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Spezial: NiereDie chronische Nierenerkrankung der Katze

Die chronische Nierenerkrankung kommt bei älteren Katzen sehr häufig vor. Lesen Sie hier, wie Sie durch ein optimales Management der unheilbaren Krankheit und ihrer Komorbiditäten die Lebensqualität und -erwartung der nierenkranken Katze verbessern.

sleeping red persian cat
Volodymyr Shevchuk / stock.adobe.com

Verbreitung der CNE in der Katzenpopulation

Die chronische Nierenerkrankung (CNE) ist die häufigste internistische Erkrankung bei geriatrischen Katzen. Katzen sind deutlich häufiger von CNE betroffen als Hunde. Die Prävalenz liegt bei etwa 3,6% (zum Vergleich, beim Hund liegt sie bei etwa 0,37 %) und kann 35–81 % in der älteren Katzenpopulation erreichen. Die Einführung des Biomarkers SDMA zur Früherkennung der CNE vor einigen Jahren und die damit einhergehende Anpassung der IRIS (International Renal Interest Society) Richtlinien sowie therapeutische Optionen, wie beispielsweise das anti-proteinurische Medikament Telmisartan, haben die Behandlung der CNE verbessert. Die CNE wird bei der Katze häufig von Anämie und Bluthochdruck begleitet. Diese Komorbiditäten beeinflussen die Lebensqualität der nierenkranken Katze zusätzlich müssen daher diagnostisch und ggf. therapeutisch miteinbezogen werden.

Diagnostik der CNE bei der Katze

Die Diagnose wird mittels detaillierter Anamnese, klinischer Untersuchung, Blutdruckmessung, Blutuntersuchung und Urinuntersuchung inkl. Urin-Protein:Kreatinin Quotient (UPC) gestellt. Bildgebende Verfahren wie Röntgen und Ultraschall sollten eingesetzt werden, um die Diagnose zu bestätigen und andere Differenzialdiagnosen auszuschließen.

Voreilige Diagnose des CNE-Endstadiums

Leider wird die Diagnose einer End-Stadium-Nierenerkrankung oft voreilig gestellt. Differenzialdiagnostisch sollten vor allem eine post-renale Azotämie aufgrund einer Ureterobstruktion sowie eine, die Azotämie verschlimmernde, Pyelonephritis oder akute Nierenerkrankung (ANE) ausgeschlossen werden. Ebenfalls können Inappetenz und ein vermindertes Trinkverhalten zu einem temporären Anstieg der Nierenwerte führen (prä-renale Azotämie). Passiert dies bei einem Tier, das aufgrund einer CNE polyurisch ist, kann der Anstieg der Nierenwerte massiver sein als man es üblicherweise erwartet.

Einteilung der CNE-Stadien nach IRIS-Richtlinien

Nachdem die Diagnose einer stabilen Nierenerkrankung gestellt ist, sollte eine Stadieneinteilung nach den Richtlinien von IRIS vorgenommen werden. Die IRIS-Richtlinien sind seit 2009 erhältlich und gliedern sich in die Stadieneinteilung (Kreatinin, Proteinurie und Blutdruck) und dementsprechende Therapieempfehlungen. Details zu Stadieneinteilung und Therapieempfehlung sind in englischer Sprache auf der IRIS Website (www.iris-kidney.com) freizugänglich erhältlich und wurden 2012 in einem Übersichtsartikel in deutscher Sprache von Steinbach u. Neiger zusammengefasst.

Überarbeitung der IRIS Richtlinien 2015

Im Jahr 2015 sind überarbeitete Richtlinien publiziert worden, die vor allem den Biomarker SDMA berücksichtigen, aber auch die Interventionsgrenzen zur Behandlung der Proteinurie anpassen.

Kreatinin als insensitiver Marker der GFR

Die Kreatininkonzentration ist weiterhin ein wichtiger Marker zur Schätzung der Nierenfunktion. Es ist jedoch seit langem bekannt, dass Kreatinin ein insensitiver Marker der glomerulären Filtrationsrate (GFR) und somit der Nierenfunktion ist. Dies liegt hauptsächlich daran, dass Kreatinin von extra-renalen Faktoren wie Muskelmasse, Alter, Rasse und Körpergewicht beeinflusst ist. Zusätzlich steigt Kreatinin erst an, wenn etwa 75 % der Nierenfunktion verloren ist (sog. Kreatinin-blinder Bereich der CNE).

SDMA zur Früherkennung der CNE

SDMA (symmetric dimethyl arginin) wurde 2016 als GFR-Marker von IDEXX eingeführt. Im Gegensatz zu Kreatinin kann eine Erhöhung von SDMA schon bei einem Nierenfunktionsverlust von 25 % gesehen werden. SDMA kann damit helfen, eine CNE früher zu diagnostizieren. Bei 21 Katzen konnte mithilfe von SDMA eine CNE im Schnitt 17 Monate (1,5–48 Monate) früher diagnostiziert werden.

SDMA ist unabhängig von der Muskelmasse

SDMA ist darüber hinaus unabhängig von der Muskelmasse des Tieres. Das kann gerade bei älteren, kranken Katzen von Vorteil sein, weil bei diesen Patienten die Muskelmasse häufig abnimmt und Kreatinin die Nierenfunktion eventuell nicht mehr korrekt widerspiegelt. In diesen Fällen können plötzlich sinkende Nierenwerten trotz progressiver Erkrankung gemessen werden. Auch Fehldiagnosen sind möglich, weil Kreatinin trotz reduzierter Nierenfunktion im Normbereich bleibt.

Merke

Kreatinin bleibt der Grundpfeiler der IRIS-Stadieneinteilung, jedoch empfiehlt IRIS, SDMA bei Therapieentscheidungen mit zu berücksichtigen.

Proteinurie als Risikofaktor

Eine Proteinurie ist ein Risikofaktor für das Fortschreiten der Erkrankung sowie für die Mortalität von Katzen mit CNE. Sogar eine leichtgradige Proteinurie (UPC 0,2–0,4) kann das Überleben signifikant verkürzen. Wird eine Proteinurie diagnostiziert, sollte einerseits bestätigt werden, dass die Proteinurie renalen Ursprungs ist und andererseits ihre Persistenz dokumentiert werden. Die Teststreifenanalyse eignet sich gut zum Screening, allerdings sollte bei wiederholt positivem Teststreifenergebnis und inaktivem Sediment die Proteinurie mittels UPC quantifiziert werden. Dies geschieht idealerweise mittels mindestens 2 Messungen innerhalb von 2 Wochen.

IRIS-Empfehlungen zur Therapie der Proteinurie

Die IRIS-Richtlinien von 2015 schlagen vor, Katzen ab einem UPC ≥ 0,4 anti-proteinurisch zu behandeln, sofern bestätigt ist, dass es sich um eine renale Proteinurie handelt und andere Ursachen ausgeschlossen wurden. Es wird spekuliert, ob eine noch frühere Intervention (Behandlung der Proteinurie ab einem UPC von 0,2) einen positiven Verlauf auf die Erkrankung nimmt, allerdings gibt es hierfür zurzeit keine wissenschaftlich belegte Antwort.

Behandlung der Proteinurie

Die Behandlung der Proteinurie stützt sich seit jeher auf 2 Grundpfeiler: Proteinreduktion im Futter und medikamentelle Behandlung. In der Erfahrung der Autorin reicht eine Futterumstellung alleine oft nicht aus, um eine Proteinurie zu kontrollieren. Ziel der anti-proteinurischen Behandlung ist, den UPC unter 0,4 zu senken oder mindestens eine 50%-ige Reduktion zu erreichen. Auch wenn diese Empfehlungen für den Hund ausgearbeitet wurden, ist es wahrscheinlich, dass sie für die Katze übernommen werden können.

Medikamentelle anti-proteinurische Therapie

Die medikamentelle anti-proteinurische Therapie stützt sich auf die Blockade des RAAS mit einer folglichen Senkung des intraglomerulären Drucks. Hierbei kommen vor allem Angiotensin-Converting-Enzyme(ACE)-Inhibitoren (ACEI) wie Fortekor oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) wie Semintra zum Einsatz. Semintra konnte hierbei eine statistisch signifikante Reduktion der Proteinurie in einer Langzeitstudie bei 224 Katzen zeigen. Beide Wirkstoffgruppen haben eine relaxierende Wirkung auf die efferente Arteriole und senken so den intraglomerulären Druck. Über denselben Mechanismus wird gleichzeitig auch die GFR gesenkt. Daher kann es beim Einsatz von ACEI oder ARB zu einer Erhöhung des Kreatinins kommen und es besteht ein erhöhtes Risiko für eine akute Nierenerkrankung, besonders bei Risikopatienten.

Praktischer Einsatz der anti-proteinurischen Medikamente

Aufgrund des Risikos einer ANE sollte vor dem Einsatz eines ACEI oder ARB sichergestellt werden, dass die Katze eine stabile CNE hat, also eine akute, prä- oder post-renale Komponente ausgeschlossen werden kann. Zudem sollte nach Einsatz oder Dosisanpassung dieser Medikamente (7–14 Tage) eine Kontrolle von Harnstoff, Kreatinin, Kalium und UPC erfolgen.

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Bedeutung des Bluthochdrucks bei CNE

In vielen Praxen ist die Blutdruckkontrolle leider immer noch keine Routineuntersuchung und das, obwohl Hypertension sowohl bei Hunden (31–54 %) als auch bei Katzen (20–65%) mit CNE eine häufige Begleiterscheinung ist.

Ursachen für Hypertonie bei CNE

Mögliche Ursachen für Bluthochdruck bei CNE sind vielfältig und beinhalten:

  • reduzierte Natriumausscheidung über die geschädigte Niere, Aktivierung des RAAS und relativer Hyperaldosteronismus,
  • erhöhte sympathetische Stimulation
  • endotheliale Dysfunktion aufgrund von Mangel an Stickoxid (NO)
Klinische Manifestationen des Bluthochdrucks

Klinische Manifestationen von Bluthochdruck sind nicht immer einfach zu diagnostizieren und variieren, je nachdem, welches Zielorgan betroffen ist.

Die hypertensive Retinopathie (Netzhautblutung, Netzhautablösung oder akute Blindheit) kommt bei Katzen häufig vor und impliziert nicht nur die Wichtigkeit der Blutdruckmessung, sondern auch die Wichtigkeit der Untersuchung des Augenhintergrunds. Eine unbehandelte Hypertension kann aber auch die weiteren Zielorgane schädigen. Hierzu gehören die Niere selbst (Voranschreiten der Erkrankung und Proteinurie), das Herz (hypertrophe Kardiomyopathie) und das zentrale Nervensystem (Abgeschlagenheit, Verhaltensänderung, Krampfanfälle.

Blutdruckuntersuchung mittels Doppler

Die Blutdruckmessung mittels Dopplermethode ist einfach zu erlernen, wird von den meisten Patienten gut toleriert und hat sich bei Katzen als zuverlässiger im Vergleich zur oszillometrischen Methode erwiesen. Je nach Temperament der Katze kann es hilfreich sein, die Blutdruckmessung zu Beginn der Behandlung mit der Katze im Arm der Besitzer durchzuführen.

Therapie der Hypertonie bei der Katze

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Studienlage Amlodipin bei Katzen

Eine Studie evaluierte die Dosierung von Amlodipin bei hypertensiven Katzen und zeigte, dass Katzen mit einem höheren Blutdruck bei Diagnosestellung (≥200 mmHg) eine höhere Dosis Amlodipin (0,33 ± 0,09mg/kg) benötigten, als Katzen mit einer moderateren (< 200 mmHg) Hypertension (0,17 ± 0,04mg/kg), um den Blutdruck ≤ 160 mmHg zu senken. Dies sollte mit in die Therapieentscheidung einbezogen werden.

Anämie bei chronischer Nierenerkrankung

Bis zu 35–50 % der Katzen mit CNE sind anämisch. Die Entstehung der Anämie ist multifaktoriell bedingt. Aufgrund der reduzierten Nierenmasse kommt es zu einer reduzierten endokrinen Funktion der Niere und daher zu einer reduzierten Erythropoetin-(EPO)-Produktion. Zusätzlich führt die Urämie selbst zu einem verkürzten Überleben der Erythrozyten und zu möglichen gastrointestinalen Blutungen. Gerade bei schwer erkrankten Tieren, die womöglich hospitalisiert sind, können auch die mehrfach nötigen Blutentnahmen zu einer Anämie beitragen.

Klinische Zeichen der Anämie

Die klinischen Anzeichen der Anämie der CNE werden anfangs oft nicht richtig erkannt oder der Progression der CNE zugeschrieben. Abgeschlagenheit, Schwäche und Inappetenz gehören dazu. Diese Symptome beeinflussen oftmals massiv die Lebensqualität der betroffenen Tiere. In der Erfahrung der Autorin ist oft erst nach Behandlung der Anämie wirklich klar, wie schwer das Tier tatsächlich betroffen war und die Besitzer sind oftmals erstaunt, wie „lebendig“ ihre Katze plötzlich wieder ist. Obwohl die Anämie der CNE solch schwerwiegende Effekte auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden der betroffenen Katzen hat, wird die adäquate Therapie oft nur verzögert oder gar nicht eingesetzt. Dies geschieht häufig aufgrund der Unerfahrenheit im Einsatz von Erythropoese stimulierenden Medikamenten sowie den damit einhergehenden Kosten und der Angst vor eventuellen Nebenwirkungen.

Therapie der Anämie

Da die Anämie der CNE schwerwiegende Effekte auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden der betroffenen Katzen hat, sollte zeitnah und adäquat mit die Erythropoese stimulierenden Medikamenten therapiert werden. Dabei können sowohl Humanes Erythropoetin (EPO) als auch rekombinantes humanes Erythropoetin-Analogon Darbepoetin können zur Förderung der Blutbildung eingesetzt werden.  

Humanes Erythropoetin

Obwohl rekombinantes humanes EPO (rHuEPO) effektiv zur Behandlung der Anämie der CNE eingesetzt wird, birgt es ein relativ hohes Risiko der Antikörperbildung (20–50%). Aufgrund der Antikörperbildung wird nicht nur das rHuEPO inaktiviert, sondern auch das noch vorhandene körpereigene EPO und es kommt zu einer schweren, nicht-regenerativen Anämie auf Knochenmarksebene (pure red cell aplasia, PRCA). Dies ist die bedeutendste Nebenwirkung von rHuEPO und macht in der Regel eine langwierige Transfusionstherapie (über mehrere Monate) nötig. Aufgrund der Kosten und Inkompatibilitäten nach mehreren Bluttransfusionen führt dies leider oft zur Euthanasie der betroffenen Katze. Weitere Nebenwirkungen von die Erythropoese stimulierenden Medikamenten sind Bluthochdruck, Krampfanfälle, Eisenmangel und Polyzytämie.

Darbepoetin

Darbepoetin (Aranesp) ist ein länger wirksames, rekombinant humanes Erythropoetin-Analogon. Obwohl es schon länger in der Tiermedizin angewendet wird, gibt es nur wenig publizierte Daten zur Sicherheit und Anwendung. Nach Expertenmeinung ist es sicherer als rHuEPO und ein weiterer Vorteil ist, dass es nur 1× wöchentlich (oder sogar noch seltener) angewendet werden muss.

Studie zur Anwendung von Darbopoetin

Eine retrospektive Studie untersuchte die Anwendung von Darbepoetin bei 25 Katzen. Diese zeigte, dass bei etwas mehr als der Hälfte der Katzen ein komplettes Ansprechen erfolgte. Ein gutes Ansprechen auf die Therapie wurde definiert als ein Mikrohämatokrit von ≥ 25%. Etwa 20% zeigten ein initiales Ansprechen, aber konnten den notwendigen Mikrohämatokrit auf Dauer nicht erhalten und 6 Katzen sprachen gar nicht auf die Therapie an. Für die meisten Katzen, die nicht ansprachen oder nur partiell ansprachen, konnten andere Komorbiditäten gefunden werden, die das Ansprechen auf die Therapie beeinflussen könnten.

Bei Katzen, die auf die Therapie ansprachen, dauerte es im Mittel 3 Wochen (7–47 Tage), bis ein Mikrohämatokrit von ≥ 25% erreicht wurde. Die Lebensqualität der Katzen wurde in dieser Studie nicht evaluiert, allerdings zeigten Katzen, die auf die Therapie ansprachen, ein deutlich längeres mittleres Überleben (238 Tage) als Katzen, die nicht auf die Therapie ansprachen (83 Tage). Bei 2 Katzen, die nicht auf die Behandlung ansprachen, konnte eine PRCA nicht ausgeschlossen werden.

Erfahrungen der Autorin mit Darbopoetin

Die Autorin selbst verwendet ausschließlich Darbepoetin (Aranesp) zur Behandlung der Anämie der CNE. Der Einsatz von Darbepoetin wird in der Regel früh mit dem Besitzer angesprochen. Dies gibt dem Besitzer Zeit, sich mit dem Medikament, dessen Kosten und Nebenwirkungen auseinanderzusetzen. Die Applikation von Darbepoetin erfolgt in der Regel, wenn der Mikrohämatokrit auf unter 25 % fällt oder früher, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anämie signifikant zu den klinischen Symptomen beiträgt.

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Prof. Dr. med vet. Sarah Steinbach, Dipl. ACVIM (SAIM), Dipl. ECVIM-CA, ist Clinical Associate Professor Small Animal Internal Medicine und Direktor des Purdue Veterinary Hemodialysis Service des Department of Veterinary Clinical Scienes des College of Veterinary Medicine der Purdue Universität in West Lafayette, Indiana, USA.

 

Nierenerkrankungen spielen bei Katzen eine große Rolle. Dabei ist eine frühzeitige Diagnose der wichtigste Schritt für eine gezielte Therapie und eine gute Prognose:

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