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HeimtiereInappetenz – assistierte Fütterung beim Heimtier

Kaninchen und andere Heimtiere verbergen Erkrankungssymptome meist so lange wie möglich, sodass eine frühzeitige Erkennung oft schwierig ist. Doch wenn es zur Inappetenz kommt, ist schnelles Handeln erforderlich und eine gute Fütterung nötig.

Meerschweinchen wird Notnahrung verabreicht
Michael Tieck / stock.adobe.com

Inappetenz

Beim Heimtier, insbesondere bei den Kaninchen und Caviomorpha, handelt es sich um Tiere, bei denen die Peristaltik des GIT äußerst gering ausgeprägt ist, sodass ein permanenter Nahrungsnachschub erforderlich ist, um ein Weiterschieben der Ingesta zu gewährleisten. Sistiert die Futteraufnahme, so verbleibt der Nahrungsbrei im Magen. Die physiologische Darmflora wird nicht mehr adäquat versorgt, sodass Verschiebungen entstehen: Unerwünschte Bakterien können sich in Massen vermehren und die physiologischen Keime verdrängen. Gärungsvorgänge, Tympanien und letztendlich Enterotoxämien können die Folge sein.

Schmerzen unterschiedlichster Genese führen oftmals zu unspezifischen Symptomen wie Verweigerung der Nahrungsaufnahme und Apathie. Zwar ist auch hier eine sorgfältige diagnostische Aufarbeitung und kausale Therapie unerlässlich, jedoch ist eine adäquate Schmerzmedikation ein wichtiger erster Faktor, um das Allgemeinbefinden zu verbessern und die selbständige Nahrungsaufnahme wieder anzustoßen.

Assistierte Fütterung

Ein inappetentes Heimtier muss umgehend tierartgerecht zugefüttert werden. Diese assistierte Fütterung kann der Tierhalter in der Regel nach Anleitung in der Tierarztpraxis in den meisten Fällen problemlos übernehmen. Wichtig ist es, auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Tierarten einzugehen: Kaninchen und Caviomorpha können mit einem handelsüblichen Intensivfuttermittel (z. B. Critical Care, RodiCare Instant, HerbiCare plus) versorgt werden, das über eine dazu passende Spritze mit einer vergleichsweise vergrößerten und abgerundeten Öffnung verabreicht wird. Eine Sondenernährung ist nicht nur aufgrund der Größe der Heimtierpatienten limitiert, sondern auch aufgrund der Notwendigkeit des kontinuierlichen Zahnabriebs, insbesondere bei Kaninchen und Caviomorpha.

Ziel der assistierten Fütterung

Das vorrangige Ziel der assistierten Fütterung ist, dass der Heimtierpatient möglichst rasch wieder mit der eigenständigen Futteraufnahme beginnt. Daher sollte parallel zur assistierten Fütterung stets tierartspezifisches (Frisch-)Futter in kleinen und ggf. kleingeschnittenen Portionen sowie tierartabhängig hochwertiges Heu angeboten werden. Es empfiehlt sich, mit Frischfuttersorten zu starten, die bereits vor der Erkrankung besonders gern aufgenommen wurden; darüber hinaus scheinen besonders aromatische Futtermittel wie frische Wiesenkräuter von vielen Tieren in der Regenerationsphase bevorzugt zu werden.

Der an diese angepasste Rohfasergehalt der genannten Futtermittel ist jedoch für Kleinnager wie Mäuse, Ratten, Hamster und Rennmäuse zu hoch bei gleichzeitig zu niedrigem Proteingehalt, sodass hier ein Futter individuell angemischt werden muss. Als Grundlage eignen sich fein pürierte, ungewürzte Gemüsebreie für Babys. Diese müssen beispielsweise mit Schmelzflocken, fein vermahlenen Nüssen oder fetthaltigen Saaten und mit einer kleinen Menge der oben genannten Instantfutter angereichert werden. Alternativ können auch fein vermahlene, tierartspezifische Trockenfutterpellets und gemahlenes Trockengemüse untergemischt werden. Diese Mischungen sind in der Regel dünnflüssig genug, um problemlos mithilfe einer Tuberkulinspritze verabreicht werden zu können.

To-Dos beim Heimtierpatienten

  • gründliche und umfassende Anamnese und körperliche Untersuchung des gesamten Tieres

  • Grunderkrankung(en) identifizieren und behandeln

  • flankierende Maßnahmen zur Stabilisierung des Patienten einleiten

  • bei Inappetenz umgehend assistierte Fütterung einleiten

Vitaminversorgung

Bei inappetenten Tieren, insbesondere bei Kaninchen und Caviomorpha, entsteht zudem ein Vitaminmangel vor allem an B-Vitaminen, die bei intaktem Mikrobiom im Zäkum produziert und mittels Zäkotrophie/Koprophagie wieder dem Körper zugeführt werden. Die assistierte Fütterung muss daher entsprechend ergänzt werden (z. B. RodiCare Vita B). Gleiches gilt immer auch dann, wenn eine Kotaufnahme durch Verdauungsstörungen oder Zahnerkrankungen nicht möglich ist.

Wird beim Kaninchen noch Zäkotrophe gebildet und abgesetzt, oder ist es möglich, Zäkotrophe eines gesunden Kaninchens zu nutzen, so kann diese mit etwas Wasser angerührt und eingegeben werden. Hierdurch würden dem Kaninchenpatienten nicht nur Vitamine, sondern auch flüchtige Fettsäuren und Aminosäuren, die ebenfalls im Zäkum synthetisiert werden, zur Verfügung stehen.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass kleine Heimtiere bei einer naturnahen Ernährung einen großen Teil ihrer Aktivitätszeit mit der Futtersuche und Futteraufnahme beschäftigt sind. Eine gleichmäßige Fütterungsfrequenz mit vielen kleinen Portionen ist somit der selteneren Versorgung mit wenigen großen Portionen immer vorzuziehen, soweit dies in der Praxis oder durch den Heimtierhalter realisierbar ist.

Tierhalter als Partner

Sobald die Diagnostik abgeschlossen ist und eine erste Prognose gestellt werden kann, muss der Tierhalter ausführlich über die Therapiemöglichkeiten und -grenzen sowie über den voraussichtlichen Zeitaufwand und die Therapiedauer informiert und beraten werden. Hierbei geht es nicht nur um eine Information über die voraussichtlichen Kosten, die durch die Versorgung in der Praxis entstehen, sondern es geht gleichrangig auch um den Teil der Behandlung, der ggf. zuhause in Form von oraler Medikamentenapplikation und assistierter Fütterung zu leisten ist. Dabei sollten alle Maßnahmen in der Praxis stets gezeigt und mit dem Besitzer geübt werden. Um ein Aspirationsrisiko zu vermindern ist es wichtig, dass das Tier bei einer oralen Verabreichung nicht auf den Rücken gedreht wird, sondern stets in Brust-Bauch-Lage verbleibt oder mit der vorderen Körperhälfte etwas erhöht gelagert wird. Beim Kleinnager sind diesen Möglichkeiten größenbedingt rasch Grenzen gesetzt. Hier ist ein Mindestmaß an Kooperation des Patienten für das Gelingen einer assistierten Fütterung bzw. Medikamentengabe eine noch wesentlichere Voraussetzung als das bei Kaninchen und Caviomorpha der Fall ist. Ohne eine gute Compliance des Tierhalters und dessen aktives Mitwirken ist eine intensive Therapie ambulant – oder ggf. in tagesstationärer Behandlung – nicht möglich.

Medikamente und Futter

Zur oralen Eingabe von Medikamenten sollten möglichst Tuberkulinspritzen mit Spardorn eingesetzt werden. Nur so können die oftmals sehr kleinen Volumina exakt aufgezogen und verabreicht werden. Gleichzeitig minimiert sich die Menge, die im Konus verbleibt und verworfen wird. Für die Fütterung der Kleinstpatienten können ebenfalls Tuberkulinspritzen genutzt werden; für den rohfaserhaltigeren, teilweise etwas gröberen Futterbrei für Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchillas und Degus haben sich passend angebotene Fütterungsspritzen bewährt.

Wichtig ist es zudem, Futterbrei größenangepasst nur in kleinen Portionen zu applizieren und stets das Abschlucken abzuwarten. Bei einer zu großen Menge steigt ebenfalls das Aspirationsrisiko und zusätzlich werden Abwehrbewegungen und das Herauslaufen von Futter provoziert. Gestaltet sich die Fütterung durch die Unruhe des Heimtierpatienten schwierig, so kann es insbesondere bei Kaninchen, aber auch bei Caviomorpha eine Unterstützung sein, den Körper des Tieres in ein Handtuch einzuschlagen. So kann die Verletzungsgefahr für Mensch und Tier bei Abwehrreaktionen reduziert, aber auch die Fixation des Patienten vereinfacht werden.

Weiterlesen im Originalbeitrag

 

Der Originalartikel ist erschienen in:

Patient Heimtier – wann und wie sind intensive Therapien möglich?. Veterinärspiegel 2022; 32(04): 158 - 163. DOI: 10.1055/a-1939-8877.