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Interview„Teamwork makes the dream work“ - Tiermedizin-Studium in Lettland

Pia Petersen ist 25 Jahre alt und studiert seit September 2017 an der Latvia University of Life Sciences and Technologies in Jelgava/Lettland Tiermedizin. In diesem Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Leonie Kamp

Wie kam es, dass Du in Lettland Tiermedizin studierst?

Die Entscheidung für das Studium im Ausland hing einzig und allein von meiner Abiturnote ab, mit der ich zeitnah leider keinen Studienplatz in Deutschland bekommen hätte. Auch etwaige Wartesemester und die Anrechnung (m)einer Ausbildung als TFA hätten dafür nicht ausgereicht Bei einem Praktikum in einer Pferdeklinik bekam ich den Kontakt von einem deutschen Studenten, der in Lettland mit dem Tiermedizin-Studium angefangen hatte. Ich hatte mich davor bereits über Studienoptionen im europäischen Ausland informiert. Nach einem persönlichen Treffen, bei dem ich viel über die Universität und Vorteile von Lettland erfahren habe, entschloss ich mich, mich an der tiermedizinischen Fakultät in Jelgava zu bewerben. Ich wurde nach einem erfolgreichen Test und einem Motivationsgespräch, beides online, direkt angenommen und habe dann 2017 mein Studium in Lettland angefangen.

Welche Zugangsvoraussetzungen gibt es für das Studium?

Für das Studium in Jelgava benötigt man Abitur und eine „befriedigende“ Note in den naturwissenschaftlichen Schulfächern, vor allem Biologie und Chemie. Zusätzlich braucht man gute Sprachkenntnisse in Englisch, z.B. einen IELTS über 6.0, TOEFL von 547 oder TOEFL-iBT von 76. Einen Medizinertest gibt es online – der Fokus liegt hierbei allerdings auf Biologie und Chemie und der Test muss bestanden werden, um zugelassen zu werden.

Wie hoch sind die Studiengebühren und gibt es finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten?

Zum jetzigen Zeitpunkt belaufen sich die Studiengebühren auf 8000,- Euro pro Studienjahr  (12 Fachsemester, 6 Studienjahre). Man kann sich jährlich für ein Stipendium bewerben, das in der Vergangenheit an internationale Student*innen vergeben wurde.

Wie war Dein Start in Lettland?

Der Anfang war durchwachsen. In ein anderes Land zu ziehen und auf sich selbst gestellt zu sein, erfordert viel Mut und Selbstvertrauen. Im Studium musste man sich erstmal zurechtfinden und sich organisieren, Lerngruppen und neue Freunde finden. Da alle im selben Boot saßen, wurden Kommiliton*innen schnell zu guten Freund*innen und später zu einer kleinen Familie.

Ich kann auf jeden Fall empfehlen, sich Jelgava und die Fakultät vor Studienbeginn einmal anzugucken und am Anfang im Studentenwohnheim zu wohnen, um viele Leute kennen zu lernen. Im Studentenwohnheim kann man immer an eine Tür klopfen wenn man einsam oder überfordert ist oder einfach jemanden zum Reden braucht. Nach und nach haben sich alle eingelebt, sind in eigene Wohnungen gezogen, haben sich Haustiere angeschafft oder sind, wie eine Kommilitonin und ich, von Jelgava nach Riga umgezogen, um aus der Provinz wieder ins vermisste Großstadtleben einzutauchen. Viele hatten in den ersten Wochen Heimweh und der frühe und sehr harte Winter hat dabei nicht unbedingt geholfen. Aber am Ende sind alle aus meinem Kurs geblieben und wir sind zu einem super Team zusammengewachsen. „Teamwork makes the dream work“ beschreibt das Motto und Leben hier sehr gut.

In welcher Sprache findet der Unterricht statt?

Der gesamte Unterricht findet auf Englisch statt. Am Anfang muss man sich erstmal dran gewöhnen, da alle unterschiedliche Sprachkenntnisse haben, aber mit der Zeit wird es immer besser. Der Vorteil, alles auf Englisch zu lernen, ist, dass einem mehr Fachlektüre zur Verfügung steht und man später eine größere Auswahl an internationalen Jobangeboten hat. Der Nachteil ist, dass ich bei meinen Praktika in Deutschland feststellen musste, dass mir manchmal die Terminologie in meiner Muttersprache nicht spontan über die Lippen kommt. Um auch im Alltag zurecht zu kommen, muss man im ersten Studienjahr einen Lettisch-Kurs belegen.

Welche Vorteile bietet das Studium in Lettland?

Die großen Vorteile sind, dass man NC-unabhängig Tiermedizin studieren kann und dass die Zahl der internationalen Student*innen in jedem Jahrgang vergleichsweise klein ist. In meinem Jahrgang sind wir zu elft. Das Studium ist international anerkannt und die Fakultät hat vor kurzem eine Verlängerung bis 2026 vom European Veterinary Education Commitee der European Association of Veterinary Education Institutions (EAVE) bekommen.

Studierende lernen praktische Fächer in sehr kleinen Gruppen von 5–7 Student*innen, was sicherstellt, dass jeder alles einmal selber ausprobieren darf und das Konzept von „Learning by doing“ unterstreicht. Wenn man in einzelnen Fächern Schwierigkeiten hat, sind viele Dozent*innen sehr bemüht, zu helfen und es werden Konsultationen angeboten, um Defizite aufzuarbeiten. Die Praxis geht vom Präparieren von Organen über Kastrationen bis hin zu Klinikdiensten, bei denen man viel sieht und assistieren darf. Der Umgang mit den Dozent*innen ist recht locker. Viele arbeiten nebenbei in der Uniklinik auf dem Campus, was super ist, da man das theoretisch Gelernte mit denselben Personen in den Klinikschichten praktisch anwenden kann.

Wieviel bekommst Du von dem Studium in Deutschland mit und kann man das Studium in den beiden Ländern vergleichen?

Da ich alle meine Praktika in verschiedenen Bundesländern in Deutschland absolviert habe, konnte ich ein paar Eindrücke zum Studium in Deutschland und zu den Unikliniken sammeln. Ich denke, dass das Studium relativ ähnlich ist, was das Pensum betrifft. Trotzdem habe ich gemerkt, dass die deutschen Student*innen über profunderes theoretisches Wissen verfügen, während ich einen Vorteil im praktischem Bereich habe. Die Regelstudienzeit in Deutschland beträgt 11 Semester, in Jelgava sind es 12 Semester. Das Wintersemester startet im September und geht bis Dezember, im Januar ist die Klausurphase. Das Sommersemester startet im Februar und geht bis Mitte Juni. Die langen Semesterferien sind in der zweiten Junihälfte, im Juli und August.

Wie laufen die Prüfungen an der Uni ab?

Es gibt regelmäßige Testate während des Semesters, die meistens schriftlich sind. Ich empfinde das als ziemlich "verschult", erlebe durch die regelmäßigen Überprüfungen aber auch keine bösen Überraschungen, wenn es drauf ankommt. Die Häufigkeit der Testate hängt vom Fach, dem Pensum und den Dozent*innen ab. Manche Fächer, wie z.B. Anatomie, werden immer mündlich geprüft, da man am Präparat oder Skelett zeigen muss, was man sieht. Jedes Semester endet mit einer 3-wöchigen Prüfungsphase. Die Formate der Prüfungen (Exams) sind unterschiedlich, manche sind schriftlich, andere sind mündlich mit Tickets, die man vorbereiten kann und dann am Prüfungstag zieht. Man muss alle Prüfungen bestanden haben, um in das nächste Semester aufsteigen zu können.

Neben den Testaten und Prüfungen gibt es in fast jedem Fach eine Hausarbeit, die man entweder zugeteilt bekommt oder für die man sich selber ein Thema auswählen darf. Die Hausarbeiten sind ziemlich umfangreich und müssen immer präsentiert werden.

Das tiermedizinische Studium wird mit 2 Staatsexamen, jeweils ein Teil schriftlich und mündlich und einer Diplomarbeit mit eigener Studie abgeschlossen.

Welche Praxiserfahrungen sind im Studium möglich?

Das Studium sieht verschiedene Praktika (Kleintier/ Großtier), intensive Lernwochen im universitätseigenen Milchbetrieb und eine Rotation vor. Die Praktika können, wenn es mit dem Plan übereinstimmt, auch im Ausland bzw. Heimatland absolviert werden. Die Rotation wird meistens in den sehr gut und modern ausgestatteten Unikliniken für Kleintiere und Pferde als auch der tiermedizinischen Pathologie der Universität absolviert.

Alle Student*innen bekommen ab dem 5. Semester ein kleines Heft, in dem Unterschriften als Beleg für praktische Erfahrung gesammelt werden sollen.  Das Heft beinhaltet Schwerpunkte für Untersuchungen und Behandlungen alle Tierarten betreffend und sollte so viele Unterschriften wie möglich bis zum Staatsexamen vorweisen. Bedingt durch Corona ist mein Jahrgang diesbezüglich ein bisschen im Rückstand, aber wir holen gut auf.

Und manche Student*innen arbeiten neben den obligatorischen Klinikschichten z.B. in der Pferdeklinik, um mehr Berufserfahrung zu sammeln.

Welche Rolle spielen nicht kurative Fächer, wie z.B. Kommunikation mit dem Besitzer, Praxismanagement, Forschung oder Labormedizin?

Das einzige nicht-kurative, dennoch verpflichtende Fach ist Ethik. Zusätzlich haben wir Auswahlmöglichkeiten für zusätzliche ECTS-Punkte, wie z.B. Ophthalmologie, Physiologie von Sinnesorganen, Zahnmedizin, Sonografie-Seminare etc.. ECTS (European Credit Transfer System) werden von vielen Europäischen Hochschulen benutzt und sind Punkte, die man während des Studiums für jeden bestandenen Kurs sammelt. ECTS können in deutsche Leistungspunkte umgerechnet werden.

Planst Du nach dem Studium eine Rückkehr nach Deutschland?

Nach 6 Jahren in Lettland mit sehr langen und kalten Wintern ist eine Rückkehr nach Deutschland geplant. Die Zeit hier war sehr schön, vor allem Riga ist eine tolle Stadt, die ich bestimmt immer mal wieder besuchen werde, aber langsam ist es Zeit für ein neues Kapitel und den Start ins Berufsleben. Diesem Land und seinen Leuten werde ich immer dankbar dafür sein, dass ich hier die Möglichkeit hatte, mich auf meinen Traumberuf vorzubereiten.
 

Das Interview wurde geführt von Dr. Leonie Löffler.