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PraxismanagementBurnout? Dafür habe ich doch keine Zeit!

Burnout ist im tiermedizinischen Berufsfeld ein sehr aktuelles Thema. Aber was genau ist das eigentlich? Wie erkennt man die Symptome und vor allem, wie schafft man es noch rechtzeitig die Bremse zu ziehen?

Inhalt
Streichhölzer
ShutterFalcon/stock.adobe.com

Burnout ist vor allem im tiermedizinischen Berufsfeld ein aktuelles und wichtiges Thema.

Anmerkung der Autorin:

Normalerweise schreibe ich Artikel nicht in der „Du-Form“. Dieses Thema ist mir aber ein persönliches Anliegen. Eines, welches nahegeht und nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Es geht um jeden Einzelnen, der übersieht, wie viel er arbeitet und jede Einzelne, die Angst davor hat, zurückgewiesen zu werden, wenn sie nicht richtig „funktioniert“. Es geht um Schwäche und um Stigmatisierung, um ein Verheimlichen, aus Angst mangelnde Leistung zu benennen.

Es geht aber auch darum, klarzumachen, dass DU nicht allein bist. Darum wähle ich die persönliche Form der Anrede. Ich möchte Dich mit diesem Artikel abholen und Dir zeigen, was Du tun kannst, um aus dieser Abwärtsspirale – mit gefährlichen Kurven – wieder herauszukommen oder gar nicht erst in diese Spirale hineinzugeraten. Denn je später man die Problematik erkennt, desto schwerer wird der Ausstieg.

Die Burnout-„Straße“

Stell Dir vor, Du fährst mit Deinem Auto eine Landstraße entlang und plötzlich stellst Du fest, dass die Bremse ausgefallen ist. Anfänglich bleibst Du noch entspannt, denn es wird schon eine Parkbucht kommen, auf die Du rollen kannst. Vielleicht landest Du im Kies oder in einem Busch … klappt schon irgendwie! Dann allerdings geht die Straße immer steiler bergab. Du hast bereits 2 Ausfahrten verpasst, weil Du so damit beschäftigt warst, Dich auf das Fahren zu konzentrieren und nun nimmt das Auto immer mehr Geschwindigkeit auf.

Du denkst „Ich schaff das! Jetzt bloß keine Schwäche zeigen! Konzentrier Dich!“ und hältst Dich verbissen am Lenkrad fest. Du schaust nur noch geradeaus, denn irgendwo macht sich doch die Besorgnis breit, dass diese Fahrt am Ende schieflaufen könnte. Du bist ein/e gute/r Autofahrer*in, Du weißt, dass Du das schon schaffen kannst – solange es bald wieder bergauf geht. Dann aber kommt der entscheidende Punkt: In einer Kurve überwiegt die Fliehkraft, Dein Auto kommt von der Fahrbahn ab und landet im Graben. Nehmen wir an, Du überstehst den Unfall mit einigen Knochenbrüchen. Dennoch wirst Du einige Wochen lang nicht mehr Auto fahren, geschweige denn arbeiten können. Im schlimmsten Falle winkt die Berufsunfähigkeit.

Diesen Verlauf können wir in etwa auf das Fortschreiten eines Burnouts übertragen. Nur mit dem Unterschied, dass man selbst unbewusst die Bremse ausgebaut hat und dieser Vorgang sich schleichend über mehrere Jahre entwickeln kann, sodass Du überhaupt nicht feststellst, dass die Bremse gar nicht mehr funktioniert.

Was ist Burnout?

Ist es leicht, „Burnout“ zu definieren? Nein, denn auch unter Spezialisten gibt es keine Einigkeit. Burnout beschreibt ein „Ausgebrannt-“ oder „Durchgebrannt-Sein“, eine Überforderung, eine Erschöpfungsdepression. Beschwerden entwickeln sich schleichend über einen längeren Zeitraum, teilweise Jahre, hinweg. Und es betrifft eine Vielzahl an Menschen, inzwischen sind über 60 Berufe beschrieben, in welchen Burnout als Erkrankung häufig vorkommt und jeder kann davon betroffen sein. Anfänglich fallen eher körperliche Symptome auf, die keinen Zusammenhang zum Arbeitsplatz vermuten lassen, darunter:

  • Schlafstörungen
  • Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen
  • Konzentrationsstörungen
  • Leistungsabfall
  • Unsicherheit
  • Gereiztheit etc.

Als erste Reaktion auf diese Symptome versucht man, sich zusammenzureißen und zu funktionieren. Man greift zu Medikamenten, gleicht anfallende Krankheitstage durch Mehrarbeit aus und verzichtet zunehmend auf Pausen, um weiter Leistung zu erbringen. Dabei wäre an dieser Stelle eine erste reflektierte Rückfrage notwendig: Handelt es sich jetzt wirklich um eine Phase, die Mehrarbeit und ein Zusammenreißen erfordert? Gibt es ein „Licht am Ende des Tunnels“, z. B. Urlaub? Oder handelt es sich tatsächlich um den Beginn einer ernst zu nehmenden Erschöpfung?

Merke

Innere Signale zu überhören beschleunigt die Fahrt auf der Burnout-Straße!

Wichtige Fragen

Spätestens wenn man aus dem Urlaub zurückkehrt und feststellt, dass man eigentlich gar nicht erholt ist, sollte man aufmerksam werden. Denn dann ist man womöglich schon auf der oben beschriebenen Landstraße ohne funktionierende Bremse. Jetzt sind ein hohes Maß an Selbstreflektion und Beobachtungsgabe wichtig und man sollte sich einige Fragen stellen: Gibt es an dieser Stelle eine Möglichkeit zu bremsen, welche Lösungsmöglichkeiten wären denkbar? Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung, die ich nutzen kann? Welche Aufgaben könnte ich delegieren? Wie muss ich mein Zeit- und Selbstmanagement verbessern, um mehr Pausen zu erhalten und mehr Zeit für mich zu generieren? ([Abb. 1])

Das Problem an solchen Situationen ist, dass man so in seinem Verantwortungsbewusstsein gefangen ist oder tatsächlich so relevante Verpflichtungen hat, dass man sich einfach nicht vorstellen kann, in diesem Moment auf die Bremse zu treten. Also hält man halt weiter durch und dann verstärken sich die Symptome, die im schlimmsten Fall zur völligen Erschöpfung bis hin zu schweren körperlichen und seelischen Erkrankungen führen.

Burnout und Corona

Die Coronapandemie betrifft uns alle, weltweit. Seit Beginn der Coronapandemie sind über 200 Millionen Menschen an COVID-19 erkrankt (Stand September 21). Doch auch die Menschen, die körperlich gesund geblieben sind, haben psychisch unter den Folgen der Pandemie gelitten. Wer zum Zeitpunkt der ersten Welle bereits gestresst und erschöpft war, kam während der Lockdown-Phasen eindeutig an die persönlichen Grenzen.

Vor der Coronapandemie lag das mittlere bis hohe Stresslevel bei Mitarbeiter*innen in der tiermedizinischen Branche bei 36% – inzwischen liegen wir bei 64% [1]! Und diese Erhöhung ist konsistent über alle Länder hinweg, von England bis Australien. Schauen wir uns speziell Deutschland an, haben wir eine Erhöhung von 27% auf 53%. Auch die mittlere bis hohe Unzufriedenheit im Job hat zugenommen. Wo vor Corona nur 5% eine Unzufriedenheit im Job angegeben haben, liegen wir jetzt bei 24%. Die Gefahr, an Burnout zu erkranken, ist hierbei vor allem bei weiblichen jüngeren Tierärztinnen präsent sowie im Besonderen (!) bei den weiblichen und jüngeren TFA [1]. Wenn man zudem bedenkt, dass fast 28% der Tierärzte und Tierärztinnen (Stand Mai 2020) in Deutschland unter Depressionen leiden [2], würde ich durchaus annehmen, dass diese Zahl auch auf TFA übertragen werden kann.

Somit sind die gesellschaftlichen Risikofaktoren, an Burnout zu erkranken, durch die Coronapandemie nochmals gestiegen.

Risikofaktoren

Die Arbeit in einer tierärztlichen Praxis oder Klinik verlangt allen Beteiligten noch immer sehr viel ab. Ist die Praxis-/Klinikstruktur suboptimal, gibt es keine klaren Regeln oder Vorgaben und sind Verantwortungsbereiche nicht definiert, ergeben sich arbeitsbedingte Voraussetzungen für Chaos, Missverständnisse und Stress. Fehlende Teamsitzungen und Mitarbeitergespräche, keine individuellen Perspektiven und eine hohe Arbeitsbelastung ohne Ausgleich führen des Weiteren zu Frustration und Enttäuschung sowie dem Gefühl der mangelnden Wertschätzung.

Dazu kommen schlecht geplante Termine, zu wenig Zeit für Patienten und an der ein oder anderen Stelle auch zusätzliche Nacht- und Wochenenddienste. Wer alle oben genannten Punkte in seinem Job bestätigen kann, braucht sich nicht zu wundern, wenn man irgendwann an den Rand der emotionalen und körperlichen Erschöpfung gelangt.

Burnout-Prophylaxe im Betrieb

Je besser und klarer die Struktur und das Zeitmanagement im Unternehmen ist, je enger und wertschätzender die Zusammenarbeit des Teams, desto emotional stabiler sind alle Mitarbeitenden.

Persönliche Risikofaktoren

Leider sind das Chaos und der Stress aber noch immer Faktoren, die in unseren Praxen und Kliniken vorherrschen. Es geht um die schnelle Abwicklung von Patienten, es geht um Leistungsdruck und den Umgang mit vollen Wartezimmern. Insgesamt also ein arbeitsbedingter Risikofaktor, der durchaus zu ändern wäre. Würden alle an einem Strang ziehen und Arbeitgeber erkennen, dass es Zeit zum Umdenken ist, könnte man diese Problematik deutlich entschärfen, doch das ist Aufgabe der Praxisleitung und kann durch TFA meist nicht beeinflusst werden.

Für die akute Situation hilft es, sich über persönliche Risikofaktoren bewusst zu werden, die in 2 Bereiche eingeteilt werden können:

  1. Bereiche mit interner Steuerung durch mich selbst
  2. Bereiche mit externer Steuerung durch die Umwelt

Wo eine interne Steuerung dazu führt, dass ich für mich Leistung oder eine bessere Position erzielen möchte und mich damit auf meinem Weg dorthin selbst verbrenne, bedeutet eine externe Steuerung, dass ich mich verbrennen lasse. Zum Beispiel durch meine Gutmütigkeit und der Unfähigkeit, NEIN zu sagen. Überprüfe: Zu welcher Gruppe zählst Du Dich? ([Tab. 1])

Persönlicher Risikofaktor

Folge

Lösungsorientierende Fragen

Selbstverbrenner, um selbst gesteckte Ziele zu erreichen oder nicht als "dumm" dazustehen.

Hier überwiegt die Angst davor, als schwach abgestempelt zu werden. Diese Menschen sind sehr ehrgeizig, haben auch viel Freude an der eigenen Arbeit. Sie möchten vorwärtskommen, Ziele erreichen, womöglich auch Führungspositionen besetzen. Sie nehmen jede Herausforderung an, um besser zu werden und verlieren daher den Blick darauf, wann die Leistungsbereitschaft die Leistungsfähigkeit längst überholt hat.

  • An welcher Stelle kann ich einen Gang zurückschalten?
  • Was hat jetzt aktuell am meisten Priorität und kann ich an meinem Zeitmanagement oder meiner Selbstorganisation etwas verbessern, um Pausen mehr Raum zu geben?
  • Wie kann ich Menschen um mich herum befähigen, mir Dinge abzunehmen?
  • Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn ich einmal keine Kontrolle über etwas habe?

Ich werde von extern gesteuert, kann nicht Nein sagen, bin ein Ja-Sager.

Es mangelt an der Fähigkeit, Grenzen für sich zu ziehen, Abstand zu schaffen und sich selbst Ruhepausen zu gönnen. Wir möchten ein unverzichtbarer Teil des Teams sein, möchten für unsere Arbeit Wertschätzung erfahren und kämpfen daher mit Ängsten, die Zurückweisung oder Isolation beinhalten.

  • Wo liegen meine Stärken, die ich besonders gut in ein Team einbringen kann?
  • Was wird passieren, wenn ich doch einmal nein sage?
  • Welche Aufgaben haben wirklich Priorität?
  • Wann benötigt man meine Hilfe am meisten?

Analyse und Ansatzpunkte

Selbsterkenntnis und Reflektionsfähigkeit sind die ersten Schritte, um entsprechende Maßnahmen in Gang zu setzen. Viele arbeiten hart und sind ständig beschäftigt. So bleibt überhaupt keine Zeit, um einmal im wahrsten Sinne des Wortes „stehenzubleiben“ und „innezuhalten“. Doch beides ist wichtig, um Lösungsansätze zu erkennen und sich zu wappnen, z. B. mit dem Aufbau der eigenen Resilienz.

Resilienz stärken

Resilienz beschreibt eine Reihe von Strategien, die jeder selbst ausprobieren und sich aneignen kann. In der Literatur sind die Meinungen etwas unterschiedlich bezüglich der Säulen, auf welchen die Resilienz ruht. Ich persönlich beziehe mich stets auf die folgenden 7 Säulen: Optimismus, Emotionssteuerung, Impulskontrolle, Empathie, Kausalanalyse, Selbstwirksamkeit und Zielorientierung ([Abb. 2]).

Im Falle von Burnout halte ich die Säulen Optimismus, Kausalanalyse und Selbstwirksamkeit für die relevantesten. Eine optimistische Grundhaltung hat nichts mit einer „Rosa Brille“ zu tun. Aber sie ermöglicht uns, positive Aspekte zu betrachten, statt an den negativen Aspekten jedes Ereignisses festzuhalten, was wiederum viel Nerven und Energie kostet.

Damit man sich nicht alles schönredet, hilft die Kausalanalyse: Warum ist was passiert? Wie ist ein Ereignis entstanden? Was kann man besser machen, damit es nicht mehr passiert? Gab es in der Vergangenheit bereits eine Situation, die ähnlich war? Wenn ja, wie habe ich diese gelöst? Man verknüpft somit eine positive Grundhaltung mit einer realistischen Analyse. Diese aber stets in die Zukunft gerichtet, denn was passiert ist, kann man nicht mehr ändern. Nur im „Hier und Jetzt“ kann ich Dinge für die Zukunft anpassen, mein Verhalten ändern, Strukturen modifizieren.

Und zu guter Letzt die Selbstwirksamkeit. Diese ergibt sich automatisch anhand der bereits beschriebenen Schritte: Ich arbeite einen Fall auf, bewerte ihn, ohne ihn abzuwerten und nehme für die Zukunft mögliche Lösungsansätze mit. Kommt es zur Lösung, stärke ich meine Selbstwirksamkeit, denn „Ich habe es geschafft“. Und je mehr Situationen man in seinem Leben schafft, desto selbstwirksamer werde ich, desto selbst-bewusster werde ich.

Merke

Familie, Freunde und gute, tragfähige Beziehungen sind 3 Dinge, die bei Burnout helfen.

Privates Umfeld pflegen

Wer im privaten Umfeld zudem Unterstützung und Zusammenhalt erfährt, mit Menschen umgeben ist, die Empathievermögen zeigen und zuhören können, dann hat man einen zusätzlichen „Fallschirm“, der einen im Falle des Falles auffangen kann. Emotionale Bindungen sind wichtig und notwendig. Bringt man selbst ein hohes Sozialvermögen mit sowie ein aktives Bewältigungsverhalten, findet man auch den Mut, mit anderen Menschen über die eigenen Ängste, Probleme und vielleicht auch Lösungsansätze zu sprechen. Es wird leichter, vielleicht sogar gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und helfende Hände anzunehmen.

Und am Ende hält man sein Lenkrad fest in der Hand und achtet bei jeder Autofahrt darauf, dass die Bremse auch gut funktioniert!

Fazit

Burnout kann jeden treffen und tut es auch gnadenlos. Das Wichtigste für Erkennung und Prophylaxe ist wachsam sein, auf sich und seinen Körper hören, ab und zu mal innehalten und über das berufliche und private Umfeld reflektieren. Und bei den ersten Anzeichen für deutliches Unwohlsein und starke Erschöpfung die Bremse aktivieren, ggf. professionellen Rat einholen und an den Dingen arbeiten, die verändert werden können: Resilienz stärken, Auszeiten und Pausen planen, emotionale Unterstützung einfordern.

Der Originalbeitrag zum Nachlesen: 
Leiner L. "Burnout? Dafür habe ich doch keine Zeit!". tk 2021; 17(04): 22-26 DOI: 10.1055/a-1516-0866

(JD)

  1. Global impact of COVID19: The veterinarians perspective. WSAVA Seminar.
  2. https://bvajournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1136/vr.105430

Dr. Lisa Leiner ist Verhaltensphysiologin, promovierte Tierärztin und Coach mit eigener Beratung "Consulting mit Weitblick".

Der Originalartikel "Burnout? Dafür habe ich doch keine Zeit!" erschien in der Team konkret.

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