
Der orientalische Augenwurm, wie er lange Zeit genannt wurde breitet sich endemisch zunehmend in Europa aus und befällt Hunde, Katzen, Hasenartige und Menschen.
Erreger
Es gibt verschiedene Arten der Augenwürmer, Thelazia spp., mit unterschiedlichen Wirtsspektren, die zu den Nematoden gehören. Für Hunde- und Katzenartige, Kaninchen sowie den Menschen ist in Europa T. callipaeda die wichtigste Art. Im Auge bzw. in der Tränenflüssigkeit der Wirte entwickeln sich aus den infektiösen Larven innerhalb etwa eines Monats adulte Würmer.

Abb. 1 - Fruchtfliegen der Gattung Phortica sind Vektoren für den Augenwurm Thelazia callipaeda.
Übertragung und andere Faktoren
Der Vektor ist gleichzeitig Zwischenwirt. T. callipaeda wird generell durch Phortica spp., in Europa hauptsächlich durch die Fruchtfliegenart Phortica variegata (Drosophilidae, Steganinae) [Abb. 1], übertragen. P. variegata ernährt sich von dem Saft reifer Früchte, die männlichen Fruchtfliegen zusätzlich von Tränendrüsensekret diverser Säugetierspezies. Während der Nahrungsaufnahme an einem mit T. callipaeda infizierten Wirt erfolgt die Aufnahme der Larve 1 (L1). Diese entwickelt sich im Zwischenwirt über das zweite Larvenstadium (L2) innerhalb von 3 Wochen zur infektiösen Larve 3 (L3). Die L3 wird bei der nächsten Nahrungsaufnahme auf den Endwirt übertragen und entwickelt sich im Konjunktivalsack über das vierte Larvenstadium (L4) zum adulten Wurm [3] .
Verbreitung
Große Bereiche Zentraleuropas scheinen für diesen Vektor als Habitat geeignet zu sein. In Fangversuchen konnte Phortica variegata auch nördlich der Alpen nachgewiesen werden [VIII]. Thelazia (T.) callipaeda wurde ursprünglich in Ostasien beschrieben und erhielt daher den Trivialnamen „Orient-Augenwurm”. Seitdem konnte dieser Nematode auch vom Mittelmeerraum ausgehend über Europa bis nördlich der Alpen nachgewiesen werden.
Veröffentlichungen zeigen, dass autochthone Infektionen mit T. callipaeda seit 1989 in Italien, Frankreich und der Schweiz nachgewiesen werden konnten. Durch retrospektive Befragung und aktive Suche konnten für den Zeitraum 2000–2006 für das Tessin in der Südschweiz 102 Fälle von Thelaziose zusammengetragen werden. Betroffen waren 98 Hunde und 4 Katzen. Über 60 % dieser Tiere hatten die Schweiz nie verlassen [V]. In Deutschland wurde 2009 der erste autochthone Fall beschrieben [IV]. Der betroffene Hund aus Bühl in Baden-Württemberg war bis auf 2 kurze Aufenthalte im benachbarten Elsass nicht im Ausland gewesen.
Die Verbreitung von T. callipaeda hängt vom Vorkommen seines Vektors ab. P. variegata ist bei seiner Verbreitung v. a. an Eichenwälder und Obstfarmen gekoppelt und bereits in vielen europäischen Ländern heimisch. Je nach Region und den dortigen klimatischen Verhältnissen zeigen die Fruchtfliegen eine saisonale Aktivität zwischen Mai und Oktober. Temperaturen von 20–25 °C und eine Luftfeuchtigkeit von 50–75 % stellen optimale Bedingungen dar [22] . Obwohl die Vektorausbreitung nach Norden und das Vorkommen von Phortica spp. in Ostwestfalen-Lippe bisher nicht dokumentiert wurden, kann die Einschleppung des Vektors und das saisonale Auftreten in den einzelnen Gebieten nicht ausgeschlossen werden.

Abb. 2 - Klinischer Befund: Nachweis von Thelazia callipaeda auf der bulbären Seite der Nickhaut nach deren Vorverlagerung mit einer Fixierpinzette nach Gräfe.
Symptome
Bei geringem Befall führt die Infektion mit dem Augenwurm zu Epiphora, Pruritus, Photophobie und Konjunktivitis [Abb. 2]. In schweren Fällen entwickeln die Patienten eine Keratitis und Kornea-Ulzerationen. Die Symptome werden sowohl durch larvale als auch adulte Stadien ausgelöst.
Zoonose
In Asien, der Heimat des „Orient-Augenwurms”, steigt die Zahl der berichteten Fälle. In Europa wurden 2008 erstmals 4 autochthone Humanfälle publiziert bei Patienten aus Italien und Frankreich. Die Symptomatik beim Menschen entspricht der des Tieres. Die klinische Diagnose kann erschwert sein, wenn nur wenige Würmer oder nur Larven vorhanden sind. Die Symptomatik ähnelt dann der einer allergischen Konjunktivitis.

Abb. 3 - Adulte Exemplare des Augenwurms sind nach Lokalanästhesie und Anheben der Nickhaut deutlich sichtbar.
Diagnostik
Unter Lokalanästhesie sind adulte Würmer nach Anheben der Nickhaut gut sichtbar. Bei massivem Befall sind sie direkt erkennbar [Abb. 3]. Eine genaue Artdiagnose kann morphologisch und mittels DNA-Analyse erfolgen. Eine morphologische Identifizierung erfolgt mittels Lichtmikroskopie. Die anschließende DNA-Extraktion mit PCR, Sequenzierung und Sequenzanalysen des mitochodnrialen Cytochrom-C-Oxidase-Subunit-1-Gen (cox1) gibt zusätzlich Aufschluss über den Erreger und kann die morphologiche Diagnose unterstützen. Anahnd bestimmter morphologischer Kriterien wie der Position der Vulva vor dem Übergang vom Ösophagus zum Darm, einer hexagonalen Mundkapsel und zwei unterschiedlich langen Spikula können T. callipaeda identifiziert werden. [Abb. 4]

Abb. 4 - Vorderes Ende eines adulten Wurms von Thelazia callipaeda mit einer lippenlosen, hexagonalen Mundkapsel.
Behandlung und Prophylaxe
Sichtbare Würmer können mechanisch mit einer Pinzette unter Lokalanästhesie entfernt werden. Als Mittel der Wahl im Rahmen einer medikamentösen anthelminthischen Therapie gelten Vertreter der Makrozyklischen Laktone. Beschrieben ist eine Wirksamkeit von 98 % nach zweimaliger Anwendung von Milbemycinoxim im Abstand von 1 Woche. Die Anwendung von 2,5 % Moxidectin/10 % Imidacloprid (Advocate) erreichte schon nach einmaliger Spot-on-Applikation eine Wirksamkeit von 95 %. Die Wirkstoffe sind entsprechend zum Einsatz bei Reisen in Endemiegebiete als Prophylaxe anzuwenden. Zur Reduktion lokaler Entzündungsreaktionen können zusätzlich Diclofenac-Augentropfen eingesetzt werden.
Fazit
Infektionen mit dem Nematoden Thelazia callipaeda (Augenwurm) werden zunehmend auch in Mitteleuropa beschrieben. Autochthone Fälle der Thelaziose sind bei Hunden in Deutschland bereits festgestellt worden. Klinische Erkrankungen beim Hund sind relativ selten und bei geeigneter Medikation gut therapierbar. Eine weitere Ausbreitung der Helminthose sollte nicht zuletzt aufgrund ihrer zoonotischen Bedeutung verhindert werden. Eine sorgfältige Diagnostik insbesondere bei Import- und Reisehunden, geeignete Prophylaxe für Reise begleitende Hunde sowie eine wirksame Therapie von Infektionen können als Maßnahmen genutzt werden, um die Verbreitung des Parasiten einzugrenzen. Für die Helminthose konnte durch Studien gezeigt werden, dass Moxidectin (Advocate) im Rahmen prophylaktischer Maßnahmen und für die Therapie einfach anwendbar und effektiv wirksam ist.
Die Originalartikel sind erschienen in:
(RG)
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