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Die Wundheilungsphasen
In der Veterinärmedizin dominieren akute traumatische Wunden wie Abrasionen, Avulsionen, Bissverletzungen und Verbrennungen. Diese können teils nach chirurgischer Intervention primär heilen, andere unterliegen der Sekundärheilung mit lokalem Wundmanagement, bei Bedarf unterstützt durch systemische Therapie. Abrasionen sind oberflächliche, Avulsionen tiefe und oft kontaminierte Zusammenhangstrennungen der Haut, meist durch Verkehrsunfälle; Bissverletzungen sind kontaminierte punktförmige Läsionen mit großflächigen Unterhautverletzungen; Verbrennungen unterschiedlicher Art werden nach betroffener Körperfläche und Tiefe evaluiert; das gesamte Ausmaß des Gewebeschadens ist hierbei nach 7 – 10 Tagen sichtbar.
Grundsätzlich erfolgt jede Wundheilung in drei, sich überlappenden Phasen:
- Hämostase und Inflammation (Minuten bis Tage)
- Proliferation und Gewebeformation mit der Bildung von Granulationsgewebe (Tage)
- Remodellierung und Narbenbildung (Tage bis Monate)
An jeder Phase sind verschiedene Zellen, Botenstoffe, Extrazelluläre Matrix (ECM)-Proteine etc. beteiligt, welche miteinander interagieren und die verschiedenen Phasen bedingen. Beteiligte Zellen sind Neutrophile, Lymphozyten, Makrophagen/Monozyten, Keratinozyten, Endothelzellen und Fibrozyten. Wichtige Botenstoffe sind unter anderem Interleukine, Wachstumsfaktoren wie Transforming Growth Factor (TGF)-α und -β, Connective tissue GF, Epidermal GF, Fibroblast GF, Platelet derived GF, Endothelial GF, Matrix Metalloproteasen (MMPs). Substanzen der Extrazellulären Matrix sind unter anderem Fibrin, Fibronektin, Hyaluron, Proteoglykane und Kollagen.
Hämostase und Inflammation
Die Phase der Hämostase und Inflammation beginnt Minuten bis Tage nach dem Trauma. Schnell zeigt die Haut klassische Entzündungszeichen: Rötung, Schwellung, Wärme, Dolenz und je nach Lokalisation functio laesa. Initial stehen nun Thrombozyten aufgrund freigesetzter Mediatoren wie Histamin, Serotonin und Katecholaminen zur Hämostase bereit. Thrombin, Fibrinogen und andere Substanzen bedingen die Thrombozytenaggregation und Fibrinverklumpung. Die Hämostase ist die erste Barriere gegen Mikroorganismen, die Grundlage für weitere Zelleinwanderung und -anheftung sowie für die Freisetzung weiterer Wachstumsfaktoren für die Wundheilung.
Die Phase der Inflammation ist gekennzeichnet von botenstoffvermittelter Einwanderung von Leukozyten, anschließend von Monozyten und Lymphozyten. Hier steht zunächst das Debridement des Wundbereichs über Elimination von Mikroorganismen, Phagozytose nekrotischen Materials und Freisetzung weiterer Botenstoffe im Fokus. Das Wundsekret setzt sich hier unter anderem aus Wundflüssigkeit und entsprechenden Abbauprodukten zusammen und es besteht eine erhöhte Anfälligkeit für Wundinfektionen. Monozyten erreichen den Wundbereich nach den Neutrophilen, transformieren zu Gewebemakrophagen und sind für das weitere Debridement, für die Freisetzung weiterer Botenstoffe zur Zellproliferation und -migration sowie für die Extrazelluläre Matrix zuständig. Die Phase der Inflammation endet so mit der Bildung von Granulationsgewebe der Extrazellulärmatrix.
Proliferation
In der Phase der Proliferation dominieren Fibroblasten, Keratinozyten und Endothelzellen; die Zahl der Neutrophilen und Makrophagen sinkt. Dabei setzen aktivierte Makrophagen zunächst vor allem Integrine zur Aktivierung weitere Botenstoffe, wie den Wachstumsfaktoren frei, um Aktivität von Fibroblasten- und Myofibroblasten (transformierte dermale Fibroblasten) zu initiieren und Verbindung mit der ersten Extrazellulärmatrix einzugehen.
Danach beginnt die Proteinsynthese (Kollagen, Elastin und Proteoglykane etc.) und parallel produzieren unter anderem die Fibroblasten Proteasen (MMPs) zum Abtransport minderwertiger Produkte. Initial wird Kollagen III gebildet, später wird es durch Kollagen I und VI ersetzt. Myofibroblasten bedingen die Wundkontraktion, die sich proportional zur Zellzahl und negativ proportional zur Kollagengitterkonzentration verhält. Keratinozyten sind für die Re-Epithelisierung verantwortlich.
Gewebeformation und Remodellierung
Bei oberflächlichen Wunden erfolgt die Migration von Haarfollikeln und Drüsen, bei tiefen Wunden bildet sich erst Granulationsgewebe und es kommt zur Sekundärheilung, wobei Lamellopoden (zur Wundheilung elongierte Keratinozyten) über das Granulationsgewebe zum Zentrum hinüberwachsen. Im Anschluss bildet sich darunter die neue Basalmembran aus Kollagen VI und die Keratinozyten wechseln wieder zu ihrer üblichen Kopfsteinpflasterstruktur. Endothelzellen sind in Verbindung mit Proteasen und Wachstumsfaktoren für die Angiogenese zuständig. Ein Zusammenspiel von Aktivatoren und Inhibitoren in Verbindung mit Botenstoffen bedingt die Bildung neuer Blutgefäße. Gesundes Granulationsgewebe erscheint hellrosa, leicht feucht und milde granuliert.
Die Phase der Remodellierung bildet abschließend das Narbengewebe. Vor allem TGF-β und MMPs bedingen Apoptose und Remodellierung von Kollagen III zu Kollagen I und VI. Bei tiefen Wunden werden keine adnexalen Strukturen gebildet und die Narbe besteht vorwiegend aus Kollagen I. Die endgültige Zugfestigkeit einer Narbe liegt bei 70 – 80% des normalen Gewebes.
Der Fallbericht
Eine Europäisch Kurzhaar Katze, geboren am 01.04.2020, männlich-kastriert und Freigänger, wurde im April 2023 zur weiteren Behandlung nach chirurgischer Versorgung einer Avulsion vorgestellt. Die Avulsion betrug etwa 3 Zentimeter Länge an der rechten Vordergliedmaße, des Weiteren bestanden Abrasionen an beiden Vordergliedmaßen jeweils an den dorsalen Karpalgelenken mit Verdacht auf Lähmung des Nervus radialis rechts sowie milden Abrasionen am Kinn.
Die Erstversorgung erfolgte in einer Klinik initial mit Wundauffrischung, Spülung und Adaptation mittels Transpositionslappen von palmar nach dorsal. Zu dem Zeitpunkt bestand eine milde Neutropenie. Zur Entlassung waren Amoxicillin/Clavulansäure und Meloxicam verordnet worden.
Klinische Untersuchung
Der Kater wurde in unserer Praxis einen Tag nach Entlassung aus der Klinik vorgestellt und zeigte nach Besitzerangaben zuhause ein reduziertes Allgemeinbefinden bei normaler Futter- und Tränkeaufnahme sowie normalem Urinabsatz; Kotabsatz war noch nicht erfolgt. Die allgemeine klinische Untersuchung ergab eine Herzfrequenz von 150 Schlägen/min und eine erhöhte Körperinnentemperatur von 39,8 °Celsius. Das Abdomen war weich und indolent, die Peristaltik vorhanden. Beide Vordergliedmaßen standen unter Verbänden.
Die dermatologische Untersuchung der Vordergliedmaßen und des Kinns ergab eine milde Exsudation der Nahtbereiche beidseits und krustige Läsionen. Palpatorisch war die Haut der rechten distalen, dorsalen Gliedmaße kühl und blass, die Pfote deutlich ödematös geschwollen, die Fäden in situ ([Abb. 1]). Die Haut der linken Gliedmaße war palpatorisch normotherm ohne Pfotenschwellung.
Laboruntersuchungen
Die Blutbildkontrolle zeigte eine deutliche Leukozytose. Zytologisch wurde eine neutrophile Entzündung mit hochgradiger bakterieller Infektion mit Kokken und Stäbchen an allen Läsionen festgestellt und eine bakteriologische Untersuchung mit Resistenztest wurde eingeleitet. In der Kontrolluntersuchung am Folgetag zeigte sich eine Demarkation an der rechten Vordergliedmaße mit massiver, entzündlich-ödematöser Schwellung von Gliedmaße und Pfote. Die linke Gliedmaße und das Kinn zeigten eine gute Heiltendenz.
Debridement
In der Folge wurde bei fortschreitender Demarkation an der rechten Vordergliedmaße ein chirurgisches Debridement mit Abtragung der nekrotischen Haut bis in vitales Gewebe vorgenommen. Dabei musste teils auch der dorsale Sehnenapparat der Pfote freigelegt werden ([Abb. 2]). Eine erneute chirurgische Versorgung mit Transpositionslappen war aufgrund der großflächigen und hochgradig infizierten, zirkulären Läsion an der rechten Vordergliedmaße ausgeschlossen. Es wurde die sekundäre Wundheilung angestrebt.
Da sich der Kater kooperativ zeigte, wurden – abgesehen vom Debridement – keine Narkosen bzw. Sedationen benötigt. Die bakteriologische Untersuchung ergab Enterococcus hirae, Escherichia coli und Proteus mirabilis, sensibel auf Fluorchinolone. Obwohl kein multiresistenter Problemkeim nachgewiesen wurde, erhielt der Patient Marbofloxacin per os zur Reduktion des Septikämierisikos.
Verlauf
Der Wundbereich wurde alle 2 – 3 Tage nach Wundreinigung mit steriler Ringer-Lösung/Polyhexanid und mit Kaltplasma (kINPen MED, Fa. Neoplas med) für je 30 Sekunden pro 10 Quadratzentimeter Wundfläche behandelt, gefolgt von Aquacel AG+ Extra-Verbänden (antimikrobielle silberhaltige Hydrofiberwundauflage) zur feuchten Wundheilung. Unter den Verbänden zeigte sich schnell Granulationsgewebe und sukzessive Abschwellung der Pfote, jedoch auch die Bildung eines Biofilms ([Abb. 3]).
Die Wundränder waren gekennzeichnet von beginnender Remodellierung und Re-Epithelisierung; der gesamte Wundbereich befand sich zu diesem Zeitpunkt in der proliferativen Phase, sodass nun die Intervalle auf zwei Behandlungen pro Woche verlängert wurden. Die fortschreitende Heilung zeigen die [Abb. 4], [5] und [6] in je 14-tägigem Abstand.
Im Heilungsverlauf konnte eine fortschreitende Re-Epithelisierung des Wundbereiches von den Rändern ausgehend festgestellt werden. Der Biofilm wurde regelmäßig vorsichtig abgetragen, Wundspülungen wurden vorgenommen und während der Therapie erfolgten regelmäßig zytologische Kontrollen auf Wundinfektion; das orale Antibiotikum konnte bei negativer Zytologie auf mikrobielle Infektion nach etwa 3 Wochen abgesetzt werden. Meloxicam wurde sukzessive in der Dosis reduziert und nach 4 Wochen abgesetzt.
Die Abschlusskontrolle ergab die vollständige Funktionsfähigkeit der Gliedmaße sowie des Nervus radialis und eine Heilung unter Narbenbildung ohne Kontraktionen ([Abb. 7]). Insgesamt wurde über 9 Wochen 19 × Kaltplasma angewendet, was aufgrund der großen Wundfläche angebracht war.
Störfaktoren der Wundheilung
Die Komplexität der Wundheilung bedingt ihre Anfälligkeit für Störungen. Größe, Alter, Lokalisation der Wunde und monetäre Aspekte seitens des Besitzers sind neben Infektionen, Medikamenten, metabolischen Erkrankungen, Ernährung und dem Einfluss von Strahlung die wichtigsten Faktoren, die eine Heilung beeinflussen können.
Bakterielle Wundinfektionen
Bakterielle Wundinfektionen verzögern aufgrund einer verlängerten inflammatorischen Phase mit proinflammatorischen Zytokinen die Wundheilung. Klinisch sind Schmerz, Erythem, Ödem und eitriges Exsudat vorhanden. Zytologisch sind zunächst bakterielle und/oder mykotische Kontamination, Kolonisation, kritische Kolonisation und in der Folge eines mindestens lokal verminderten Abwehrsystems intrazelluläre Bakterien als Zeichen einer Infektion nachweisbar. Mit zunehmender Virulenz oder Anzahl der Mikroorganismen und steigender Biofilmformation steigt das Risiko einer systemischen Infektion. Nach 3 – 6 Stunden kann die kritische Grenze von 105 koloniebildenden Einheiten je Gramm Gewebe erreicht sein.
Der initial unreife Biofilm besteht aus Mikroorganismen, der reife Biofilm aus Mikroorganismen, Polysacchariden, Glyko-/Proteinen und Glyko-/Lipiden etc. Dieser haftet fest auf der Wundfläche und gibt den Mikroorganismen aufgrund dreidimensionaler Konstruktion aus Proteinen und Polysacchariden Schutz vor angewendeter Medikation. Klinisch zeigt sich die Wunde mit erhöhter Exsudation bei fragiler, leicht blutender Hypergranulation ([Abb. 3] und [4]).
Merke
Staphylococcus pseudintermedius ist biofilmbildend und der häufigste Keim bei Wundinfektionen. Außerdem können gram-negative Stäbchen wie Pseudomonas spp. etc. beteiligt sein. Nahezu 90% der offen heilenden Wunden zeigen eine positive bakteriologische Kultur, davon 55% Multiresistenzen. Bei allen nicht heilenden Wunden muss Biofilm angenommen werden.
Medikamente, Krankheiten und Ernährung
Kortikosteroide, Chemotherapeutika, Immunsuppressiva und nichtsteroidale Antiphlogistika können die Wundheilung negativ beeinflussen. Bei Kortikosteroiden ist eine kurzfristige Gabe nicht von Nachteil, doch bei nicht zu vermeidender längerfristiger Gabe sollte Vitamin A substituiert werden, um die Kortikoideffekte auf die Wundheilung zu minimieren. Obgleich nichtsteroidale Antiphlogistika die Wundheilung zu verzögern scheinen, sollten sie dennoch zur Schmerz- und Entzündungshemmung routinemäßig eingesetzt werden. Endokrinopathien wie Diabetes mellitus, Hyperadrenokortizismus und Hypothyreose, aber auch akute und chronische Niereninsuffizienzen verzögern die Wundheilung.
Die Wundheilung benötigt Proteine, Fette und Kohlenhydrate. Mangelernährung und kataboler Stoffwechsel bei schlechter Futteraufnahme nach Trauma führen zu verzögerter Wundheilung. Als messbarer Parameter wird dazu das Serumprotein herangezogen: Werte unter 2 g/dl sind meist mit schlechter Wundheilung assoziiert. Elektrolyte, Mineralien wie Kupfer, Zink, Magnesium und Vitamine (Vitamin A) werden ebenfalls benötigt. Eine hochwertige Rekonvaleszentenkost sollte angeboten und gegebenenfalls per Ernährungssonde verabreicht werden.
Kompression, Nekrose und Strahlung
Über Knochenvorsprüngen muss eine Kompression der Wunde durch Abpolstern vermieden und über Gelenken sollten Schienen oder ähnliches angelegt werden, damit durch Bewegung keine verzögerte Wundheilung entsteht. Leckschutz ist immer unabdingbar, ein Verband nicht immer zwingend nötig. Bei sekundärer Wundheilung werden adäquate Wundauflagen aufgelegt. Bei dem Patienten wurde zunächst ein primärer Wundverschluss angestrebt. Der Verlauf zeigte jedoch schnell Nekrosen, die zirkulär die distale und mittlere Gliedmaße betrafen, sodass aufgrund der Lokalisation in Verbindung mit der mikrobiellen Infektion eine Sekundärheilung angestrebt werden musste.
Bestrahlungen können die Haut lokal irritieren und obwohl die moderne Strahlentherapie sehr genau den zu bestrahlenden Bereich unter Schonung des umliegenden Gewebes erfassen kann, verzögert Bestrahlung die Wundheilung.
Wundmanagement
Um eine optimale Heilung zu unterstützen, können unterschiedliche Medikamente und Verfahren eingesetzt werden. Im modernen Wundmanagement ist eine lokale Antibiose heute obsolet, da sie mit dem bakteriellen Metabolismus interferiert. Bei nachgewiesener Infektion sollte eine systemische Antibiose auf Basis der bakteriologischen Untersuchung mit Resistenztest erfolgen, auch wenn eine Antibiose bei zügiger Wundversorgung selten notwendig ist.
Antiseptika hingegen schädigen Bakterien direkt chemisch und können gut lokal angewendet werden – die aktuellen Empfehlungen für chronische infizierte Wunden sind derzeit Polyhexanid, Octenidin, hypochlorige Säure und bei tiefen Wunden Cadexomer ([Tab. 1]).
Tab. 1 Empfehlung zur Anwendung von Antiseptika in Bezug auf antimikrobielle Effekte, Biofilmaktivität und Gewebeverträglichkeit [1].
Antiseptika | antimikrobieller Effekt | Biofilmaktivität | Gewebeverträglichkeit | Empfehlungen, geeignet für: |
---|---|---|---|---|
Polyhexanide (PHMB) | exzellent | gut bis exzellent | exzellent | chronische/infizierte Wunden, 10 – 15 Minuten Einwirkzeit |
Chlorhexidin (CHx) (0,05%) | gut | befriedigend | schlecht | offene Wunden; nicht in chronischen Wunden anwenden, da cytotoxisch! Verzögerte Wundheilung in vitro |
Octenidin (OCT) | exzellent | gut | exzellent | oberflächliche chronische/infizierte Wunden, Pseudomonas aeurginosa, 1 Minute Einwirkzeit |
Hypochlorige Säure (HOCL) | exzellent | befriedigend | exzellent | Dekontamination sensibler Strukturen, schnelle Wundheilung |
Jod | tiefe, exsudative Wunden, Povidone nur kurzfristig anwenden! | |||
Povidone | gut | schlecht | befriedigend | |
Cadexomer | gut | exzellent | gut | |
Nanokristallines Silber | befriedigend | schlecht | befriedigend | keine prophylaktische Anwendung; Silbersulfadiazin nicht mehr empfohlen, frühe Anwendung, verzögert Epithelialisierung |
Medizinischer Honig | befriedigend | befriedigend | exzellent | nur in Kombination mit anderen antimikrobiellen Wirkstoffen; für Brandwunden, wirkt antiinflammatorisch, bedingt saures Wundmilieu; nicht bei kritisch infizierten Wunden |
In der Humanmedizin konnte im Vergleich von Polyhexanid, Octenidin, Cadexomer und nanokristallinem Silber gezeigt werden, dass nur Cadexomer-Jod eine vollständige Eradikation von Pseudomonas im Biofilm erreicht. An Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa wurde am Biofilmmodell eine bessere Wirkung von hypochloriger Säure im Vergleich zu Octenisept in Wundspüllösungen nachgewiesen.
Wundauflagen
Während früher die Auflagen lediglich Flüssigkeit absorbieren und die Wunde schützen sollten, präferiert man heute Wundauflagen zur Wundheilung unter feuchtem Milieu (moist wound healing model), teils mit antimikrobiellen Zusätzen. Die ideale Wundauflage ist nicht toxisch bzw. allergen, lässt sich schmerzfrei wieder ablösen, begünstigt ein feuchtes Wundmilieu zur Bildung gesunden Granulationsgewebes, fördert autolytisches Debridement und ist protektiv gegen Infektionen. Je nach Wundcharakteristik und Phasen der Wundheilung sollte die passende Auflage gewählt werden:
- Trockene Wunden führen zu verlängerter Wundheilung und müssen, außer in der letzten Phase der Wundheilung, in ein feuchtes Milieu zurückgeführt werden. Bis dies geschehen ist, wird trockene Gaze aufgelegt.
- Feuchte Wunden werden mit semi-okklusiven aktiven oder bioaktiven Auflagen, teils mit Gewebezusätzen, versorgt.
- Nasse Wunden sollten in ein feuchtes Milieu zurückgeführt werden; selten werden okklusive Auflagen aufgebracht.
Die Grundsätze der Wundtherapie mittels Debridements sind Voraussetzung für das Auflegen von Wundauflagen. Wundauflagen werden in aktive (interaktive), biologische (bioaktive), gewebehaltige und andere medizinische Auflagen, beispielsweise nanokristallines Silber oder negative pressure wound therapy (NPWT) eingeteilt.
Aktive Wundauflagen
Aktive Wundauflagen sind in der Regel mit antimikrobiellen Substanzen versehen, mehrschichtig aufgebaut und semi-okklusiv ([Tab. 2]). Die Sauerstoffversorgung der Wunde ist gewährleistet bei gleichzeitiger Feuchtigkeitsregulation. Sie werden etwa alle 2 – 5 Tage gewechselt und es muss zusätzlich ein sekundärer Verband angelegt werden. Bei dem hier vorgestellten Patienten wurde nach Wundreinigung und chirurgischem Debridement eine Aquacel AG+ Extra Wundauflage, ein Hydrofiber mit Tensiden, EDTA und ionischem Silber gewählt. Aquacel AG+ Extra wurde klinisch an 111 Patienten als sicher und effektiv für das Management verschiedenster Wunden getestet.
Tab. 2 Beispiele, Anwendungsgebiete und Kontraindikationen für aktive Wundauflagen.
Material | Anwendung | Kontraindikation |
---|---|---|
Polyurethan | bei milder bis mäßiger Exsudation ohne Infektion in allen Phasen der Wundheilung zur Re-epithelisierung | trockene Wunden, milde Exsudation, nekrotisches Gewebe |
Hydrogele | bei trockenen und nekrotischen Wunden; auf Knochenvorsprüngen oder Sehnen, zur Rehydration | starke Exsudation |
Hydrokolloide/Hydrofiber | bei milder bis mäßiger Exsudation und Biofilm; fördert Feuchtigkeitsbalance, Angiogenese und Formation des Granulationsgewebes; für frühe bis mittlere Wundheilungsphasen, bevor exzessives Granulationsgewebe gebildet wird | exzessives Granulationsgewebe |
Alginate | bei mäßig bis stark exsudativen Wunden, Kavitäten, Verbrennungen, nach Debridement in früher bis mittlerer Wundheilungsphase; fördert Granulationsgewebe/und Re-epithelisierung | kontraindiziert in trockenen, nekrotischen Wunden, über Knochenvorsprüngen oder Sehnen und blutenden oder exponierten Blutgefäßen |
Biologische Wundauflagen, Gewebe und NPWT
Biologische Wundauflagen bestehen aus Kollagen, Gelatine, Hyaluronsäure, Chitosan, Wachstumsfaktoren, Boratglasfasern, Dünndarmsubmukosa, autologes thrombozytenreiches Plasma sowie aus deren Kombinationen.
Wundauflagen mit Gewebe aus Haut und Fischhauttransplantaten kommen bei speziellen Fällen nicht heilender Wunden in entsprechenden Kliniken zum Einsatz.
Bei der NWPT (negative pressure wound therapy) wird nach Auflagen eines silberhaltigen Polyurethanschaumes und okklusivem Verschluss mittels Vakuumpumpe ein Unterdruck von − 75 mmHg bis − 125 mmHg erzeugt. Dieser sorgt für gleichmäßigen Abzug von Flüssigkeit bei gleichzeitiger Optimierung von Durchblutung und Sauerstoffgehalt. Damit wird schneller Granulationsgewebe gebildet und so die Wundheilung verkürzt.
Kaltplasmatherapie
Plasma wird als vierter, durch Energiezufuhr besonders angeregter Aggregatzustand bezeichnet. UV-Strahlung, reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies, elektromagnetische Felder und eine kurzfristige Temperaturerhöhung bedingen die Wirkung dieser physikalischen Therapieform. Auf Grundlage der Plasmaquelle unterscheidet man thermische und nicht-thermische Plasmaquellen, von denen die nicht-thermischen mit kalten Plasmen im Bereich der Raumtemperatur Anwendung in Human- und Veterinärmedizin finden.
Ein Plasmajet, wie der im vorgestellten Fall eingesetzte kINPen MED (Fa. Neoplas med), erzeugt ein Plasmaeffluent, welches die reaktiven Komponenten, vor allem reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und reaktive Stickstoffspezies (RNS) an Umgebungsluft und zu behandelndes Gewebe/Material abgibt. Antibakterielle, antiparasitäre, antivirale, antifungizide und wundheilungsfördernde Eigenschaften über anti- und proinflammatorische Effekte des Kaltplasmas sind bekannt. Es gibt keine Resistenzen gegen die wirksamen Bestandteile des Plasmas und es liegen bereits Ergebnisse in der Behandlung multiresistenter Bakterien vor.
Reduktion des Biofilms
Auch die Reduktion von Biofilmen steht bei der Kaltplasmabehandlung im Fokus. Die Ergebnisse sind aktuell noch divergierend – so zeigt sich in verschiedenen In-vitro-Studien eine deutliche Reduktion bakterieller Biofilme durch Deaktivierung basal liegender Bakterien nach Plasmaanwendungen. In der Humanmedizin liegen Untersuchungen vor, dass ein chirurgisches Debridement Voraussetzung für eine optimale antimikrobielle Wirkung bei 120 Sekunden Einwirkdauer ist. Diese Einwirkdauer schädigt allerdings auch humane Hautzellen. In der Veterinärmedizin hat sich Kaltplasma als nicht zytotoxisch, wundheilungsfördernd und geeignet für die onkologische Therapie gezeigt. Ferner bestehen Optionen in Hygieneanwendungen wie Sterilisation, Dekontamination von Medizinprodukten, Lebensmitteln etc., wie auch bei Implantaten oder Impfstoffherstellung.
Der bei dem Patienten eingesetzte kinPen MED erzeugt einen milden Kaltplasmastrom. Dieser wird 30 Sekunden lang auf je etwa 5 – 10 Quadratzentimeter Wundfläche angewendet. Der Plasmastrom ist nicht schmerzhaft und wird gut toleriert. Aufgrund des Stroms eignet sich Kaltplasma auch sehr gut zur Therapie von Otitiden, sowohl der Otitis externa als auch der Otitis media und wird von der Autorin regelmäßig bei Ohrspülungen eingesetzt.
Fazit
Der Fallbericht zeigt, wie bei einem vierjährigen Kater mit Wundheilungsstörungen nach chirurgischem Debridement und unter systemischer antibiotischer Abdeckung mit wiederholten Anwendungen von Kaltplasma und antimikrobiellen silberhaltigen Hydrofiber-Wundverbänden eine Heilung innerhalb von neun Wochen erreicht werden konnte. Somit ist die unterstützende Behandlung mit Kaltplasma eine wichtige Option bei der Behandlung von Wundheilungsstörungen.
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Bouassiba, C.; Hildebrandt, L."Therapie chronischer Wunden mit Unterstützung durch Kaltplasma – ein Fallbericht" veterinär spiegel 2023; 33(04): 155-163 DOI: 10.1055/a-2160-6508
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