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Gehirn und Ernährung im EinklangBrainfood für den Hund

Hund ist, was er frisst. Und je gesünder er frisst, desto besser geht es Körper und Geist. Darum zeigen wir Ihnen hier und jetzt, was Nahrung speziell für das „Oberstübchen“ beim Hund tun kann.

Inhalt
Ein Hund schaut mit geneigtem Kopf in die Kamera.
lleandralacuerva/stock.adobe.com

Das Gehirn ist der Ort des tierischen Bewusstseins und benötigt eine hohe Energiezufuhr.

 Jeder Organismus braucht Nahrung, um mit seinen Stoffwechselsystemen umsetzbare Netto-Energie zu gewinnen. Durch die Energieverarbeitung wächst, gedeiht und wird er zu dem, was er ist – eine Hochleistungsmaschine von der kleinsten Zelle bis hin zu verschiedenen Organsystemen. So ist es fast logisch, dass bei Einschränkungen (Insuffizienz) von Organen (z. B. Niere oder Leber) bestimmte Leistungen nicht mehr erbracht werden können und medizinisch unterstützt werden müssen. Hier kann oft ein wissenschaftlich erprobtes Konzept mit Ausschluss oder Zufuhr bestimmter Nahrungsbestandteile als unterstützendes Diätfutter für ein spezifisches Organ dienen. Doch wie sieht es mit dem „Oberstübchen“ aus? Was braucht ein Gehirn, um gut zu funktionieren und was kann getan werden, um es auch im Krankheitsfall zu unterstützen?

Basics zum Gehirn

Das Gehirn (Encephalon) liegt als oberste Schaltzentrale im Kopf jeden Wirbeltieres und gehört mit dem abgehenden Rückenmark zum zentralen Nervensystem (ZNS). Geschützt vom knöchernen Schädel wird es von den sogenannten Hirnhäuten (Meningen) umhüllt und schwimmt im nährenden Hirnwasser (Liquor). Es ist zudem der Sitz jeden tierischen Bewusstseins.

Vergleichbar mit einem Computer, verarbeitet das Gehirn hochkomplex alle ankommenden Sinneseindrücke, leitet entsprechende Antworten ein und speichert komplexe Informationen und Erfahrungen ab: Eindrücke (Reize) werden durch Sinnesorgane aufgenommen, über Nervenbahnen ins Gehirn geleitet und dort verarbeitet. Die Antwort (Reaktion) wird gleichermaßen über Nervenbahnen zu einem Zielorgan (z. B. Muskel) geschickt und umgesetzt.

MERKE
Das Gehirn ist ein echter Energiefresser und abhängig von ständiger Zufuhr an Nährstoffen.

Bauteile des Gehirns

Das Gehirn setzt sich aus dem Großhirn (Cerebrum), dem Hirnstamm (Truncus cerebri) und dem Kleinhirn (Cerebellum) zusammen. Der Hirnstamm wiederum umfasst das Zwischenhirn, das Mittelhirn und das verlängerte Rückenmark.

Das Nervengewebe des Gehirns setzt sich aus Nervenzellen (Neuronen) und den Glia-Zellen zusammen. Die Neuronen ermöglichen durch eine gezielte Vernetzung untereinander die Informationsverarbeitung und Beantwortung. Die Gliazelle fungiert hierbei als Schützer der Nervenzelle im Rahmen der Immunabwehr, Abfallentsorgung und anderen Hilfsaktionen. Extrazelluläres Bindegewebe aus Kollagen und anderen Stoffen hält das Gewebe zusammen.

Eine Nervenzelle wiederum besteht aus einem Zellkörper (Soma) mit Zellkern (Schaltzentrum) und Dendriten (Verknüpfungspunkte zu anderen Nervenzellen), dem Axonhügel, dem Axon (Leitungsbahn) und den Axonterminalen mit den Endknöpfchen.

Informationsfluss

Die Informationsverarbeitung an den Neuronen verläuft in erster Linie über elektrische Ströme, d. h. Wanderung von Ionen über die Zellmembran mithilfe von Elektrolyten bzw. Ionen wie Natrium (Na+), Kalium (K+) oder Calcium (Ca2+). Die abgrenzende neuronale Zellmembran enthält kleine Proteinkanäle, die durch eine geordnete Öffnung und Schließung diese Ionen wandern lassen. So pflanzt sich die Information von einem Neuron zum nächsten fort.

Eine Besonderheit vieler Nervenzellen sind die sogenannten Myelinscheiden, die das Axon phasenweise mit kleinen Zwischenräumen, den Ranvierʼschen Schnürringen, umwickeln. Als Nahrungsfettabkömmling wirkt Myelin wie eine Art der Isolation und beschleunigt damit die Reizverarbeitung.

Beim Übergang von einer Nervenzelle zur anderen erfolgt eine chemische Umkodierung: Nervenzellen sind hier über sogenannte Synapsen verknüpft, die durch Ausschüttung von Nervenbotenstoffen die elektrische Information chemisch mit Botenstoffen weiterleiten. Diese Nervenbotenstoffe (z. B. Glutamat, Serotonin oder GABA) sind oft Stoffwechselabkömmlinge von Aminosäuren aus den Nahrungsproteinen. Bestimmte Metalle (z. B. Zink, Mangan) wirken in Enzymen als Co-Faktoren und sorgen für das Recycling dieser Nervenbotenstoffe. Ist ein Informationsfluss erfolgt, müssen die Nervenzellen wieder auf ihren Ursprungszustand zurückgesetzt werden, damit sie erneut reagieren können.

Nahrung für das Gehirn

Bekannterweise lassen sich die Nährstoffe für unseren Körper in erster Linie in Proteine, Fette und Kohlenhydrate unterteilen. Doch daneben spielen auch die Mengen- und Spurenelemente sowie viele verschiedene Vitamine eine unabdingbare Rolle – auch im Gehirnstoffwechsel. Welche Nährstoffe für welche Struktur und Funktion des Gehirns wichtig sind, stellt die Übersicht grafisch nach Nährstoffgruppen dar:

 

Wird man sich bewusst, wie viele und welche Nährstoffe im Stoffwechsel des Gehirns relevant sind, kommt schnell die Frage auf: Was passiert, wenn mein Tier zu viel oder zu wenig von diesen Nährstoffen zu sich nimmt, d. h., es einen Mangel oder eine Überversorgung mit bestimmten Nährstoffen gibt?

In der Tierernährung korreliert der Bedarf oder die Aufnahmemenge eines Nährstoffes immer mit der Funktion – daher muss der Körper ständig daran arbeiten, bestimmte Nährstoffe in der Balance zu halten: Ist die Nährstoffaufnahme zu gering, ist die Funktion eingeschränkt oder nicht vorhanden. Ist die Nährstoffaufnahme zu hoch, kann die Funktion in eine Vergiftung (Intoxikation) übergehen. Im Umkehrschluss gibt es somit einen Referenzbereich zwischen zu wenig und zu viel, der als optimale Nährstoffversorgung definiert werden kann. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen sogenannten „Mindestbedarf“, der für eine Grundfunktion unabdingbar ist.

Sowohl die eigentliche Verarbeitung von Nervenimpulsen als auch deren Zurücksetzung benötigt eine große Menge Energie, die aus dem Energieüberträgerstoff ATP (Adenosintriphosphat) stammt. Nervenzellen gewinnen dieses ATP aus dem über die Nahrung aufgenommenen Zucker (Kohlenhydrate), alternativ aber auch aus Fettsäuren in Form von Ketonkörpern.

Zu wenig oder zu viel?

Kommt es zu einem Mangel an bestimmten Nährstoffen oder zu einer Vergiftung mit einem Überschuss an Nährstoffen, beschränken sich die Symptome nicht nur auf das Gehirn, sondern erstrecken sich bis zum Muskel als Endstation bzw. Zielorgan. Folgende Auflistung gibt einen wissenschaftlich basierten Überblick über wichtige Nährstoffe und bekannte, nutritive Neuropathologien (Nervenfunktionsstörungen):
 

A – Mangelzustände und die Folgen:

  • Vitamin-B1-(Thiamin-)Mangel fördert eine Enzephalomyelopathie mit Absterben von Nervenzellen im Großhirn und Rückenmark (Neurodegeneration).
  • Die Vitamin-B6-Unterversorgung löst Übererregtheit, Lichtempfindlichkeit, Zittern (Tremore), Koordinationsstörungen und Stimmungsschwankungen aus.
  • Vitamin-B12-(Cobalamin-)Mangel führt zu Neurodegenerationen, Nervensterben, Wachstumsstörungen und Blutbildungsproblemen.
  • Die Unterversorgung mit Methionin bedingt eine Myelinopathie mit Demylinisierung, Axondegeneration und Störung der nervalen Reizleitung.
  • Zu wenig Kalium führt zu einer hypokaliämischen Myopathie mit Muskelschwund und neuromuskulären Störungen in der Koordination durch das Gehirn.

B – Überversorgung und die Folgen:

  • Eine Überversorgung mit Vitamin A führt zu Störungen des Knochenstoffwechsels und zu Knochenzubildungen an der Wirbelsäule mit Nervenkompressionen und Lähmungserscheinungen.
  • Die Hyperkaliämie löst das sog. Schwanenhals-Syndrom mit Myelopathie (Rückenmarksschwund), Ca-P-Imbalanz, neuromuskulären Störungen und Reizweiterleitungsproblemen aus.
  • Ein gestörtes Phenylalanin-Tyrosin-Gleichgewicht mit einem Überschuss an Phenylalanin, der als Gendefekt (z. B. beim Border Collie) auftritt, zeigt sich mit Nervenschwund der sensorischen Nervenzellen, ataktischem Gangbild, Muskelschwund und Lähmungserscheinungen.
  • Ein zu viel an Mangan fördert eine Mangan-induzierte Neurotoxizität mit Problemen im Muskeltonus, Dystonie, verzögerten Bewegungsvorgängen und Muskeltremor.

Brainfood in Lifestages

Die Bedarfsdeckung eines Nährstoffes definiert sich grundsätzlich auch nach der Lebensphase und dem Lebensstil des Tieres (Diensthund, Zuchthund, Familienhund). Während zum Beispiel bei Welpen und Junghunden auf eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren für eine gesunde Hirnentwicklung geachtet werden sollte, braucht ein Senior eine reduzierte, jedoch hochwertige Versorgung mit Protein, um Muskelschwund zu vermeiden und Organe zu entlasten. Tatsächlich wurden die Zusammenhänge zwischen Lebensphase, Ernährung und neurologischer Entwicklung vorwiegend anhand von Futtermischungen mit diversen Nährstoffen erforscht, sodass nur sehr selten eine bestimmte Wirkung auf einen einzelnen Nährstoff zurückgeführt werden kann.

Guter Start mit Omega 3

Die erhöhte Zufuhr von DHA (Omega-3-Fettsäure, Docosahexaensäure) bei tragenden oder laktierenden Hündinnen wurde mit einer verbesserten neurologischen Entwicklung ihrer Welpen in Verbindung gebracht. Und die aktive Zufuhr von DHA beim Welpen zeigte ein verbessertes Erinnerungs- und Lernvermögen.

Für jeden Hund im Wachstum gilt es, die Bedarfsdeckung aller Nährstoffe zu garantieren. Aus einer fortwährenden Nährstoff-Fehlversorgung kann eine Fehlentwicklung des Gehirns mit dauerhaften neurologischen Abweichungen, wie z. B. Krampfanfälle, Verhaltensauffälligkeiten o. ä. folgen. Speziell selbstgekochte Nahrung oder Rohfleischrationen sollten hier von einem Tiermediziner überprüft und zur Bedarfsdeckung optimiert werden. Aber auch beim Einsatz von kommerziellen Fütterungen sollte immer auf die richtige Menge und entwicklungsbedingte Mengenanpassung geachtet werden – hier ist eine kontinuierlich geführte Wachstumskurve das beste Instrument zur Überwachung von Größe und Gewicht!

FETTSÄUREN

  • Fettsäuren sind wichtige Nahrungsbestanteile, die – je nach Länge der Kette aus Kohlenstoffatomen, den „C“ – in kurz-, mittel- und langkettige Fettsäuren eingeteilt werden.
  • Für das Gehirn zeigen sich insbesondere mittelkettige Fettsäuren (MCTs) mit einer Kettenlänge von 8 – 10 (C8-C10) Kohlenstoffatomen als günstig zur Vorbeugung und Behandlung von Demenz bei Hundesenioren und Krampfanfällen bei Epileptikern.
  • Die Zufuhr der Omega-3-Fettsäure DHA (Docosahexaensäure) wirkt sich besonders bei tragenden und säugenden Hündinnen positiv auf die Gehirnentwicklung der Welpen aus. Bei älteren Tieren konnten jedoch keine besonderen Effekte nachgewiesen werden.
Vegetarisch und vegan

Die vegetarische oder vegane Fütterung von Hunden erfährt zunehmende Beliebtheit, wobei Studien zeigten, dass Besitzer, die selbst diese Ernährungsweise verfolgen, ihr Haustier entsprechend füttern. Tatsächlich kann ein Hund als carni-omnivor auf diese Weise gefüttert werden, jedoch besteht dabei ein um vielfach erhöhtes Risiko der Fehlversorgung und dauerhafter Schäden. Dieses Risiko steigt, je jünger oder krankheitsbelasteter der Hund ist. Der Ausschluss von Fleisch kann zur Unterversorgung mit essenziellen Aminosäuren und Vitaminen, wie Vitamin B12, Vitamin D, Jod oder Zink führen – unerlässliche Substanzen für einen gesunden Hirnstoffwechsel.

Im besten Alter

Bei Hundesenioren führt die Zufuhr von Vitamin E, Arginin, B-Vitaminen und Fischöl (mit DHA und EPA) als Mischung zu einer verbesserten geistigen Funktion. Studien zeigten zudem, dass mittelkettige Fettsäuren (MCTs = Medium Chain Trigylceride) als Bestandteil eines Trockenfutters zur erhöhten Ketonkörperproduktion und kognitiven Leistungssteigerung bei geriatrischen Hunden führten.

Dauerhaft erhöhte Mengen von Vitamin E, Liponsäure, L-Karnitin und Ascorbinsäure im Trockenfutter konnten bei mittelalten Hunden zu einer Erhöhung des proteinogenen Neuromodulators BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) führen. BDNF ist wichtig für die Nervenzellregeneration, bei der Verknüpfung von Nervenzellen und bei der chemischen Kommunikation zwischen den Neuronen.
 

MERKE

Mittelkettige Fettsäuren und Ketonkörper machen den Kopf bei Hundesenioren (wieder) fit.

Neurodiätetik

Das nutritive Management von Erkrankungen des Gehirns steckt noch in seinen Kinderschuhen, denn weniger als 0,1% der wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschäftigt sich mit diesem Gebiet. Aktuell erfährt es jedoch zunehmende Beliebtheit in der Wissenschaft und unter den Klinikern. Zudem bildet sich derzeit der Bereich der „Neurodiätetik“ aus – das ist der Einsatz von speziellen Fütterungsmethoden als Begleitmanagement bei Erkrankungen des Nervensystems.

Die folgende Auflistung gibt einen Überblick der neurodiätetischen Maßnahmen für die Unterstützung bei verschiedenen Erkrankungen des Gehirns. Die Erkenntnisse sind überwiegend aus veterinärmedizinischen Studien oder empfohlene Methoden aus der Grundlagenforschung:

  • Epilepsie: Die Zufuhr von MCTs als Bestandteil im Trockenfutter oder als Öl-Supplement (Dosis: 9% der metabolischen Energie der Tagesration) in zwei Portionen täglich führt zur Verbesserung der Anfallskontrolle in > 70% der Hunde. Eine Studie mit dem Einsatz von Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E (400 mg EPA, 250 mg DHA, 22 mg Vitamin E pro 1,5 ml) in der Dosierung mit 1,5 ml/10 kg 1 × tgl. für 12 Wochen zeigte keine Effekte, auch wenn ein einzelner Fallbericht besondere Wirksamkeit beschreibt.
  • Paroxysmale Dyskinesie (episodenartige Bewegungsstörung): Der Ausschluss von Gluten und die Ergänzung von Vitamin E verbesserte die Erkrankung in 80% der Fälle beim Border Terrier deutlich (Gluten-assozierte paroxysmale Dyskinesie).
  • Lafora-Epilepsie (erbliche Form der Epilepsie): Einsatz von hohen Dosen Antioxidantien und B-Vitaminen in der Fütterung wirkt sich positiv auf Myoklonien (Muskelspasmen) aus.
  • Kanine kognitive Dysfunktion: Zugabe der Vitamine C, E, B6 sowie L-Karnitin und mittelkettige Fettsäuren (MCTs) in einer Mischung aus 97% C8 und 3% C10, Phosphatidylserin (Gingko biloba), S-Adenosyl-L-methionin (SAMe) und Melatonin verbessern die geistige Leistung und halten die Fortentwicklung der Demenzsymptome auf.
  • Verhaltensauffälligkeiten: MCTs können ADHS-artiges Verhalten bei Hunden verbessern – bei täglicher Gabe zeigen diese weniger Erregtheit und Angst.

Fazit

Eine bedarfsgerechte Fütterung ist die absolute Grundlage für jedes gesund funktionierende Hundehirn. Zudem kann die gezielte Zufuhr bestimmter Nährstoffe im Wachstum, bei Behandlung und Vorbeugung spezieller Erkrankungen des Gehirns, wie z. B. der Epilepsie, und bei der Erhaltung der geistigen Fitness von Hundesenioren für das Oberstübchen sehr viel Gutes tun!

Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Benjamin-Andreas Berk "Brainfood für den Hund – Gehirn und Ernährung im Einklangtk 2021; 17(01): 2-8 DOI: 10.1055/a-1256-3370

Dr. Dr. MSc. Benjamin-Andreas Berk ist Neurowissenschaftler und Tierarzt. Derzeit beendet er den PhD in Veterinärneurologie am Royal Veterinary College in London und ist Resident in Veterinary and Comparative Nutrition. Er betreibt mit BrainCheck.Pet eine Tierärztliche Praxis für Neurologie mit dem speziellen Schwerpunkt auf Epilepsie und Anfallserkrankungen bei Hund und Katze in Mannheim. 

Der Originalartikel„Brainfood für den Hund – Gehirn und Ernährung im Einklang“erschien in der Team konkret 1/2021.