Die Frühsommer-Meningoenzephalitis
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FMSE) wird durch das FSME-Virus (FSMEV) verursacht, das zum Genus Flavivirus der Familie der Flaviviridae gehört. Es werden 5 Subtypen des FSMEV unterschieden:
- europäischer Subtyp
- sibirischer Subtyp
- fernöstlicher Subtyp
- Baikal-Subtyp
- Tibet-Subtyp
In Eurasien stellt die FSME die bedeutendste zeckenübertragene virale Zoonose dar.
Zecken als Vektoren des FSME-Virus
In Deutschland zählt Baden-Württemberg, neben Bayern, zu den wichtigsten Endemiegebieten. Aufgrund der jahreszeitlich unterschiedlichen Aktivität der Zecken handelt es sich bei der FSME um eine saisonale Erkrankung. In Europa fungiert die Zeckenart Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock) als Hauptvektor. Infizierte Zecken können das Virus über den Blutsaugakt, transstadial sowie transovarial weitergeben. Neben dem Zeckenbiss kommt für den Menschen eine alimentäre Übertragung über Rohmilchprodukte von infizierten Schafen, Ziegen und Kühen in Betracht. Als Wirtsorganismen für das Virus gelten alle Säugetiere und auch Vögel, wobei Wildtiere (insbesondere Nagetiere) das Hauptvirusreservoir darstellen.
Bedeutung der FSME beim Hund
Anders als in der Humanmedizin handelt es sich in der Veterinärmedizin bei FSME weiterhin um eine selten beobachtete und dokumentierte Erkrankung. Der selten beschriebenen klinischen Ausprägung einer FMSEV-Infektion bei Hunden steht die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit des Kontakts mit einer infizierten Zecke entgegen, weil sich Hunde häufiger im natürlichen Habitat der Zecken aufhalten. Diese Tatsache spiegelt sich auch in der hohen Prävalenz bei Serumantikörperkontrollen von Hunden aus FSME-Endemiegebieten wider.
Resistenz von Hunden gegen FSME
Übertragungsversuche haben eine hohe Resistenz von Hunden gegen FSMEV gezeigt. Beim Hund soll darüber hinaus eine geringere Neuroinvasivität bestehen als beim Menschen, so dass ein gut funktionierendes Immunsystem FSMEV schnell eliminieren kann. Vermutungen zufolge sind derzeit noch unbekannte prädisponierende Faktoren nötig, um eine klinisch sichtbare Erkrankung zu induzieren. Eine Alters- oder Geschlechtsprädisposition wurde bislang nicht nachgewiesen. Rottweiler erschienen in der Literatur zeitweise überrepräsentiert, doch konnte kein Nachweis für eine genetisch bedingte Rasseprädisposition erbracht werden.
FSME bei Hunden möglicherweise unterdiagnostiziert
Ein weiterer Grund für niedrige Fallzahlen von FMSE beim Hund könnte sein, dass es sich um eine unterdiagnostizierte Krankheit handelt, da sie aufgrund ihrer Seltenheit bei neurologisch auffälligen Hunden nicht immer als Differenzialdiagnose Berücksichtigung findet und der In-vivo-Nachweis schwierig ist.
Dokumentierte FSME-Fälle bei Hunden
Beim Hund wurde die Erkrankung erstmals im Jahr 1972 in der Schweiz beschrieben. Das betroffene Tier zeigte akute neurologische Ausfallerscheinungen, die zum Tod führten. Post mortem konnte das Virus aus dem Gehirn isoliert werden. Seither wurden wenige weitere klinische Fälle in Europa (Österreich, Deutschland, Polen) dokumentiert, die überwiegend letal endeten. Der nachfolgend dargestellte Fall soll verdeutlichen, dass bei Hunden mit Symptomen einer zentralnervösen Schädigung immer auch eine FSMEV-Infektion in Betracht gezogen werden muss, selbst wenn es sich beim Hund um eine äußerst seltene Infektionskrankheit handelt.
Aktueller FSME-Fall: Der Patient
Ein 2 Jahre alter, unkastrierter Mischlingsrüde wurde aufgrund einer akut aufgetretenen Ataxie und Wesensveränderung (panisches Verhalten) beim Haustierarzt vorgestellt. Außerdem zeigte der Rüde seit einigen Tagen Anorexie. Wasseraufnahme sowie Urin- und Kotabsatz waren unauffällig.
Anamnese
Der aus Mallorca stammende Hund lebte seit 1,5 Jahren in Deutschland. Eine Untersuchung auf die sog. Reisekrankheiten (Ehrlichia canis, Babesia canis, Leishmania, Anaplasma, Borrelien, Dirofilaria immitis, Hepatozoon canis) war 6 Monate nach seiner Ankunft in Deutschland (Baden-Württemberg) mittels ELISA-Testverfahren mit negativen Befunden durchgeführt worden. Seither wurde der Hund nicht mehr ins Ausland verbracht. Zum Erkrankungszeitpunkt bestand laut Impfpass ein ausreichender Impfschutz gegen Staupe, Parvovirose, Leptospirose und Tollwut. Einen Zeckenschutz hatte der Hund 14 Wochen vor der Vorstellung in Form einer oralen Gabe von Fluralaner erhalten. Nach Herstellerangaben war somit die abtötende Wirkung gegen Ixodes ricinus bis ca. 2 Wochen vor der Vorstellung gewährleistet. Seither hatte der Hund laut Aussage der Besitzer vereinzelt Zecken.
FSME-Klinik: Hyperthermie und neurologische Symptome
Die Allgemeinuntersuchung ergab mit Ausnahme einer erhöhten Rektaltemperatur von 39,6 °C unauffällige Befunde. Bei der neurologischen Untersuchung zeigte der Hund ein hochgradig ataktisches Gangbild und eine gesenkte Kopf-Hals-Haltung. Ohne Unterstützung konnte er nicht aufstehen. Des Weiteren fielen ein Tremor an Kopf und Hals sowie eine generalisierte Hyperästhesie und Faszikulationen im Gesichtsbereich auf. Bei der Überprüfung der Kopfnerven ließen sich keine Ausfälle feststellen. Die Propriozeption beider Hintergliedmaßen war verzögert. Bei Extension und Flexion der Halswirbelsäule zeigte der Rüde deutliche Dolenzäußerungen und ließ die Bewegung nicht zur Gänze durchführen. Das von den Besitzern beschriebene panische Verhalten wies der Hund auch im Rahmen der Untersuchung auf.
Labor und Computertomografie
Ergebnisse weiterführender Untersuchungen:
- Die hämatologischen und blutchemischen Befunde waren unauffällig.
- Bei der computertomografischen Untersuchung des Schädels (Nativ, mit Früh- und Spätkontrastmittelgabe) wurden ebenfalls unauffällige Befunde erhoben.
- Der durch Punktion der Cisterna magna gewonnene Liquor cerebrospinalis stellte sich makroskopisch klar und farblos dar, hatte jedoch einen erhöhten Eiweißgehalt (580 mg/l, Referenzbereich [RB] < 300 mg/l).
- Die zytologische Untersuchung des Liquors (Idexx Ludwigsburg, D) sprach für eine mononukleäre Pleozytose. Neben den dominierenden kleinzelligen Lymphozyten konnten einige intermediäre Lymphozyten und ein gering- bis mittelgradiger Gehalt an Monozyten nachgewiesen werden.
- Die bakteriologische Untersuchung (auf aerobe und anaerobe Bakterien) und die molekularbiologische Untersuchung auf Bartonella spp. und Staupe (Virus-RNA) sowie Neospora spp. und Toxoplasma gondii (DNA) mittels Real-Time-PCR verliefen negativ.
- Die Überprüfung des Liquors auf FSMEV mittels ELISA ergab mit 133 Vienna Units (VIEU)/ml einen positiven Antikörpertiter (RB < 63 negativ). Eine PCR-Untersuchung auf FSMEV-RNA verlief hingegen negativ.
Laborwerte bei einem Hund mit FSME
Die Tabelle stellt den Proteingehalt, die Zellzahl und das molekularbiologische und serologische Untersuchungsergebnis des Liquor cerebrospinalis eines Hundes mit FSME dar.
Parameter | Wert | Referenzbereich |
Protein (mg/l) | 580 | < 300 |
Zellzahl (Zählkammer) | ||
Kernhaltige Zellen (/µl) | 289/3 | < 8/3 |
Erythrozyten (/µl) | 3/3 | negativ |
Molekularbiologische Untersuchung | ||
Bartonella spp. (DNA) (Real-Time-PCR) | negativ | negativ |
Staupe-Virus-RNA (Real-Time-PCR) | negativ | negativ |
Neospora spp. (DNA) (Real-Time-PCR) | negativ | negativ |
Toxoplasma gondii-DNA (Real-Time-PCR) | negativ | negativ |
FSME-Virus-RNA (PCR) | negativ | negativ |
Serologische Untersuchung | ||
FSME-Virus (ELISA) (VIEU/ml) | 133 | < 63 |
Verlauf der FSME-Therapie im aktuellen Fall
Bei dem Mischlingsrüden mit FSME wurde folgender Verlauf dokumentiert:
- Ab Tag 2 nach stationärer Aufnahme wies der Hund Normothermie auf und der neurologische Zustand besserte sich langsam.
- An Tag 4 bestanden bei weiterhin hochgradig ataktischem Gangbild keine Faszikulationen und keine Hyperästhesie mehr.
- Phenobarbital konnte 5 Tage nach Beginn der antikonvulsiven Therapie abgesetzt werden, Imepitoin wurde schrittweise innerhalb der folgenden Woche reduziert und dann abgesetzt.
- Nach Erhalt der Ergebnisse der Liquoruntersuchung wurde auch Prednisolon ausgeschlichen.
- Die Gabe von Clindamycin erfolgte aufgrund des Risikos bakterieller Sekundärinfektionen über einen Gesamtzeitraum von 28 Tagen.
Langfristiges Outcome bei dem Rüden mit FSME
Einen Monat nach Vorstellung ging es dem Rüden deutlich besser. Er wies keine Ataxie mehr auf und konnte ca. 1 Stunde am Stück spazieren gehen. Die gebeugte Kopf-Hals-Haltung bestand allerdings nach wie vor und der Hund vermied es, den Kopf anzuheben. Die Therapie mit Prednisolon in ausschleichender Dosierung war nach 5 Wochen beendet. Als begleitende Maßnahme wurde Physiotherapie durchgeführt. Zehn Wochen nach Vorstellung zeigte der Hund wieder eine physiologische Kopf-Hals-Haltung, ein ungestörtes Allgemeinbefinden und ein unauffälliges Gangbild. Die Ausdauer im Alltag steigerte sich innerhalb der folgenden 4 Monate bis hin zu einer normalen Belastbarkeit.
FSME-beim Hund im Spiegel der Fachliteratur
In der Literatur werden 4 verschiedene Verlaufsformen einer FSME-Infektion beim Hund beschrieben:
- subklinisch
- perakut
- akut
- chronisch
In den meisten Fällen zeigen seropositive Hunde eine subklinische Verlaufsform. Ein perakuter Verlauf führt innerhalb von 3–7 Tagen nach der Infektion zum Tod. Bei akutem Verlauf verbessern sich die Symptome innerhalb von 1–3 Wochen nach der Infektion, ohne dass Folgeschäden zu erwarten sind. Die chronische Verlaufsform ist, wie im vorliegenden Fall, durch eine langsame Regeneration innerhalb von 1–6 Monaten geprägt. In einigen Fällen bleiben geringe neurologische Defizite bestehen. Die Symptome treten klassischerweise akut auf und verlaufen rasch progressiv. Die Inkubationszeit einer FSME-Infektion beträgt zwischen 4 und 21 Tagen. Da der Zeckenschutz bei unserem Patienten zuletzt 14 Wochen vor Auftreten der Symptomatik verabreicht wurde und somit bereits ca. 2 Wochen unwirksam war, ist eine Infektion in dieser Zeit durchaus in Betracht zu ziehen.
Pathophysiologie der FSME-Symptome beim Hund
Die Symptome einer FSMEV-Infektion lassen sich auf multifokale Läsionen im ZNS zurückführen. Hyperthermie, Apathie bis Übererregbarkeit, epileptiforme Anfälle, Störungen im Bewegungsablauf (Muskelschwäche, Ataxie) sowie Hyperalgesie sind Zeichen für Läsionen im Bereich von Thalamus und Hirnrinde. Kopfnervenausfälle mit Nystagmus oder Strabismus und ein Verlust der Sensibilität deuten auf das Vorliegen von Hirnstammläsionen hin. Hyperästhesie und Dolenz bei Flexion der Halswirbelsäule stellen typische Anzeichen einer Meningitis dar. Diese Läsionen lassen sich nur anhand postmortaler Untersuchungen diagnostizieren, doch ist im beschriebenen Fall aufgrund der klinischen Symptomatik davon auszugehen, dass pathologische Veränderungen im Bereich des Thalamus und Kortex sowie eine Meningitis vorlagen.
Weiterführende Untersuchungen bei FSME-Verdacht
- Blut: Die Routine-Blutuntersuchung (Blutbild und Blutchemie) ergibt bei einer FSME häufig eine Leuko- und Lymphopenie. Allerdings kann das Ergebnis der Blutuntersuchung, wie auch im untersuchten Fall, unauffällig sein.
- Liquor: Bei allen bisher beschriebenen FSME-Fällen ließen sich deutliche Auffälligkeiten bei der Liquoruntersuchung feststellen. Typische Veränderungen sind, wie auch im beschriebenen Fall, eine ausgeprägte Pleozytose und erhöhte Proteinkonzentration. Die Pleozytose ist meist von einer erhöhten Anzahl von Lymphozyten und Monozyten geprägt. Der Nachweis von FSMEV-RNA aus dem Liquor erfolgt mittels PCR-Untersuchung, gelingt jedoch aufgrund der kurzen Virämie (1–7 Tage) nur sehr selten. Erschwerend für den Nachweis ist außerdem, dass die Virämie der klinischen Symptomatik vorausgehen kann. Auch im beschriebenen Fall konnte keine FSMEV-RNA im Liquor cerebrospinalis nachgewiesen werden. Die Liquoruntersuchung dient außerdem der Detektion von FSMEV-Antikörpern (mittels ELISA) und dem Ausschluss einiger Differenzialdiagnosen. Der alleinige Nachweis von Antikörpern gegen das FSMEV reicht zwar für eine sichere Diagnosestellung einer FSME nicht aus, lässt aber zusammen mit der typischen klinischen Symptomatik einen hochgradigen Verdacht zu.
- MRT/CT: In der bildgebenden Diagnostik stehen MRT/CT-Untersuchungen des Gehirns zur Verfügung. Damit können in manchen Fällen Veränderungen am Thalamus, den Basalkernen, der zerebralen weißen Substanz und dem Ventralhorn des Hals- und Rückenmarks aufgezeigt werden. Solche Veränderungen waren in der hiesig durchgeführten CT-Untersuchung jedoch nicht nachweisbar.
Differenzialdiagnosen bei FSME
Der Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen ist zwingend erforderlich. In Betracht kommen:
- Staupe
- Tollwut
- Toxoplasmose
- Neosporose
- Bartonellose
- Botulismus
- Tetanus
- Borreliose
- Aujeszky‘sche Krankheit
- bakterielle und granulomatöse Meningoenzephaltis
- steroidresponsive Meningitis-Arteriitis (SRMA)
- Intoxikationen.
Einige dieser Erkrankungen können mittels Blut- und Liquoruntersuchungen sowie bildgebender Diagnostik (MRT/CT von Gehirn und Halswirbelsäule) ausgeschlossen werden.
Post mortem Befunde bei der FSME des Hundes
Die in bisherigen Studien post mortem durchgeführten Untersuchungen des Gehirns zeigten sich folgende typische histopathologische Veränderungen:
- moderate lymphozytäre Meningitiden,
- neuronale Nekrosen,
- Karyorrhexis von Gliazellen,
- Verlust von Purkinje-Zellen im Kleinhirn und
- Proliferation von Mikrogliazellen
- perivaskuläre Manschetten aus Lymphozyten, Makrophagen, Plasmazellen und Erythrozyten in allen Gehirnregionen
Die meisten Veränderungen fanden sich in der Region um den vierten Ventrikel. Auch der immunzytochemische Nachweis der Flaviviren im Gehirn, der immunhistologische Antigennachweis sowie die Isolierung von FSMEV aus dem Gehirn sind der postmortalen Untersuchung vorbehalten.
FSME-Diagnosekriterien beim lebenden Hund
In vivo kann die Diagnose FSME bei typischen klinisch-neurologischen Symptomen in Verbindung mit einem akuten und rasch progressiven Krankheitsverlauf, dem Nachweis von FSMEV-spezifischen Antikörpern (im Liquor cerebrospinalis) oder FSMEV-RNA (in Blut oder Liquor) und einer Pleozytose im Liquor gestellt werden. Im beschriebenen Fall ist daher von einer klinischen FSME des Hundes auszugehen.
Symptomatische Behandlung der FSME
Die Behandlung basiert auf symptomatischen Maßnahmen, da gegen das FMSEV keine spezifische antivirale Therapie zur Verfügung steht. Der Einsatz von Kortikosteroiden wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Laut Tipold et al. können Kortikosteroide bei zu früher Gabe die Dauer der Virämie verlängern, während Reiner und Fischer einen positiven Einfluss auf den Heilungsverlauf feststellten. Es sind weitere, größere Studien notwendig, um eine Therapieempfehlung aussprechen zu können. In unserem Fall wurde aufgrund der hochgradigen Symptomatik und der Möglichkeit des Vorliegens einer steril-eitrige Meningitis-Arteriitis (SRMA) der Einsatz von Kortikosteroiden in Form von Prednisolon frühzeitig begonnen. Auf die Applikation nicht steroidaler Antiphlogistika zur Fiebersenkung konnte verzichtet werden, da der Rüde bereits durch die Gabe von Prednisolon nach 24 Stunden normotherm war. Die Verabreichung des zentralgängigen Antibiotikums Clindamycin erfolgte schon vor Erhalt der Ergebnisse der bakteriologischen Liquoruntersuchung und wurde trotz des negativen Befunds fortgesetzt, um bakterielle Sekundärinfektionen zu vermeiden. Unter Gabe von Antikonvulsiva kam es zu einer schnellen und deutlichen Linderung der Symptome, sodass diese Medikamente nach einigen Tagen ausgeschlichen und abgesetzt werden konnten.
Lange Rekonvaleszenz bei chronischem Verlauf der FSME
Der Krankheitsverlauf bei unserem Patienten entspricht dem einer chronischen Verlaufsform. Im Gegensatz zu Hunden mit SRMA ist von einer deutlich längeren Rekonvaleszenz auszugehen. Es dauerte nahezu 5 Monate, bis der Rüde wieder ein uneingeschränktes Allgemeinbefinden, ein physiologisches Gangbild sowie eine physiologische Körperhaltung zeigte und keine Leistungsintoleranz mehr hatte. In der Genesungsphase erwies sich die Physiotherapie als wichtige unterstützende Maßnahme zum Wiederaufbau der Muskulatur und zum Ausgleich der neuronalen Schädigungen.
Prävention der FSME beim Hund
Die Prävention einer FSMEV-Infektion beschränkt sich in der Veterinärmedizin derzeit auf die Zeckenprophylaxe. Die Auswahl an wirksamen Präparaten wird durch die schnelle Übertragung des FSMEV unmittelbar nach dem Zeckenstich limitiert. Geeignete Präparate müssen eine repellierende bzw. unmittelbar abtötende Wirkung gegen Zecken aufweisen. Infrage kommen Präparate mit einem Wirkstoff aus der Wirkstoffklasse der Pyrethroide. Solche sind in Form von Spot-on-Präparaten (Permethrin) und als Halsbänder (Deltamethrin oder Flumethrin) erhältlich.
Umwidmung eines humanen Impfstoffes?
Ein zugelassener Impfstoff steht für die Veterinärmedizin derzeit nicht zur Verfügung. Studien konnten bei Haustieren die Bildung FSMEV-spezifischer Antikörpertiter nach Verabreichung eines humanen Impfstoffs (FSME-Immun Junior Suspension, Pfizer Pharma GmbH, Berlin, D) nachweisen. Es zeigten sich keinerlei Nebenwirkungen. Die Dauer der protektiven Wirkung ist gegenwärtig nicht bekannt. Die Möglichkeit einer Impfung wäre besonders für Hunde, die sich in Hochrisikogebieten aufhalten, sehr wünschenswert und sollte daher Gegenstand von künftigen Feldstudien sein. Bei der Umwidmung eines Humanimpfstoffs befindet man sich im rechtlichen Graubereich. Aus dem Tiergesundheitsgesetz geht nicht hervor, inwieweit eine Umwidmung zulässig ist. Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) zieht in einer Stellungnahme die Möglichkeit der zulassungsüberschreitenden Anwendung von immunologischen Tierarzneimitteln und Humanimpfstoffen im Einzelfall in Betracht. Im Vorfeld muss die Unerlässlichkeit der zulassungsüberschreitenden Anwendung festgestellt werden und die Anwendung dem Stand der tierärztlichen Kunst entsprechen. Außerdem muss eine eingehende Aufklärung des Tierhalters erfolgen. Die Haftung für die Anwendung liegt auch nach Erfüllung dieser Voraussetzungen bei dem behandelnden Tierarzt.
Fazit für die Praxis
Bei Hunden mit den klassischen Symptomen der FSME sollte diese Erkrankung grundsätzlich als Differenzialdiagnose Berücksichtigung finden. Im Fall einer chronischen Verlaufsform muss mit einer langen Regenerationszeit gerechnet werden, weshalb eine Euthanasie des Tieres nicht frühzeitig in Betracht gezogen werden sollte.
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