Hunde als tägliche Begleiter in der Isolations- und Homeofficezeit. Katzen als Seelentröster und auch Nager wurden vermehrt während der Coronapandemie angeschafft. Oft unüberlegt, denn jetzt, da die Pandemiezeit vorbei ist, müssen viele Menschen wieder ins Büro. Auch in Urlaub wird wieder gefahren. Doch wohin mit den vierbeinigen Begleitern?
Tiere, die in dieser Zeit ohne groß nachzudenken von den Menschen angeschafft wurden, säßen nun in Tierheimen, so der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes Thomas Schröder. Viele von ihnen, vor allem große Hunde, seien kaum wieder in ein neues Zuhause vermittelbar. Die Abgabeflut, vor der der Tierschutzbund so lange gewartet hat, wurde zur traurigen Realität.
Was heißt das genau?
Deutschlands Tierheime sind an der Belastungsgrenze. „Der Haustierboom, den wir in der Coronazeit erlebt haben, zeigt seine Folgen aktuell mit voller Wucht“, betonte Schröder. „Tagtäglich melden sich immer mehr Menschen, die ihre Tiere abgeben wollen.“ Dem Tierschutzbund sei derzeit kein Tierheim in Deutschland bekannt, „das aktuell nicht voll ist oder sogar mehr Tiere beherbergt als eigentlich vorgesehen“, sagte Schröder. Das Tierheim Süderstraße in Hamburg nimmt zum Beispiel seit Kurzem gar keine Hunde und Katzen mehr auf, auch nicht solche, die vom Veterinäramt beschlagnahmt wurden. In Tierheimen, in denen kein Aufnahmestopp herrscht, gibt es dafür lange Wartelisten. So müssen in München Halter, die ihre Tiere abgeben wollen, in Einzelfällen mehrere Wochen oder Monate warten, erklärt die Leiterin des dortigen Tierheims Eva-Maria Natzer.
Ukrainekrieg und Problemhunde
Nicht nur durch die Abgabeflut der „Corona-Haustiere“ erreichen die Tierheime ihr Kapazitätsmaximum. Durch die Unterbringung von Tieren aus der Ukraine fallen zusätzliche Kosten an, die getragen werden müssen. Zudem betont Natzer, dass sich gerade Hunde, die Erziehungsdefizite oder schon einmal gebissen haben, in den Tierheimen sammeln. Diese Hunde seien kaum vermittelbar und stellen eines der größten Probleme dar.
Statt nun in deutschen Tierheimen nach einem passenden Begleiter zu suchen, wenden sich Menschen oft an unseriöse Züchter oder Quellen im Ausland, um vermeintlich unkomplizierte Hunde zu finden. Da diese es oft doch nicht sind, landen auch sie häufig im Tierheim. Ein Teufelskreis, denn so vergrößert sich die Zahl der Tierheim-Tiere immer mehr.
Angestiegene Tierarztkosten verschärfen die Lage
Für einige Halter*innen sind es auch finanzielle Gründe, weswegen sie ihre Tiere abgeben müssen. Seit November 2022 ist die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) in Kraft getreten, viele Behandlungen und Eingriffe sind teurer geworden. Vor allem für Menschen mit geringem Einkommen und ohne Krankenversicherungen für ihr Tier kann das zum Problem werden. Als einzige Lösung bleibt für viele das Tierheim, was nun zur Endstation für alte und chronisch kranke Tiere wird.
Folgen für die Tiere
Der Deutsche Tierschutzbund ist besorgt über das Schicksal der Haustiere, die von Tierheimen wegen dramatischer Überfüllung nicht mehr aufgenommen werden können. "Es muss sichergestellt werden, dass die Besitzer sich ihrer Tiere nicht anderweitig entledigen", sagte der Präsident des Bundes, Thomas Schröder.
Wie kann die angespannte Situation entschärft werden?
Schutzverordnungen, Verbote und finanzielle Unterstützungen - die Ideen und Forderungen der Tierheime und Tierschützer*innen sind breit gefächert.
Hilfe vom Staat
Vor allem vom Staat wünschen sich die Tierheime mehr Hilfe. Thomas Schröder, Präsident des deutschen Tierschutzbundes betonte, dass die Tierheime und Tierschutzvereine in Deutschland mit dem Rücken zur Wand stehen und der karitative Tierschutz ohne staatliche Unterstützung zusammenbrechen werde. Aus diesem Grund haben mehrere Tierheime bereits einen Brandbrief an Landwirtschaftsminister Cem Özedmir und die Tierschutzbeauftragte des Bundes geschrieben. Die Unterzeichner*innen forderten u.a. einen Sachkundenachweis für potenzielle Hundehalter*innen und mehr finanzielle Unterstützung.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium reagierte mit dem Hinweis, dass der Bund keine finanziellen Verpflichtungen gegenüber Tierheimen habe. Dennoch arbeite das Ministerium zurzeit daran eine entsprechende Stiftung einzurichten, die Tierheime künftig unterstützen soll, denn dem Bund sei bewusst, dass die Arbeit der Tierheime für den Tierschutz unverzichtbar ist.
Von Verboten bis zum Führerschein für Haustiere
Um die angespannte Situation in den Tierheimen zu entschärfen, empfehlen die Tierschützer*innen eine intensive Beratung vor dem Kauf von Tieren. Zudem fordern sie ein Heimtiergesetz in Deutschland, um bestimmte Regeln und Voraussetzungen für die Haltung von Tieren festzulegen. Sollte ein solches Gesetz auf bundespolitischer Ebene nicht umsetzbar sein, schlagen die Tierschützer*innen die Einführung eines „Führerscheins“ für Haustiere vor. Dadurch könnte jedes Bundesland eine solche Regelung selbst treffen. Ziel sei es, das Verantwortungsbewusstsein und die Kenntnisse von potenziellen Tierhalter*innen zu überprüfen und Themen wie Tierarzt- und Haltungskosten vorab zu klären, so Andreas Lindig, 1. Vorsitzender des Tierschutzbundes Rheinland-Pfalz.
Darüber hinaus fordern die Tierheime ein europaweites Verbot des Internethandels mit lebenden Tieren. So könnte beispielsweise sichergestellt werden, dass Tiere an einen Züchter zurückgegeben werden könnten, wenn eine art- und tiergerechte Haltung doch nicht möglich ist.
Zudem machen Tierschützer*innen darauf aufmerksam, dass eine Katzenschutzverordnung dringend notwendig ist, was bedeutet, dass für alle Freigängerkatzen eine Kastrationspflicht eingeführt werden soll, denn nur so könne man das Katzenelend auf Dauer beenden.
Versicherungen abschließen
Tierhalter*innen sollten zudem vermehrt darauf hingewiesen werden, Tierkrankenversicherungen für ihre Vierbeiner abzuschließen, so wie es bereits in vielen skandinavischen Ländern oder Großbritannien der Fall ist. Die Tierarztkosten sind mit der neuen GOT vom November 2022 gestiegen, doch die Anpassung der Preise war dringend notwendig, um den Tieren in Deutschland weiterhin eine gute medizinische Versorgung zu ermöglichen.
Fazit
Die Situation in den Tierheimen in Deutschland ist angespannt. Daher ist es dringend erforderlich, Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Lage zu ergreifen. Nur wenn Bund, Länder, Tierheime und auch (potenzielle) Tierhalter*innen zusammenarbeiten, können Wartelisten und Aufnahmestopps künftig der Vergangenheit angehören.
Quellen (nach Angaben von):
Tierschützer warnen: Tierheime nach Corona überfüllt | tagesschau.de. 06.10.2023
Tierheime in Deutschland sind im Sommer überfüllt (rp-online.de). 06.10.2023
Haustiere: Tierschutzbund warnt vor Folgen durch überfüllte Tierheime (rnd.de). 06.10.2023
(JD)