Bei Säugetieren galt bisher, dass beim Paarungsverhalten immer ein Eindringen des Penis in den weiblichen Genitaltrakt stattfindet. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift „Current Biology“ veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung unter der Leitung der Universität Lausanne und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) dokumentiert eine völlig andere Vorgehensweise bei Fledermäusen, einer Gruppe von Säugetieren, über deren Sexualverhalten immer noch wenig bekannt ist: Breitflügelfledermäuse paaren sich ohne ein Eindringen des Penis in den Genitaltrakt der Weibchen.
Befruchtung ohne Intromission
Die Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus) ist eine große insektenfressende Fledermaus, die in Europa, dem Nahen Osten und Asien vorkommt. Der erigierte Penis dieser Art ist im Vergleich zur Größe der Vagina des Weibchens viel zu groß. Um zu verstehen, wie sich diese Fledermäuse paaren, beobachteten die Wissenschaftler*innen ihr natürliches Paarungsverhalten auf dem Dachboden einer Kirche und während eines vorübergehenden Aufenthalts in menschlicher Obhut in einem Fledermaus-Rehabilitationszentrum. Echtzeit-Beobachtungen von fast 100 Paaren bei der Paarung zeigten, dass die Männchen ihren Penis nicht als intromittierendes Organ benutzten. Vielmehr „bestieg“ das Männchen das Weibchen auf dem Rücken, wie es viele andere Säugetiere tun, und nutzt seinen langen Penis wie einen Arm, um die Flughaut zu umgehen, die eine normale Paarung verhindert. Das Männchen drückt dann seinen Penis fest gegen die Vulva des Weibchens; das Paar kann mehrere Stunden lang in dieser Position bleiben.
„Die vorliegende Untersuchung dokumentiert etwas Besonderes unter den Säugetieren“, sagen Dr. Susanne Holtze vom Leibniz-IZW und Marcus Fritze von der Universität Greifswald. „Unsere Beobachtungen und die besondere Morphologie des Penis der Breitflügelfledermaus-Männchen sind der erste Beweis für eine Paarung ohne Intromission bei einem Säugetier.“ Es ist schwierig, das Verhalten von nachtaktiven Tieren zu beobachten, erst recht von fliegenden Tieren wie Fledermäusen, schreibt das Autorenteam in ihrem Beitrag in der Fachzeitschrift „Current Biology“. Bei Fledermäusen gebe es noch immer viele Geheimnisse über ihre Biologie. Insbesondere sei wenig über ihre Fortpflanzungsweise bekannt, die bei den 1400 bisher bekannten Fledermausarten mit Sicherheit sehr unterschiedlich ist.
Quelle (nach Angaben von):
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. (21.11.2023). "Die Geheimnisse der Fledermaus: neuer Paarungsmechanismus bei Säugetieren entdeckt". Im Internet: Die Geheimnisse der Fledermaus: neuer Paarungsmechanismus bei Säugetieren entdeckt - Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (izw-berlin.de). 23.11.2023.
(RG)