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Spezial: Tag des HundesZusammenhang zwischen Geräuschempfindlichkeit und Schmerz beim Hund ?

In der Verhaltenstherapie ist Geräuschempfindlichkeit bei Hunden eine häufig vorgestellte Problematik. Die Korrelation von Schmerz und einer gesteigerten Geräuschempfindlichkeit ist in der Humanmedizin bereits beschrieben.

A light brown dog peeks out from under the curtain in the booth
Влад Варшавский / stock.adobe.com

Die Studie der University of Lincoln (UK) untersucht, ob jene Korrelation auch bei Hunden feststellbar ist.

Grundlagen

Geräusche können an sich schmerzhaft sein – Wobei die vermutete Grenze bei Hunden mit ca. 95 dB niedriger liegt als bei Menschen mit ca. 130 dB. Die Geräuschempfindlichkeit ist eine Schreck- und Angstreaktion auf akustische, eigentlich nicht schmerzhafte Stimuli, die sich in Verhaltensmustern äußern kann, wie

  • Hecheln
  • sich verstecken
  • Fluchtversuche
  • Zerstörungswut
  • Automutilation

3 Formen der Angst

  • Angst: Angst gehört zu den Grundgefühlen und tritt im Zusammenhang mit Besorgnis beziehungsweise Bedrohung der körperlichen respektive seelischen Unversehrtheit auf. Sie ist im Vergleich zur Furcht ungerichtet (z. B. Angst vor Krieg vs. Furcht vor dem Arztbesuch).
  • Phobie: Bei einer Phobie ist die Angst pathologisch gesteigert und beeinträchtigt das Leben der Betroffenen. Sie bezieht sich oft auf Situationen, Gegenstände, Tätigkeiten oder Personen.
  • Panik: Panik ist ein Zustand, der sich auf gegenwärtige oder angenommene höchste Gefahr bezieht und ein Ausdruck äußerster Angst ist. Alle Angstzustände werden im limbischen System (Amygdala) generiert und vollziehen sich von daher auf einer unbewussten Ebene.

In der klinischen Verhaltenstherapie wird jedoch nur ein geringer Prozentsatz (ca. 8 %) für eine Therapie vorgestellt. Angstreaktionen sind eine tierschutzrelevante Frage an sich, werden aber auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen (z. B. kognitive Dysfunktion, gastrointestinale Probleme) diskutiert. Auch das Auftreten im Zusammenhang mit Schilddrüsen-Erkrankungen ist als potenzielles iatrogenes Problem ein Thema, wobei die Zufuhr von exogenem Kortisol die Schlüsselrolle einnimmt.

Bei Menschen ist eine vermehrte Geräuschempfindlichkeit und Erregbarkeit im Zusammenhang mit schmerzhaften Erkrankungen bereits beschrieben, wobei ein Unterschied zwischen den Geschlechtern festgestellt werden kann. Demnach reagieren Frauen mit einer höheren Erregbarkeit und Angst, wohingegen sich bei Männern eher die Schmerzempfindlichkeit erhöht.

Die Hypothese: Lärm führt aufgrund der Schreckreaktion zu einer erhöhten Muskelspannung , die wiederum zu einem erhöhten Schmerzreiz führen kann. Da in der tiermedizinischen Literatur diese Situation noch nicht beschrieben ist, wird in dieser Studie ein Ansatz unternommen, diese Thematik zu untersuchen.

Studienaufbau

Für die vorliegende Studie wurden 20 Patientenberichte von Hunden untersucht, die in der klinischen Verhaltenstherapie der Animal Behaviour Clinic der University of Lincoln vorgestellt worden sind. Kriterium bei der Auswahl der Fälle waren Probleme, die in der Anamnese mit Angst und Phobien beschrieben und von Geräuschen getriggert wurden. 10 Patienten waren Hunde mit einer Schmerzsymptomatik, 10 Patienten stellten die Kontrollgruppe ohne Schmerzsymptomatik dar.

  • Zur Verfügung standen Videos der Patienten, die vollständige Anamnese, demographische Daten (Alter, Geschlecht, Rasse, Temperament laut Besitzer), ein Besitzer-Fragebogen und die vollständige Krankengeschichte. Die Tiere wurden bei der klinischen Untersuchung auf Haltung, Bewegung und Mobilität untersucht, wobei mögliche muskuloskelettale Probleme mit dem überweisenden Tierarzt abgeklärt wurden. Die Auswertung der Daten fand mittels qualitativer Inhaltsanalyse (qualitative content analysis) statt, wozu vier Schwerpunkte an Kriterien für die Datenanalyse erstellt wurden. Der erste Schwerpunkt betraf die Details der Empfindlichkeit, wie das Alter des ersten Auftretens, die physischen Zeichen, spezielle Trigger etc.
  • Der zweite Schwerpunkt bezog sich auf das Auftreten potenzieller anderer Ursachen für die Verhaltensprobleme, wie Kinder, andere Tiere, neue Situationen, Trennung vom Halter etc.
  • Unter dem dritten Schwerpunkt wurden muskuloskelettale Probleme registriert, wie die Art der Diagnose (Röntgen, klinische Untersuchung) etc.
  • Der vierte Schwerpunkt untersuchte die Fakten im Zusammenhang mit der Behandlung, wie die Art der früheren Behandlungen und Erfahrungsberichte hierzu.

Ergebnis

Das Alter der Hunde variierte in beiden Gruppen sehr (2 – 9 Jahre Gruppe ohne Schmerzen 2–11 Jahre Gruppe mit Schmerzen). Auch in Bezug auf das Geschlecht waren die Gruppen gemischt. Das Alter der Hunde bei Einsetzen der Problematik war bei den schmerzbehafteten Hunden um 4 Jahre höher als bei jenen ohne Schmerzsymptomatik. Beide Gruppen reagierten auf Geräusche mit Zittern und Verstecken. Allerdings generalisierten 8 von 10 Hunden aus der schmerzbehafteten Gruppe die Angst auf die gesamte Situation und wollten z. B. den Raum nicht mehr verlassen, was bei der anderen Gruppe nur in 2 von 10 Fällen zu beobachten war.

Weiterhin reagierten 8 der Hunde mit Schmerzsymptomatik mit Vermeidung gegenüber anderen Hunden, wobei dies auch nur bei 2 der 10 schmerzfreien Hunde der Fall war.

Die schmerzbehafteten Hunde litten vermehrt unter Hüftdysplasie (5 Hunde), degenerativen Gelenkserkrankungen (4 Hunde) und fokaler Spondylose zwischen dem 2. respektive 3. Lendenwirbel (2 Hunde). Bei 6 Hunden beschrieben die Besitzer, die Hunde hätten nach Anstrengung verstärkte Schmerzen.

Alle Hunde mit Schmerzen erhielten Analgetika (nichtsteroidale Antiphlogistika, NSAID) zur Therapie und alle Hunde beider Gruppen erhielten einen individuellen Verhaltenstherapieplan (Gegenkonditionierung, Desensibilisierung etc.). Psychopharmaka erhielten 8 der schmerzbehafteten Hunde und alle Hunde aus der schmerzfreien Gruppe (Imipetion, Fluxetine, Alprazolam, Seligiline oder Cloipramine).

Alle Hunde zeigten eine Besserung nach der Therapie mit Ausnahme eines Hundes, der seit seinem 5. Lebensmonat unter Hüftdysplasie litt, und dessen Besitzer keine NSAID geben wollte. 8 Hunde aus der schmerzbehafteten und 7 Hunde aus der Kontrollgruppe wurden vom Besitzer zur Zeit der Publikation als erfolgreich therapiert eingestuft.

Fazit

Qualitative Untersuchungen dieser Art sind nicht dafür gedacht, statistische Schlüsse zu ziehen. Sie spiegeln eher die klinische Tendenz einer Problematik wider. Hunde mit Verhaltensproblemen in Bezug auf leichte Erregbarkeit und Geräuschempfindlichkeit sollten auf schmerzhafte, insbesondere orthopädische Erkrankungen untersucht und gegebenenfalls auch in diesem Zusammenhang behandelt werden. Dies gilt insbesondere, wenn das Auftreten des Musters eher untypisch erscheint, die Unsicherheit gegenüber anderen Hunden zunimmt oder Hunde zur Vermeidung bestimmter, eventuell mit Schmerz assoziierter Situationen tendieren.

 

Die Originalstudie:

Lopes Fagundes AL, Hewison L, McPeake KJ, Zulch H, Mills DS. Noise Sensitivities in Dogs: An Exploration of Signs in Dogs with and without Musculoskeletal Pain Using Qualitative Content Analysis. Front Vet. Sci. 5: 17 (2018).

Der Originalartikel zum Nachlesen:

Geräuschempfindlichkeit und Schmerz beim Hund – gibt es einen Zusammenhang?. Hands on - Manuelle und Physikalische Therapien in der Tiermedizin 2020; 2(04): 4 - 5. doi:10.1055/a-1233-1657.

(RG)