oder brauchen.
Kleine Tiere gleich kleines Gehege – Falsch!
Kleine Heimtiere haben trotz ihrer geringen Größe in der Regel ein ausgeprägtes Bewegungsbedürfnis. Dies liegt unter anderem daran, dass sie in der Wildnis oft einen Teil des Tages mit der Suche nach Futter beschäftigt sind und dabei unter Umständen weite Strecken zurücklegen müssen. Ist das Gehege nicht ausreichend groß, und sind keine weiteren Bewegungsanreize wie beispielsweise Strukturen, Laufräder oder Laufteller gegeben, kann es zu Problemen kommen. Typische Probleme sind Adipositas, stereotypes Verhalten, Knochengewebshypoplasien und Wirbelsäulenverkrümmungen.
Leider ist die überwiegende Zahl der kommerziell erhältlichen Käfige zu klein, um eine tiergerechte Haltung zu gewährleisten. So benötigen beispielsweise 2 – 3 Kaninchen eine Mindestfläche von 6 m2 und jedes weitere Tier zusätzliche 2 m2. Selbst gebaute Gehege oder großzügige Außengehege sind in der Regel am tiergerechtesten.
Gehegegestaltung: Hier ist Kreativität gefragt!
Nicht nur die Größe des Auslaufs ist entscheidend, sondern auch die Strukturierung und Gestaltung der Haltungseinheit ist wichtig. Viele der kleinen Heimtiere zeigen nämlich eine ausgeprägte Thigmotaxis. Dies bedeutet, dass sie sich vor allem in direkter Nähe von Strukturen wie Häuschen, Wänden oder anderen Gegenständen aufhalten und offene Flächen meiden. Zudem ist eine Haltungseinheit interessanter und regt zu mehr Bewegung an, wenn sie nicht von einem Ort aus vollständig überblickt werden kann. So können Besitzer von kleinen Heimtieren ihrer Kreativität freien Lauf lassen und die Gehege so abwechslungsreich wie möglich gestalten.
Aber nicht nur Laufen, Springen oder Klettern zählen zum Bewegungsverhalten. Viele der häufig gehaltenen kleinen Heimtiere verfügen zusätzlich über ein ausgeprägtes Grabebedürfnis. Bei Hamstern und Gerbils beispielsweise muss daher auch ein tief eingestreuter Bereich zur Verfügung stehen, in dem die Tiere diesem Bedürfnis nachkommen und sich eigene Bauten graben können. Doch auch Degus, Ratten, Mäuse und Kaninchen graben gerne und sollten zumindest eine Buddelkiste zur Verfügung gestellt bekommen. Außengehege müssen entsprechend in der Tiefe gegen ein Graben nach draußen gesichert sein.
Beschäftigung zur Stressreduktion
Eine Buddelkiste kann eine sinnvolle Ergänzung im Käfig darstellen, denn das Grabebedürfnis der kleinen Heimtiere wird so befriedigt und zudem sorgt sie für Abwechselung. Werden hierbei verschiedene Reizqualitäten angeboten, dient die Buddelkiste nicht nur der artgemäßen Beschäftigung der Tiere, sondern sie können so auch eine gewisse Kontrolle über ihre Haltungsumwelt erhalten, was wiederum Stress reduziert. Insgesamt kann eine Anreicherung der Haltungsumwelt (Enrichment) mit verschiedenen Reizen und Strukturen für eine gelungene Abwechselung sorgen. So kann man sich außerdem zusätzlich das Bedürfnis nach unterschiedlichen Funktionsbereichen vor allem bei Kaninchen zunutze machen und damit das Toilettentraining aufbauen.
Toilettentraining für Kaninchen
Beim Toilettentraining beginnt man in einem kleinen Areal und stellt Toiletten an Orten auf, an denen das Kaninchen ohnehin bevorzugt ausscheidet. Normalerweise ist das u. a. unter der Heuraufe. Es empfiehlt sich, etwas Kot und Urin in die Toilette zu legen, sodass diese auch als solche besser erkannt wird. Wenn die Ausscheidung zuverlässig in den Toiletten klappt, kann man Schritt für Schritt größere Areale zugänglich machen. Es sollten immer viele Toiletten aufgestellt sein, damit die Kaninchen nicht zu weit dorthin laufen müssen. An allen bevorzugten Ausscheidungsorten sollte eine Toilette aufgestellt werden. Selbstverständlich sollten Ausscheidungen außerhalb der Toilettenschalen niemals bestraft, sondern jede Benutzung der Toiletten gelobt werden.
Aber auch der Freilauf außerhalb des Geheges kann Enrichment darstellen. Bei diesen Gelegenheiten können die Tiere neues Terrain und neue Strukturen erkunden. Gerade für die besonders neugierigen Tierarten wie Ratten, Mäuse, aber auch Kaninchen ist dies eine willkommene Abwechslung. So sind beispielsweise für Kaninchen die wichtigsten Enrichment-Elemente Unterschlüpfe, erhöhte Ebenen, rohfaserreiches Futter und Nagemöglichkeiten.
Ein richtiger Umgang ist ebenso wichtig
Zu einer artgerechten Haltung gehört auch der richtige Umgang mit den Tieren. So sollten die kleinen Tiere langsam und mit viel positiver Bestärkung an die Anwesenheit des Menschen und das notwendige Handling gewöhnt werden. Das Training sollte den individuellen Bedürfnissen der Tiere angepasst werden, so brauchen scheue Tiere meist länger, um sich an den Menschen zu gewöhnen. Doch auch wenn die Tiere das Handling durch den Menschen schon gewohnt sind, sollte ein Einfangen und Hochheben immer möglichst sanft und tierschonend ablaufen. Gerade beim Hochheben sollte darauf geachtet werden, dass der gesamte Körper gestützt wird und das Tier möglichst mit 2 Händen getragen wird. Vor allem Kinder sollten hier von Erwachsenen unterstützt werden.
Zudem sollte auf speziesspezifische Besonderheiten geachtet werden und beispielsweise ein Hamster nach Möglichkeit nicht tagsüber gehandelt werden. Auch das Streicheln von Meerschweinchen sollte vermieden werden, da die meisten Tiere das nicht mögen.
Auch weitere Besonderheiten sind zu berücksichtigen, so ist beispielsweise das Hörverhalten der meisten als Haustiere gehaltenen Arten deutlich unterschiedlich zu dem des Menschen und damit auch die Lärmempfindlichkeit deutlich höher. Aufgrund dessen sollte auf eine möglichst ruhige Umgebung geachtet werden. Plötzliche Bewegungen und das Fangen von oben sollten vermieden werden, denn die kleinen Heimtiere zählen zu den Beutetieren und geraten so schnell unter Stress.
Fazit
Kleine Heimtiere sind beliebte Haustiere. Dennoch ist ihre Haltung zum Teil recht anspruchsvoll und erfordert ein solides Wissen um das Normalverhalten und die Bedürfnisse der jeweiligen Tierart. Werden diese Bedürfnisse jedoch befriedigt, können die Tiere hervorragende Begleiter sein. So sollte bei einer artgerechten Haltung vor allem Wert auf die richtige Nahrung, die Berücksichtigung des Sozialverhaltens, Rückzugsmöglichkeiten, große und gut strukturierte Gehege und das richtige Handling gelegt werden.
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