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Die Darmmikrobiota kann unter anderem durch eine gezielte Futterauswahl entscheidend beeinflusst werden.
Was ist die Aufgabe der intestinalen Mikrobiota?
Der Gastrointestinaltrakt (GI) ist ein Hauptansiedlungsort für eine Vielzahl von Bakterien bei Säugern. Von relativ keimarmen Zonen, wie dem Magen und Doudenum, steigt die Bakteriendichte entlang des Dünndarms bis hin zum Dickdarm an.
Diese Bakterien, die unter dem Begriff Darmmikrobiota zusammengefasst werden, pflegen eine symbiotische Beziehung zu ihrem Wirt und spielen eine entscheidende Rolle für dessen Gesundheit, indem sie Stoffwechsel- und Immunregulationsprozesse unterstützen.
Eine zentrale Aufgabe der Darmmikrobiota ist die Kolonisationsresistenz. Dies bedeutet, dass die kommensalen (nicht schädlichen) Bakterien eine mikrobielle Barriere bilden, die es pathogenen Mikroben erschwert, sich anzusiedeln und zu vermehren. Diese Barrierefunktion ist essenziell für die Aufrechterhaltung eines gesunden Darmmilieus.
Unterstützung für Verdauung und Immunsystem
Eine weitere wichtige Funktion der Darmflora ist die Unterstützung bei der Nährstoffversorgung. Die Mikroorganismen zersetzen schwer verdauliche Kohlenhydrate, wobei u. a. kurzkettige Fettsäuren entstehen. Diese dienen nicht nur als Energiequelle für die Zellen des Dickdarms, sondern fördern auch die Darmbeweglichkeit und die Durchblutung, was für eine effiziente Nährstoffresorption unerlässlich ist. Darüber hinaus unterstützen sie die Gesundheit und Integrität der Darmschleimhaut, indem sie den pH-Wert im Darm senken und das Wachstum schädlicher Bakterien hemmen. Sie besitzen zudem entzündungshemmende Eigenschaften und tragen bei zahlreichen Regulierungsprozessen, z. B. dem Glukosehaushalt, bei.
Des Weiteren trainiert die Darmmikrobiota ständig das darmassoziierte Immunsystem. Somit wird die immunologische Abwehr gestärkt und die Produktion von antimikrobiellen Peptiden, wie β-Defensinen und Immunglobulinen (sIgA), die direkt vor pathogenen Erregern schützen, aktiviert.
Was ist eine Dysbiose?
Die Dysbiose ist ein Zustand, bei dem das natürliche Gleichgewicht der Mikroorganismen in Regionen wie der Haut, den Schleimhäuten des Respirations- oder Urogenitaltrakts und im Darm gestört ist. Diese Störung kann zu einer Verringerung der natürlichen Schutzfunktionen des betroffenen Bereichs führen. Im Darm beispielsweise kann eine Dysbiose die Schutzbarriere schwächen, die normalerweise durch eine gesunde Darmflora, die Darmepithelzellen und ein effizientes darmassoziiertes Immunsystem gebildet wird. Die Konsequenzen sind oft eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit pathogenen Keimen wie Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten sowie eine erhöhte Durchlässigkeit der Schleimhäute ([Abb. 1]).

Abb. 1 - Schematische Darstellung der Epithelzellen in der Darmschleimhaut mit der darüberliegenden Schicht aus Mikrobiota. Intakte Darmbarriere (links) und eine durch Pathogene gestörte, beschädigte und durchlässige Darmbarriere (rechts).
Dysbiosen können durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden, darunter intra- und extraintestinale Erkrankungen, der Einsatz von Antibiotika oder Fehler in der Fütterung. Forschungen zeigen auch, dass Dysbiosen mit einer großen Reihe von Problemen in Verbindung stehen können. Dazu zählen gastrointestinale Beschwerden wie chronischer Durchfall und chronische Enteropathien, Futtermittelunverträglichkeiten, anhaltender Gewichtsverlust und abdominale Schmerzen. Auch Haut- und Fellprobleme sowie Stoffwechselstörungen wie Diabetes oder Verhaltensauffälligkeiten bei Tieren, wie erhöhte Aggressivität, können ebenfalls durch Dysbalancen im Darmmikrobiom beeinflusst werden.
Wie und wozu werden Darmdysbiosen analysiert?
Eine Analyse kann ein probates Hilfsmittel sein, um Störungen im Gleichgewicht der Darmmikrobiota (Dysbiosen) zu identifizieren. Dabei werden auf der Basis von molekularbiologischen Techniken spezielle Markerkeime untersucht, die als Indikatoren für den dysbiotischen Zustand des Darms dienen. Diese Untersuchung kann direkt aus dem Nativpräparat (Kot) erfolgen. Die Methode ist besonders effektiv, da sie auch nicht-kultivierbare, anaerob lebende Bakterien erfasst, die den Großteil der Darmflora ausmachen. Sie zielt darauf ab, funktionelle Bakterienspezies und -gruppen zu identifizieren, was einen weiteren Einblick in die Darmgesundheit ermöglicht.
Weiterhin spielt die sorgfältige Untersuchung der Darmmikrobiota eine wichtige Rolle bei der Einschätzung des potenziellen Erfolges einer Kottransplantation (s. u.). Dieses Verfahren wird immer häufiger eingesetzt, um die Darmflora zu regenerieren und die Gesundheit des Tieres zu verbessern. Die genaue Analyse hilft nicht nur dabei, die Erfolgsaussichten einer solchen Transplantation zu prognostizieren, sondern ist auch entscheidend bei der Auswahl eines passenden Kotspenders. Ein geeigneter Spender muss eine gesunde und ausgewogene Darmflora aufweisen, die den Bedürfnissen des Empfängers entspricht und die besten Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung bietet.
Info
Um die Gesundheit und das Wohlergehen eines Tieres zu verbessern und langfristige Komplikationen zu vermeiden, ist es entscheidend, mögliche Symptome einer Dysbiose zu erkennen und vermeintliche Auslöser sowie präventive Maßnahmen zu finden.
Wie können Darmmikrobiota beeinflusst werden?
Im Bereich der Veterinärmedizin gewinnt die Analyse und Behandlung von Darmdysbiosen zunehmend an Bedeutung. Zur effektiven Behandlung ist es zunächst essenziell, eventuell zugrunde liegende Erkrankungen wie Motilitätsstörungen, anatomische Abweichungen, verminderte Magensäureproduktion, Entzündungen der Darmschleimhaut oder Infektionen aufzudecken und zu behandeln. Diese können sekundär zu einer Dysbiose führen und deren Behandlung bildet oft die Grundlage für eine erfolgreiche Therapie.
Fütterung und Nahrungsergänzung
Ein wichtiger Bestandteil der Therapie stellt die Fütterung dar. Eine Überprüfung der Ration bzw. des Fütterungsmanagements sollte durchgeführt werden, vor allem bei chronischen gastrointestinalen Beschwerden. Eine gezielte Futterauswahl kann die Zusammensetzung und Aktivität der Darmmikrobiota entscheidend beeinflussen:
- hohe Qualität und für das Tier optimale Quantität der Proteine,
- moderater Fettgehalt unter Berücksichtigung entzündungshemmender Quellen wie Omega-3-Fettsäuren,
- ausgewogener Anteil an leicht verdaulichen sowie faserreichen Kohlenhydraten.
Darüber hinaus können Prä- und Probiotika eingesetzt werden , um die Darmflora gezielt zu stärken und das Gleichgewicht der Mikrobiota zu fördern. Präbiotika sind nicht verdauliche Futterbestandteile, die das Wachstum und die Aktivität gesundheitsfördernder Bakterien unterstützen. Probiotika hingegen sind als lebende Mikroorganismen definiert, die bei korrekter Anwendung in ausreichender Keimzahl die Darmgesundheit deutlich verbessern.
Fäkale Mikrobiota Transplantation
Ein innovativer Ansatz in der Behandlung von Darmdysbiosen ist die fäkale Mikrobiota Transplantation (FMT). Hierbei wird die Darmflora gesunder Spender auf das erkrankte Tier übertragen, um die Genesung einer gesunden Darmmikrobiota zu unterstützen. Dieses Verfahren wird zunehmend auch in der Tiermedizin eingesetzt und zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung von rezidivierenden oder schweren Dysbiosen.
Auch der Einsatz von Autovakzinen kann erwogen werden, vor allem wenn chronisch-rezidivierende gastrointestinale Probleme vorliegen. Diese Impfstoffe werden individuell aus isolierten Erregern hergestellt und zielen darauf ab, das Immunsystem des Tieres spezifisch gegen diese Erreger zu stärken.
Fazit
Zusammenfassend ist zu betonen, dass der erfolgreiche Umgang mit Darmdysbiosen in der Tiermedizin eine genaue Diagnose, eine angepasste Fütterung, den gezielten Einsatz von Mikrobiota-modulierenden Therapeutika und, in bestimmten Fällen, innovative Behandlungsmethoden wie die FMT umfasst. Der verantwortungsbewusste Einsatz von Antibiotika sollte dabei nur in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden, um negative Langzeitfolgen für die Mikrobiota zu vermeiden.
Der Originalbeitrag zum Nachlesen:
Scherzer J. "Intestinale Mikrobiota und Darmgesundheit" team.konkret 2024; 20(03): 16 - 18. doi:10.1055/a-2336-6884
(IR)