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Der einzige zuverlässige Schutz vor Myxomatose und RHD 1 und 2 ist eine Impfung.
Kaninchen in Außen- und Innenhaltung benötigen einen lückenlosen Impfschutz, um zuverlässig gegen die Infektionskrankheiten RHD 1 und 2 und Myxomatose geschützt zu sein.
Myxomatose und RHD, was steckt dahinter?
Bei Myxomatose und Rabbit Haemorrhagic Disease (RHD) stellt die Vektorübertragung neben dem direkten Kontakt mit infizierten Tieren einen wichtigen Übertragungsweg dar. Hierbei spielen Vektoren wie Insekten (z. B. Stechmücken, Flöhe und Raubmilben), Säugetiere und Vögel eine Rolle. Bedingt durch den Lebenszyklus der Insekten kommt es meist zu einem Höhepunkt des Krankheitsgeschehens in den Sommermonaten, der bis zum Winter wieder abflaut.
Von ebenfalls hoher Relevanz bei der Übertragung sind unbelebte Vektoren: Über kontaminiertes Futter (z. B. Wildpflanzen, zu denen infizierte Wildkaninchen Kontakt hatten), kontaminierte Einstreu, Exkrete infizierter Tiere oder die Kleidung und Hände von Personen, kann eine Virusübertragung stattfinden [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7]. [Tab. 1] gibt eine Übersicht zu Ätiologie, Inkubationszeit, dem klinischen Bild und den Möglichkeiten der Diagnosestellung für beide Erkrankungen.
Krankheit | Ätiologie | Inkubationszeit | Klinik | Diagnose |
---|---|---|---|---|
RHD (Rabbit haemorrhagic Disease) | Lagovirus Caliciviren, klassisches RHD mit 2 Virusstämmen RHDV und RHDVa, zusätzlich RHDV2 als „neue Virusvariante“ | 1-3 Tage | i. d. R. Exitus innerhalb von 12 – 36 h nach dem ersten Auftreten einer Hyperthermie (> 40 °C), perakute Form: perakutes Versterben, akute Form: Apathie, Anorexie, Schwellungen der Konjunktiven, neurologische Symptome, respiratorische Symptome, subakute Form: Symptome ähnlich der akuten Form, aber milder, chronische Form: selten, Lethargie, Anorexie, Apathie, Ikterus, Tod nach 1 – 2 Wochen | histopathologische Untersuchung des Tierkörpers: akute Hepatitis, Nekrosen in Leber, Lymphknoten und Darm, disseminierte intravasale Koagulopathie, Petechien in Schleimhäuten des Respirationstraktes, Darm- und Harnorganen, Splenomegalie, Schwellung der Nieren, Virusnachweis in den Hepatozyten, Virämiephase: Virusnachweis im Blut |
Myxomatose | Leporipoxvirus myxomatosis | 4-9 Tage | ödematöse Form: teigige Schwellungen im Bereich der Haut-Schleimhautübergänge, der Anogenitalregion und des Kopfes (Myxödeme), Schluck- und Atembeschwerden bei Beteiligung des Kehlgangsbereichs, bakterielle Sekundärinfektion, Apathie und Inappetenz, Tod nach 1 – 2-wöchigem Siechtum, knotige Form: meist mildere Formen, pockenartige Knoten in Haut und Unterhaut im Bereich des Stamms und der Gliedmaßen | pathognomonische Veränderungen und fehlender Impfschutz direkter Virusnachweis |
Myxomatose- und RHD-Infektionen zeichnen sich durch eine hohe Morbidität und Mortalität aus. Generell ist daher für beide Erkrankungen keine Therapie empfohlen. In Einzelfällen oder bei milden Verläufen kann ein Therapieversuch gestartet werden, wenn das Allgemeinbefinden des Patienten diesen rechtfertigt. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf einer symptomatischen Therapie mit Analgetika, Antibiotika gegen mögliche Sekundärinfektionen und gegebenenfalls einer Handfütterung bei Inappetenz und der Gabe von Paramunitätsinducern.
Vor allem bei RHD ist eine symptomatische Therapie aufgrund des häufig perakuten Verlaufs meist nicht möglich.
Myxomatose und RHD, welche Prophylaxemaßnahmen sind möglich?
Impfung
Den einzigen Schutz gegen Myxomatose und RHD bietet eine Impfung. In Deutschland sind derzeit verschiedene Einzel- oder Kombinationsimpfstoffe zugelassen.
Gegen Myxomatose kommen vor allem homologe Lebendimpfstoffe auf der Basis von attenuierten Stämmen zur aktiven Immunisierung zum Einsatz. In der Regel erfolgt die Grundimmunisierung ab der 4. bis 6. Lebenswoche. In Abhängigkeit vom verwendeten Impfstoff kann eine Wiederholungsimpfung nach 4 Wochen erforderlich sein. Je nach Impfstoff erfolgen regelmäßige Wiederholungsimpfungen nach 6 Monaten (in Endemiegebieten gegebenenfalls eher) [10].
Bei der Impfung gegen RHD ist darauf zu achten, dass ein Impfschutz gegen die klassische RHD und gegen RHDV-2 besteht. Einige herkömmliche monovalente Vollantigen-Impfstoffe vermitteln einen partiellen Kreuzschutz gegen RHD. Da diese jedoch lediglich einen Teilschutz nach wiederholter Impfung erzielen, sollten sie zum Schutz vor RHDV-2 keine Anwendung mehr finden [10].
Gegen RHDV-2 sind 3 Impfstoffe zugelassen:
- Ein monovalenter RHDV-2-Impfstoff (Eravac, Hipra) kann ab einem Alter von 30 Tagen angewendet werden und bietet eine Schutzimpfung für 12 Monate [10].
- Ein Impfstoff enthält sowohl die klassische RHD- als auch eine RHDV-2-Komponente (Filavac VHD K C+V, Ecuphar). Er kann erstmalig mit 10 Lebenswochen geimpft werden und vermittelt einen 12-monatigen Schutz [10].
- Ein Myxomatose-Vektor-Impfstoff, der einen Dreifachschutz gegen Myxomatose, RHD und RHDV2 in einer Injektion bietet (Myxo-RHD Plus, MSD). Die erste Impfung wird mit 7 (5) Wochen empfohlen und bietet 3 Wochen nach der Applikation einen 12-monatigen Schutz.
Bei einer Umstellung der bisherigen Impfung auf den Dreifachimpfstoff kann es bei RHDV2-ungeimpften Tieren in Ausnahmefällen zu einer Vektorinterferenz kommen, die die RHDV2-Immunität senkt. Ab der ersten Wiederholungsimpfung (i. d.R. nach 12 Monaten) besteht diese Gefahr nicht mehr [11]. Möglichkeiten für eine Umstellung des bisherigen Impfregimes stehen in [Tab. 2].
Bisheriger Impfstatus | Wechsel auf Dreifachimpfstoff | Impfschutz gegen Myxomatose, RHD und RHDV2 |
---|---|---|
ungeimpft | Impfung mit Myxo RHD Plus | gegeben |
Myxomatose, RHD und RHDV2 | Impfung mit Myxo RHD Plus | gegeben |
RHD und RHDV2 KEIN Impfschutz gegen Myxomatose | Impfung mit Myxo RHD Plus | gegeben |
Myxomatose/Myxomatose und RHD KEIN Impfschutz gegen RHDV2 | Impfung mit Myxo RHD Plus | Vektorinterferenz und damit Senkung der Immunität gegen RHDV2 möglich: um bei RHDV2-ungeimpften Tieren einen vollständigen Impfschutz herzustellen: einige Wochen vor der Umstellung auf den Dreifachimpfstoff einmalig mit einem separaten RHDV-2-Impfstoff impfen (die Impfung mit dem MyxoRHD-Plus-Impfstoff sollte erfolgen, wenn der Impfschutz des separaten RHDV2-Impfstoffs gegeben ist) |
Um einen ausreichenden Impfschutz zu gewährleisten, sollten nur gesunde Tiere geimpft werden.
Weitere Maßnahmen
Neben der essenziellen Impfung können folgende vorbeugende Maßnahmen gegen RHD und Myxomatose eingesetzt werden:
- Parasitenprophylaxe (Kotuntersuchung im Vorfeld der Impfung empfohlen)
- Abwehr stechender Insekten
- kein Grünfutter kontaminierter Wiesen verfüttern
- Kontakt zu Wildkaninchen meiden
Fazit
Ein lückenloser Impfschutz ist für Kaninchen in Innen- und Außenhaltung der einzige zuverlässige Schutz gegen die fatalen Infektionskrankheiten Myxomatose und RHD 1/2. Neben Einzel- und Kombinationsimpfstoffen existiert ein Myxomatose-Vektor-Impfstoff, der einen Dreifachschutz gegen Myxomatose, RHD und RHDV2 bietet.
Der Originalartikel zum Nachlesen:
Impfungen beim Kaninchen – Was gibt es Neues?. kleintier konkret 2020; 23(S 02): 12-14 DOI: 10.1055/a-1198-4006
(JD)
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- Müller K, Schall H. Kaninchen. In: Fehr M, Sassenburg L, Zwart P. Hrsg. Krankheiten der Heimtiere. 8Hannover: Schlütersche; 2015: 1-57
- Fenner F, Fantani B. Biological Control of Vertebrate Psts. The History of Myxomatosis-An Experiment in Evolution. CABI Publishing; 1999
- Ewringmann A. Leitsymptome beim Kaninchen. Stuttgart: Enke; 2016
- Gregg DA, House C, Meyer Rm Berninger M. Viral hemorrhagic disease of rabbits in Mexico: epidemiology and viral characterization. Rev Sci Tech 1991; 10: 435-451
- Gelmetti D, Grieco V, Rossi C, Capucci L, Lavazza A. Detection of rabbit hemorrhagic disease virus (RHDV) by in situ hybridization with a digoxigenin labelled RNA probe. J Virol Methods 1998; 72: 219-226
- Kimura T, Mitsui I, Okada Y, Furuya T, Ochiai K, Umemura T, Itakura C. Distribution of rabbit hemorrhagic disease virus RNA in experimentally infected rabbits. J Comp Pathol 2001; 124: 134-141
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- Leitlinien zur Impfung von Kleintieren StiKo Vet am FLI, 4. Auflage, Stand 01.02.2019.
- Frederik Mager, Intervet Deutschland GmbH, MSD Tiergesundheit. 2020 persönliche Mitteilung