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InfektionskrankheitenAktuelle Impfstrategien für Hunde und Katzen

Ja, nein, vielleicht ein bisschen? Wenn es ums Impfen geht, wird viel diskutiert – von Tierhaltern, Züchtern, aber auch von Tierärzten. Wir zeigen, wie Sie für einen optimalen Schutz sorgen können.

M. Bergmann

Impfdiskussion und Impfleitlinien

Obwohl die Impfung die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Infektionskrankheiten ist, gibt es seit längerer Zeit Diskussionen, wie notwendig Impfungen überhaupt sind. Diese Diskussionen resultieren aus der Tatsache, dass adulte Hunde und Katzen im Vergleich zum Menschen viel häufiger geimpft werden und aus Angst vor Nebenwirkungen, die bei Impfungen auftreten können. Um unnötige Impfungen zu vermeiden und einen Schutz innerhalb der Population aufrechtzuerhalten, sollte im Sinne eines zeitgemäßen Impfkonzepts immer der Nutzen einer Impfung dem Risiko für Nebenwirkungen gegenübergestellt und beides abgewogen werden. Mit dem Ziel, diesen Grundsatz zu verwirklichen, veröffentlichte die Ständige Impfkommission Vet (StIKo Vet) kürzlich aktualisierte Leitlinien zur Impfung von Kleintieren. Diese Leitlinien sind Richtlinien, aus denen jeder Tierarzt seine persönlichen Empfehlungen erstellen kann, die an die jeweiligen Bedürfnisse des Tiers angepasst sind.

Milde Nebenwirkungen nach Impfung

Unter die beobachteten Nebenwirkungen fallen zum einen Symptome, die durch den Impferreger entstehen. Beispielsweise können nach falscher Applikation von Lebendimpfstoffen gegen Erreger des Katzenschnupfens (z. B. bei 2-maligem Durchstechen der Haut und Ablecken durch die Katze) Schnupfensymptome entstehen. Zum anderen können unspezifische systemische Immunreaktionen nach der Impfung auftreten, wie Fieber mit reduziertem Allgemeinbefinden, Anorexie und/oder Durchfall. Diese Reaktionen stellen oft eine Folge der Replikation des Impfvirus im Körper dar; sie sind in der Regel mild, selbstlimitierend und deuten auf eine gute Immunantwort hin.

Schwerwiegende Nebenwirkungen nach Impfung

Jedoch auch anaphylaktische Reaktionen können kurz nach Impfung auftreten. Sie kommen selten vor, sind aber lebensbedrohlich. Dabei reichen die Symptome von Hautschwellungen über Juckreiz, Speicheln, Erbrechen, Durchfall und Koordinationsschwierigkeiten bis hin zum Schock. Bei Patienten, die in der Vergangenheit bereits anaphylaktische Reaktion nach Impfung hatten, sollte die Notwendigkeit weiterer Impfungen kritisch überdacht werden, z. B. indem auf Antikörper getestet wird, da ein Vorhandensein bestimmter Antikörper die jeweilige Impfung unnötig macht. Sind Impfungen tatsächlich notwendig, sollten Kombinationsimpfstoffe vermieden und verschiedene Komponenten möglichst einzeln geimpft werden. Auch ein Wechsel des Impfstoffherstellers und eine Prämedikation mit Antihistaminika kann einer erneuten anaphylaktischen Reaktion vorbeugen.

Verzögerte, schwere Nebenwirkungen nach Impfung

Es gibt auch schwerwiegende Nebenwirkungen, die längere Zeit nach Impfung auftreten können. Bei Hunden wird diskutiert, dass Autoimmunerkrankungen, wie die immun-mediierte hämolytische Anämie (IMHA), durch Impfungen ausgelöst werden können. So waren einige Hunde mit IMHA Tage bis Wochen vor Ausbruch der Krankheit geimpft worden.

Bei der Katze können „feline injection site-associated sarcomas“ (FISS) Wochen, Monate oder sogar Jahre nach Impfung an der Impfstelle entstehen. Diese Tumoren werden durch Entzündungsreaktion an der Injektionsstelle induziert. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, bei Katzen starke Entzündungsreaktionen zu vermeiden, indem (1) keine Adjuvans-haltigen Impfstoffe verwenden und (2) Impfstoffe vor Applikation auf Zimmertemperatur gebracht werden.

  1. Lebendimpfstoffe oder Adjuvans-freie Totimpfstoffe einsetzen: Das Tumorrisiko ist bei inaktivierten Impfstoffen (Totimpfstoffen) höher, weil diese in der Regel Adjuvantien enthalten. Daher sollten Lebendimpfstoffe gegenüber inaktivierten Impfstoffen bei Katzen bevorzugt werden. Sollte kein Lebendimpfstoff verfügbar sein, wie gegen das felines Leukämievirus (FeLV) oder Tollwut, sollten Adjuvans-freie rekombinante Impfstoffe (z. B. Canaripox-Vektor-Vakzinen) verwendet werden.
  2. Impfstoff auf Zimmertemperatur bringen: Kalte Impfstoffe führen vermutlich mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Entzündungsreaktionen als Impfstoffe mit Raumtemperatur. Daher sollte der Impfstoff einige Minuten vor der Verabreichung aus dem Kühlschrank genommen werden.

Injektionen bei Katzen sollten an Stellen stattfinden, an denen eine chirurgische Entfernung des Tumors zu einer Heilung führen kann (z. B. durch Amputation eines Beins). Eine Injektion zwischen die Schulterblätter ist grundsätzlich kontraindiziert. Die Besitzer sollten die Injektionsstellen nach der Impfung gut beobachten, um einen Knoten oder eine Schwellung frühzeitig zu erkennen.

Aktuelle Impfstrategien

Da Nebenwirkungen (wenn auch selten) auftreten können, muss in jedem Fall immer das Risiko, an einer Infektionskrankheit zu erkranken, dem Risiko, an den Nebenwirkungen einer Impfung zu erkranken, gegenübergestellt und abgewogen werden. Tatsache ist, dass bei Hunden und Katzen Infektionskrankheiten nach wie vor weit verbreitet sind, und daher ein ausreichender Schutz unbedingt erforderlich ist.

Core- und Non-Core-Vakzinen

Um die Impfentscheidung für das Einzeltier zu erleichtern, unterscheidet man zwischen Core-Vakzinen und Non-Core-Vakzinen. Gegen die Erreger der Core-Vakzinen muss jedes Tier zu jeder Zeit geschützt sein. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Tier geimpft werden muss; es kann auch z. B. nach überstandener Infektion einen Schutz haben. Gegen die Erreger der Non-Core-Vakzinen müssen nur manche Tiere unter bestimmten Bedingungen geschützt werden, entsprechend ihrer Lebensbedingungen, ihres Alters und anderer Faktoren (Tab. 1 und 2).

Zu den Core-Komponenten beim Hund zählen

  • das canine Parvovirus (CPV)
  • das Staupevirus (CDV)
  • die Leptospiren

 Zu den Core-Komponenten bei der Katze zählen

  • das feline Panleukopenievirus (FPV)
  • das feline Herpesvirus (FHV)
  • das feline Calicivirus (FCV)

Impfempfehlungen

Die Impfempfehlungen der Medizinischen Kleintierklinik wurden in Anlehnung an verschiedene Leitlinien zur Impfung von Hunden und Katzen (Leitlinien der Ständigen Impfkommission Vet (StIKo), des European Advisory Board on Cat Diseases (ABCD) und der American Association of Feline Practitioners (AAFP)) erstellt. Diese Leitlinien stellen Entscheidungshilfen für den anwendenden Tierarzt dar, aus denen sich jeder Tierarzt seine Empfehlungen zusammenstellen kann.
 


Impfentscheidung nach individuellem Impfgespräch

Welches Tier gegen welche Erreger geimpft wird, muss in einem individuellen Impfgespräch mit dem Besitzer im Rahmen der jährlichen Gesundheitsvorsorge geklärt werden. Es gilt das Motto: „Mehr Tiere impfen, das einzelne Tier jedoch nur so häufig wie nötig!“

Dauer des Impfschutzes gegen Viren

Impfungen mit viralen Core-Komponenten führen zu einem langjährigen Schutz. Bei gut grundimmunisierten Tieren sind teilweise noch nach 9 Jahren schützende Antikörper nachweisbar. Die Medizinische Kleintierklinik der LMU München empfiehlt bei adulten gesunden Hunden für CDV und CPV und Katzen für FPV Wiederholungsimpfungen nur bei Bedarf (fehlen von Antikörpern) oder frühestens alle 3 Jahre.

Dauer des Impfschutzes gegen Bakterien oder Parasiten

Impfungen gegen Bakterien (z. B. Leptospiren) oder Parasiten (z. B. Leishmanien) führen zu einem deutlich kürzeren Schutz als Impfungen gegen Viren. Das Vorhandensein von Antikörpern lässt bei diesen Infektionskrankheiten nicht auf eine belastbare Immunität schließen. Für diese Impfungen sind daher jährliche Wiederholungsimpfungen notwendig.

Tollwut-Impfung

Die Tollwut-Impfung ist die einzige Impfung, die im Bedarfsfall (Reisen ins Ausland) nach Herstellerangaben geimpft werden muss. Laut Tollwut-Verordnung ist eine Tollwut-Impfung nur dann gültig, wenn Sie im Falle der Erstimpfung bei Welpen im Alter von mindestens 12 Wochen mindestens 21 Tage nach der ersten Impfung und längstens um den Zeitraum zurückliegt, den der Impfstoffhersteller für eine Wiederholungsimpfung angibt. In Deutschland gibt es derzeit Impfstoffe mit einer Zulassung von bis zu 3 Jahren. Generell sind Impfstoffe mit einem Zulassungsintervall von 3 Jahren vorzuziehen. Das Überschreiten der Fristen, selbst um 1 Tag, kann im Reiseverkehr Quarantäne-Maßnahmen nach sich ziehen.

Antikörpermessung als Alternative zur Impfung?

Eine gute Alternative zur routinemäßigen Impfung gegen Parvovirose und Staupe und HCC beim Hund und Panleukopenie bei der Katze ist die Messung von Antikörpern.

Antikörpermessung bei ausgewachsenen Tieren

Das Vorhandensein von Antikörpern bei adulten Tieren lässt bei diesen Infektionskrankheiten auf eine belastbare Immunität schließen und eignet sich daher zur Bestimmung des individuellen Immunstatus. Wenn ein Hund oder eine Katze Antikörper gegen eine der oben genannten Virusinfektionen besitzt, muss er/sie nicht dagegen geimpft werden. Aber auch wenn keine Antikörper messbar sind, kann das Tier über eine zellvermittelte Immunität oder die schnelle Aktivierung von Gedächtniszellen geschützt sein. Nichtsdestotrotz sollte eine Wiederholungsimpfung durchgeführt werden, wenn keine Antikörper (mehr) nachweisbar sind.

Bestimmung des optimalen Impfzeitpunkts beim Welpen

Antikörpermessungen können auch zur Bestimmung des optimalen Impfzeitpunktes (hierfür ist aber die Bestimmung eines Titers notwendig) beim Welpen oder zur Ermittlung des Impferfolgs während der Grundimmunisierung eingesetzt werden. Mit dem Hämagglutinationshemmtest oder Serum-Neutralisationstest kann die Höhe des Antikörpertiters bestimmt werden. Diese Verfahren eignen sich jedoch nicht für den Einsatz in der Praxis.

Antikörper-Schnelltests

Mittlerweile stehen praxistaugliche Schnelltests zur Verfügung, die anstelle eines Antikörpertiters semiquantitative Ergebnisse liefern. Da bei adulten Hunden und Katzen, die bereits geimpft wurden oder eine Infektion überstanden haben, der Nachweis von Antikörpern in jeglicher Höhe mit dem Schutz vor Infektion gleichgesetzt werden kann, eignen sich diese Tests sehr gut im Rahmen von Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen zur Erkennung ungeschützter Hunde und Katzen, um diese dann gezielt zu impfen.

Jetzt neu: „Spezialsprechstunde Cat’Xpert – Gesundheitsvorsorge für Katzen“

Die Medizinische Kleintierklinik der LMU München bietet in Kooperation mit Boehringer Ingelheim Vetmedia GmbH die neue „Spezialsprechstunde Cat’Xpert – Gesundheitsvorsorge für Katzen“ an.

Die Spezialsprechstunde "Cat’Xpert" bietet folgende Leistungen an:

  • moderne Impfpraxis (Antikörpermessungen und individuell angepasste Impfungen)
  • Prävention von Infektionskrankheiten
  • Endo- und Ektoparasiten-Prophylaxe
  • Spezielle Reiseprophylaxe
  • Gesundheitschecks (klinische und labordiagnostische Untersuchungen, inkl. Schilddrüse, Niere, Urin, Blutdruck, u. a. auch Ultraschall Abdomen, Röntgen, Pletysmographie)
  • Tests auf Infektionskrankheiten, inkl. Untersuchung auf Reisekrankheiten
  • (Früh-)Erkennung von Krankheiten beim Jungtier (angeborene Krankheiten, z. B. Herz, Niere) und bei der alten Katzen (z. B. Schilddrüse, Niere)

Jetzt Termin vereinbaren!

Telefon: 089 - 2180-2650

E-Mail: info@medizinische-kleintierklinik.de

 

Der (hier aktualisierte) Originalartikel ist erschienen in:

Impfungen in der Kleintierpraxis – aktuelle Strategien für Hunde und Katzen. Veterinärspiegel 2018; 28(02): 50 - 57. DOI: 10.1055/a-0600-6376.

Priv.-Doz., Dr. med. vet., Dr. med. vet. habil. Michèle Bergmann arbeitet als Oberärztin an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München. Ihre Fachgebiete sind Gesundheitsvorsorge und Infektionskrankheiten.

Prof., Dr. med. vet., Dr. med. vet. habil. Katrin Hartmann ist Diplomate ECVIM-CA (Internal Medicine), EBVS European Veterinary Specialist in Small Animal Internal Medicine, Fachtierärztin für Innere Medizin, Fachtierärztin für Innere Medizin der Kleintiere und Fachtierärztin für Klinische Laboratoriumsdiagnostik. Sie ist Vorstand der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München und Inhaberin des Lehrstuhls für Innere Medizin der Kleintiere sowie stellvertretende Direktorin des Zentrums für Klinische Tiermedizin.

Ihr Originalartikel "Impfungen in der Kleintierpraxis – aktuelle Strategien für Hunde und Katzen" erschien im Veterinärspiegel.

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5. Okt. 202408:15
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