Das Ziel des weltweiten jährlichen Aktionstages ist es über die Volkskrankheit Bluthochdruck bei Menschen aufzuklären und die frühzeitige Therapie in den Vordergrund zu stellen. So leiden allein in Deutschland rund 35 Millionen Menschen an Bluthochdruck, von denen jährlich viele an einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall sterben. Doch nicht nur bei Menschen ist die Erkrankung weitverbreitet und von großer Bedeutung, sondern auch bei Katzen. Bluthochdruck oder Hypertonie im Allgemeinen wird dabei als eine persistierende Erhöhung des systolischen Blutdrucks definiert. Die Richtlinien des Hypertension Consensus Panel des American College of Veterinary Internal Medicine (ACVIM) definieren den Schwellenwert als systolischen Blutdruck von 150 mmHg. Liegt der Blutdruck darüber, besteht das Risiko einer Entstehung von Endorganschäden. Der Blutdruck steigt mit dem Alter, ist bei Katzen ab einem Alter von 11 Jahren höher als bei jüngeren Tieren und wird in verschiedene Risikoklassen eingeteilt.
Pathophysiologie und der Zusammenhang mit anderen Krankheiten
Man unterscheidet drei Kategorien der Hypertonie: „Weißkittelhypertonie“, idiopathische (primäre) Hypertonie und sekundäre Hypertonie.
Als „Weißkittelhypertonie“ oder auch White-Coat-Effekt wird ein physiologischer Anstieg des Blutdrucks als Folge von Angst oder Aufregung in der Praxis bezeichnet. Hier ist es wichtig, dass man bei der Blutdruckmessung ruhig und entspannt vorgeht. Die Messung sollte in einem stillen, geschlossenen Raum stattfinden und die Katze sollte 5 – 10 min Zeit bekommen, um sich zu akklimatisieren, bevor man mit den Messungen beginnt.
Von einer idiopathischen oder primären Hypertonie spricht man, wenn keine zugrunde liegende Erkrankung als Ursache des Bluthochdrucks gefunden werden kann. Eine Studie fand heraus, dass etwa 20% aller hypertonen Katzen eine idiopathische Hypertonie aufwiesen.
Eine sekundäre Hypertonie liegt vor, wenn eine kausal zugrunde liegende Erkrankung gefunden werden kann. Primärerkrankungen, die am häufigsten mit Bluthochdruck einhergehen, sind chronische Nierenerkrankungen (CNE) und Hyperthyreose. Weitere potenzielle Ursachen sind primärer Hyperaldosteronismus, Diabetes mellitus und akute Nierenerkrankungen. Des Weiteren kann eine sekundäre Hypertonie auch die Folge einer Behandlung mit Medikamenten wie Glukokortikoiden oder Erythropoetin sein.
Chronische Nierenerkrankung
Eine CNE ist die am häufigsten beobachtete Krankheit, die mit Hypertonie bei der Katze einhergeht. Bei bis zu 74% aller Katzen mit Hypertonie wurde eine Azotämie festgestellt. Das Ausmaß der Hypertonie scheint jedoch nicht mit der Schwere der CNE zu korrelieren. Es gibt noch wenige Informationen darüber, ob Bluthochdruck bei Katzen Nierenschäden induziert oder ob es sich umgekehrt verhält und eine systemische Hypertonie die Folge einer eingeschränkten Nierenfunktion ist. Die Niere ist der wichtigste Langzeitregulator des systemischen arteriellen Blutdrucks. Das starke Ansprechen von Katzen mit CNE-assoziierter Hypertonie auf Amlodipin deutet darauf hin, dass ein erhöhter Gefäßtonus von besonderer Bedeutung sein könnte.
Hyperthyreose
Bei Katzen mit Schilddrüsenüberfunktion ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in 10% der Fälle auch eine begleitende Hypertonie festgestellt worden und 23% aller initial normotonen Katzen entwickeln eine Hypertonie nach erfolgreicher Einstellung der Hyperthyreose. Über pathophysiologische Mechanismen bei der Entstehung einer Hypertonie bei Katzen mit einer Schilddrüsenüberfunktion weiß man bislang nur sehr wenig. Studien bei anderen Spezies deuten darauf hin, dass die kardiale Sensitivität gegenüber Katecholaminen bei Hyperthyreose erhöht sein kann. Auch sind direkte Auswirkungen von Schilddrüsenhormonen auf Herzmuskelzellen denkbar.
Endorgane und deren Risiko
Bluthochdruck schädigt aber vor allem auch Gewebe mit hoher arterieller Versorgung. Dazu gehören die Augen und das Gehirn, als die häufigsten befallenen Endorgane. Die Niere hingegen gilt meist als die häufigste Ursache der Hypertonie bei Katzen, zählt aber genauso wie das Herz auch zu den wichtigen potenziellen Endorganen aufgrund deren starker Durchblutung.
Risikoklasse | systolischer Blutdruck | Risiko für Endorganschäden |
I | < 150 | minimal |
II | 150 - 159 | gering |
III | 160 - 179 | mittel |
IV
| > 180
| hoch
|
Augen
Okuläre Endorganschäden bei Katzen mit Hypertonie treten bei ca. 50% dieser Tiere auf. In der Praxis werden solche Tiere meist wegen plötzlicher Erblindung und bilateraler Mydriasis vorgestellt. Durch den Verlust der Autoregulation und der Aufrechterhaltung eines konstanten Blutflusses in den Netzhautgefäßen führt Bluthochdruck zu einer ischämischen Wandschädigung in präkapillaren Arteriolen. Es treten partielle oder vollständige Netzhautablösungen auf, Netzhautödeme oder intraretinale Blutungen, in deren Folge die Blutungen bis in die vordere Augenkammer gehen können. Die Blutungen können sekundär auch zur Ausbildung eines Glaukoms führen. Betroffene Tiere leiden unter einem eingeschränkten Sehvermögen oder erblinden oft plötzlich. Die entstandenen Schäden sind in den meisten Fällen trotz einer erfolgreichen Therapie zur Blutdrucksenkung irreversibel.
Gehirn
Bei Bluthochdruck verliert auch das zentrale Nervensystem (ZNS) seine Fähigkeit zur Autoregulation. Es kommt zum Zusammenbruch der Blut-Hirn-Schranke als Folge der Überdehnung der zerebralen Gefäße. Dies führt zu einem Austritt von Plasmaproteinen in den extrazellulären Raum und zur Ausbildung interstitieller und zerebraler Ödeme. Symptome dieser sogenannten hypertensiven Enzephalopathie sind Ataxie, Lethargie, Orientierungsstörungen, Krampfanfälle, Paralyse/Parese, Koma und Erblindung.
Niere und Herz
Eine unbehandelte Hypertonie stellt meist einen Risikofaktor für eine Proteinurie der Niere dar. Diese Proteinurie wiederum ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Azotämie und weiterführender Nierenveränderungen bis hin zur chronischen Niereninsuffizienz. Hinzu kommt, dass der erhöhte systemische Gefäßwiderstand bei Hypertonie zu einer erhöhten Belastung der Wand des linken Ventrikels und dadurch zu einer konzentrischen linksventrikulären Hypertrophie des Herzens führen kann. Die hypertrophe Kardiomyopathie ist dabei die häufigste Herzerkrankung der Katze und als Ursache hierfür sollte immer eine Hypertonie als wichtige Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden. Bei 74% aller hypertonen Katzen ist dieses Phänomen zu beobachten.
Check-Up für Senioren
Folgende regelmäßige Checks sind für Katzen ab ca. 7 Jahren sinnvoll:
- Blutdruckmessung (7-10 Jahre: alle 12 Monate; ab 11 Jahren: alle 6-12 Monate; Risikotiere: alle 3-6 Monate)
- Harnanalysen (v.a. mit Fokus auf Proteinurie)
- Messung der Kreatininkonzentration (in Hinblick auf die Nierenfunktion)
Blutdruckmessung – Was muss beachtet werden?
In der Tiermedizin werden standardmäßig indirekte, nicht-invasive Methoden zur Messung des Blutdrucks verwendet. Dazu gehören die Oszillometrie, die Dopplersonografie und die High Definition Oszillometrie (HDO). Die klassische oszillometrische Messmethode zeigt dabei im Vergleich zum Doppler eine schlechtere Vergleichbarkeit der Werte, hingegen die neuere Methode der HDO zu verlässlicheren Werten führt.
Zudem ist es für eine erfolgreiche Messung wichtig, dass ein genaues standardisiertes Vorgehen eingehalten wird und der Untersucher geübt ist. Bei der Durchführung der Blutdruckmessung sollte dann vor allem, um den „Weißkitteleffekt“ zu minimieren, ruhig und entspannt vorgegangen werden. Die Katzen sollten am besten 5 – 10 min Eingewöhnungszeit in Anwesenheit der Besitzer bekommen, bevor man mit dem Messen loslegt. Auch sollten vor der Blutdruckmessung keine anderen Untersuchungen vorgenommen werden, um unnötiges Stressen der Tiere zu vermeiden.
Wie geht es richtig?
Gemessen werden kann an der Vordergliedmaße (A. digitalis palmaris communis) direkt distal des Handballens, an der Hintergliedmaße (A. plantaris mediana) oder an der Schwanzwurzel (A. coccygea mediana). Es ist absolut essenziell, dass bei ein und demselben Tier im Zuge von Kontrolluntersuchungen immer an derselben Stelle gemessen wird, um die Vergleichbarkeit der Werte zu gewährleisten. Dafür sollten Standardformulare eingesetzt und die Werte in der Patientenkartei dokumentiert werden.
Die Wahl der Manschettengröße hat ebenfalls Einfluss auf den systolischen Blutdruck, da eine zu kleine Manschette zu falsch hohen Werten führen kann und eine zu große Manschette zu falsch niedrigen Werten. Die Breite des aufblasbaren Teils der Manschette sollte deshalb 30 – 40% des Umfangs der Messstelle betragen. Zudem sollte die Manschette rutschfest und nicht komprimierend sitzen.
Die Messung mit dem Doppler
Die Dopplersonografie erfolgt mithilfe von Manschetten, die den Blutfluss unterbrechen. Dabei wird der Blutfluss bei der Katze mithilfe eines Ultraschallsensors, gekoppelt an einen Verstärker und Lautsprecher, gemessen. Die Katze befindet sich während der Messung in aufrecht sitzender oder sternaler Position. Wenn die passende Manschette angelegt ist, wird das Fell an der Messstelle befeuchtet, gescheitelt und Ultraschallgel aufgetragen. Die Dopplersonde wird ebenfalls mit Gel benetzt und längs zum Blutgefäß und distal der Manschette angelegt, wobei der Messpunkt grundsätzlich auf Herzhöhe sein sollte. Der Manschettendruck wird nun 20 – 40 mmHg über jenen Wert erhöht, ab dem kein akustisches Signal mehr wahrnehmbar ist. Während des langsamen Ablassens der Luft in der Manschette wird auf das Wiedereinsetzen des akustisch hörbaren Blutflusses geachtet, dieser Punkt stellt den systolischen Blutdruck dar. Die erste Messung wird immer verworfen, da das Tier sich erst an das Aufblasen der Manschette gewöhnen muss. Es sollten daher 5 – 7 aussagekräftige Messungen durchgeführt werden, woraus dann ein Mittelwert gebildet wird.
Fazit
Schlussendlich ist die Notwendigkeit einer besonderen Wachsamkeit auf den Blutdruck vor allem bei geriatrischen Katzen erkennbar. Empfehlenswert ist hierfür in jedem Fall eine regelmäßige klinische Untersuchung inklusive Augenhintergrunduntersuchung und Blutdruckmessung. Bei Katzen ab 7 Jahren sollte solch eine Untersuchung mindestens einmal im Jahr im Zuge der jährlichen Auffrischungsimpfungen, bei Katzen über 11 Jahren am besten zweimal jährlich erfolgen. Je früher die Krankheit erkannt und demnach behandelt wird, umso effektiver können Folgeschäden vermieden werden.
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