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Spezial: NiereAkute Nierenschädigung bei der Katze

Hohe Nierenwerte bei der Katze? Da denkt man schnell an eine Nierenerkrankung (CNE). Oder doch nicht? Lesen Sie hier, was es außer einer CNE noch sein kann.

Adorable cat with a collecting urine sample for urinalysis. Urin
Yaya Photos / stock.adobe.com

Inhalt

Nicht immer ist es eine CNE

In der Praxis werden recht häufig Katzen mit erhöhtem Kreatinin vorgestellt – in der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München sind dies ca. 11% der Klinikpopulation. Da die chronische Nierenerkrankung (CNE) besonders bei alten Katzen recht häufig ist, lässt man sich gern bei besonders hohen Nierenwerten spontan dazu hinreißen, eine schlechte Prognose auszusprechen. Doch neben der chronischen Nierenerkrankung mit einem nicht reversiblen Verlust der Nierenfunktion, gibt es eine Reihe anderer und reversibler Gründe für erhöhte Nierenwerte. Dazu zählen prä-renale Gründe wie Dehydratation und Schock, post-renale Gründe wie Verlegung der Harnröhre oder der Harnleiter und Uroabdomen sowie die akute Nierenschädigung (ANS).

Akute Nierenschädigung

Bei der akuten Nierenschädigung (ANS) liegt ein Schaden der Nierentubuli vor, die für die Resorption von Wasser und Elektrolyten zuständig sind. Diese Schädigung der Tubuluszellen ist im Gegensatz zur chronischen Nierenerkrankung, bei der die Glomeruli mit ihrer Filterfunktion geschädigt sind, morphologisch und funktionell wiederherstellbar. Die ANS tritt bei ca. 0,5% der in der Klinik vorgestellten Katzen und bei ca. 4% der Katzen mit erhöhten Nierenwerten auf.

Merke

Tubuluszellen können sich regenerieren, Glomerulumzellen nicht!

Entzündliche und nicht-entzündliche Ursachen der ANS

Die Schädigung der Nieren kann verschiedene Ursachen haben. Oft werden diese in entzündliche und nicht-entzündliche Ursachen eingeteilt. Zu den entzündlichen Ursachen zählen systemische Entzündung und Sepsis, aber auch Nierenbeckenentzündungen. Nicht-entzündliche Ursachen sind vor allem Vergiftungen (z. B. mit Frostschutzmittel oder Lilien), vorangegangene Medikamentengaben (NSAIDs) und Narkosen. Diese stellen bis zu 30% der Ursachen der ANS dar. Auch durch Traumata und Tumoren können die Nieren geschädigt werden und bei ca. 25% der Katzen wird die zugrunde liegende Ursache nicht gefunden.

Ursachen für ANS im Einzelnen
  • systemische Entzündungen und Sepsis​​​​​​
  • Nierenbeckenentzündung
  • Vergiftungen, oft Frostschutzmittel oder Lilien
  • Medikamente, z. B. NSAIDs
  • Narkosen
  • Traumata
  • Tumore

Allgemeine Ziele der ANS-Diagnostik

Ziel der Diagnostik ist es, prä-renale und post-renale Prozesse von intrinsischen Nierenerkrankungen abzugrenzen, sowie chronische Nierenerkrankungen zu erkennen und die Ursache der ANS herauszufinden.

Abgrenzung der ANS von der CNE

Die akute Nierenschädigung ist eine Erkrankung, die meist eine Dauer von weniger als 2 Wochen hat. Anamnestische Befunde , wie Polyurie/Polydipsie, stumpfes Fell, verminderte Futteraufnahme und Gewichtsverlust mit einer Dauer von mehreren Wochen oder Monaten, deuten eher auf eine CNE hin. Eine Veränderung des Urins, wie rötliche Färbung oder unangenehmer Geruch können auf akute Prozesse hinweisen.

Anamnese potenzieller ANS-Ursachen

Im Vorbericht sollte nach potenziellen Ursachen für die Nierenschädigung gefragt werden: Wurden in den letzten Tagen oder Wochen Medikamente oder Kontrastmittel verabreicht, hatte die Katze Schmerzen, war eine Narkose nötig oder bestand Kontakt zu Frostschutzmittel, Lilien oder anderen potenziell giftigen Pflanzen?

Abklärung prä-renaler und post-renaler Ursachen

Prä-renale Ursachen können durch die Bestimmung des spezifischen Uringewichtes (USG) mit einem Refraktometer evaluiert werden. Wenn das USG > 1035 ist, handelt es sich wahrscheinlich um einen prä-renalen Prozess und damit oft um eine verminderte Blutversorgung der Nieren. Hinweisend auf post-renale Prozesse sind Verlegungen der Harnwege, welche durch eine große, schmerzhafte Blase oder gestaute Nierenbecken im Ultraschall sichtbar werden.

Untersuchung bei Verdacht auf Nierenerkrankungen

In der klinischen Untersuchung kann der spezifische, urämische Geruch und zum Teil eine massive Entzündung der Maulhöhle durch die Ansammlung der urämischen Toxine vorhanden sein. Auch eine Palpation der Nieren ist wichtig, um Hinweise auf akute oder chronische Erkrankungen zu bekommen. Bei der ANS sind die Nieren häufig vergrößert und teils schmerzhaft. Da bei stark erhöhten Nierenwerten der Temperatursollwert im Temperaturregulationszentrum des Gehirns reduziert wird, ist eine normale Körpertemperatur bei schwerwiegender Urämie hinweisend auf einen entzündlichen oder tumorösen Prozess. Viele Katzen mit chronischen, aber auch mit akuten Nierenerkrankungen, können ihren Blutdruck nur schlecht regulieren und haben oft einen erhöhten Bluthochdruck. Daher sollte auch bei akuten Nierenerkrankungen eine regelmäßige Blutdruckmessung erfolgen.

Labordiagnostik bei Nierenerkrankungen

Die Labordiagnostik sollte folgende Parameter beinhalten:

  • Harnstoff
  • Kreatinin*
  • Phosphat
  • Totalprotein
  • Albumin
  • Glukose
  • Elektrolyte Kalium, Natrium und Chlorid
Reihenfolge der Blutabnahme

Bei der Abnahme der Blutproben sollte das Röhrchen zur Kaliumbestimmung (Heparin, Serum) vor dem Röhrchen für das Blutbild (EDTA) abgenommen werden, da das EDTA ggf. das Serum kontaminieren kann und damit der Kaliumgehalt falsch hoch und das Kalzium falsch niedrig gemessen wird.

Messbereiche der Laborgeräte beachten!

Dabei sollte auch auf die maximalen Messbereiche der Laborgeräte geachtet werden. Einige Geräte messen das Kreatinin bis zu 500 µmol/l, andere bis zu 880 µmol/l. Falls die Werte höher sein sollten als das Gerät messen kann, ist eine Verdünnung des Blutes und entsprechende Umrechnung der Messergebnisse sinnvoll, um einigermaßen zuverlässige Werte zu erlangen.

Elektrolyte, Blutgasanalyse und Blutbild bei ANS

Eine Hyperkaliämie ist häufig bei anurischer oder oligurischer ANS vorhanden. Bei polyurischen Katzen dagegen findet sich oft eine Hypokaliämie. Eine Blutgasanalyse ermöglicht die Beurteilung des Schweregrads der Azidose. Zudem können mithilfe des ionisierten Kalziums einige Ursachen der Nierenschädigung, wie z. B. eine Erkrankung der Nebenschilddrüse, genauer beurteilt werden. Eine Hyperkalzämie kann zudem ein Hinweis auf eine Hypervitaminose D oder eine Tumorerkrankung sein. Im Blutbild kann eine Leukozytose Hinweise auf eine infektiöse Ursache der ANS geben. Eine Anämie tritt zwar bei der ANS seltener auf als bei der CNE, schließt eine ANS aber nicht aus.

Urinuntersuchung nach Zystozentese

Die Urinuntersuchung sollte innerhalb von 30 min nach steriler Urinentnahme (Zystozentese) erfolgen. Dabei sollten Urin-spezifisches Gewicht, Urinstick und Sediment untersucht werden. Wichtig ist dabei auch, Urin für eine bakteriologische Untersuchung zurückzuhalten und diese bei Infektionshinweisen einzuleiten. Befunde, die im Urin auf eine ANS hinweisen sind Glukose und Protein im Urin, Leukozyten, Bakterien oder auch Tubulusepithelzellen sowie granulierte Zylinder (längliche, zusammengeklebte Strukturen aus den Nierentubuli) im Sediment. Ein gefärbter Sedimentausstrich kann helfen, vorhandene Zellen im Sediment genauer zu charakterisieren.

Bildgebung bei Azotämie

Eine Röntgenuntersuchung des Abdomens in 2 Ebenen kann zum Ausschluss anderer Ursachen der Azotämie, wie z. B. Uretersteinen, sinnvoll sein. Die Ultraschalluntersuchung der Niere sollte bei jeder Katze mit Verdacht auf eine Nierenerkrankung erfolgen. Bei der akuten Nierenschädigung sind die Nieren oft vergrößert, zudem ist die Nierenrinde häufig hyperechogen. Falls kleine Nieren und eine höckerige Oberfläche vorhanden sind, ist dies eher ein Hinweis auf eine chronische Nierenerkrankung.

Kausale Therapie der akuten Nierenschädigung

Falls im Rahmen der Diagnostik eine Ursache für die ANS gefunden wird, sollte diese auch kausal therapiert werden und bei Infektionen sollte nach Resistenztest ein nierengängiges Antibiotikum in ausreichender Dosierung verabreicht werden.

Schnell handeln bei Frostschutzmittelvergiftung!

Bei einer Frostschutzmittelvergiftung (Ethylenglykol) gilt es schnell zu handeln, denn bereits wenige (3–4) Stunden nach Aufnahme werden die Nieren der Katzen irreversibel geschädigt. Daher muss die Umwandlung des Ethylenglykols in Oxalsäure durch die Applikation von Alkohol oder 4-Methylpyrazol schnellstmöglich unterbunden werden. Auch eine Dialyse kann helfen, das Ethylenglykol aus dem Körper zu entfernen.

Flüssigkeitstherapie bei ANS

Eine optimale und angepasste Infusionstherapie ist Grundlage der Therapie der ANS bei der Katze. Sollte die Katze bei Vorstellung dehydriert sein, muss das Defizit intravenös über mehrere Stunden (ca. 20–40 Stunden) ausgeglichen werden. Zudem sollten zusätzliche Verluste über Erbrechen und Durchfall oder Polyurie sowie der Erhaltungsbedarf ersetzt werden. Sobald die Katze rehydriert ist, sollten nur noch die Verluste und der Erhaltungsbedarf infundiert werden. Zeigt die Katze weiterhin eine verminderte Urinproduktion, muss die Infusionsrate verlangsamt und an die Urinproduktion angepasst werden, da sonst das Risiko einer Überhydratation besteht. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Urinmenge über einen Harnkatheter zu messen oder die Katze regelmäßig zu wiegen: Eine Gewichtszunahme spricht deutlich für eine Überhydratation und hier muss die Infusion reduziert oder gestoppt werden. Wichtig: Zur gesamten Flüssigkeitsmenge zählt nicht nur die Infusion, auch begleitende, Injektionslösungen und die Ernährung müssen in den Flüssigkeitshaushalt einberechnet werden.

Pharmakotherapie bei ANS

Da den meisten urämischen Katzen durch die schleimhautschädigende Wirkung der Urämietoxine sehr übel ist, sollten auf jeden Fall antiemetische Medikamente, wie Maropitant, Metoclopramid oder – wenn diese nicht aus reichend wirken – zusätzlich Ondansetron verabreicht werden.

Antihypertensive Therapie

Da viele Katzen mit ANS an einer Hypertension leiden, sollten bei Bedarf blutdrucksenkende Medikamente gegeben werden. Zur Blutdrucksenkung stehen generell die Medikamente Amlodipin, Telmisartan und ACE-Hemmer zur Verfügung, wobei die letzten beiden auch die Filtrationsleistung der Nieren vermindern. Daher wird für den Einsatz bei einer ANS Amlodipin zur Blutdrucksenkung bevorzugt. Falls diese Medikamente eingesetzt werden sollten, müssen sowohl Blutdruck als auch die Nierenwerte engmaschig überwacht werden.

Therapie bei Anämie

Da viele Katzen mit ANS durch die verminderte Erythropoetinproduktion und verminderte Überlebenszeit der Erythrozyten im urämischen Plasma sowie ggf. durch Magen-Darm-Blutungen eine Anämie entwickeln, hat es sich bewährt, auch Erythropoetin zuzuführen. Hierzu eignet sich besonders das länger wirksame Darbepoetin, welches im Gegensatz zum Erythropoetin nur einmal pro Woche injiziert werden muss. Mit der Injektion sollte begonnen werden, sobald eine Anämie entsteht und nicht erst, wenn der Hämatokrit unter 20% liegt. Für Katzen mit sehr schwerer Anämie ist es vorteilhaft, lieber früher als später eine Bluttransfusion durchzuführen. Diese sollte blutgruppengleich und nur nach Kreuzprobe erfolgen.

Ernährung bei akuter Nierenschädigung

In den meisten Fällen ist die Futteraufnahme bei der ANS deutlich reduziert. Daher ist eine Unterstützung der Ernährung essenziell. Hier kann z. B. eine Mirtazapin-Salbe als Appetitstimulanz eingesetzt werden. Wenn der Effekt nicht ausreicht, muss eine Ernährungssonde (z. B. eine Ösophagostomiesonde) gelegt werden, um darüber eine adäquate Fütterung mit einem energiereichen Futter (ca. 100–120% des Ruheenergiebedarfs) zuzuführen. Dabei ist es nicht wichtig, dass eine spezifische Nierendiät gefüttert, sondern dass genug Energie zugeführt wird. Sollte die Katze selbstständig fressen, sollte dennoch der Tagesbedarf berechnet und überprüft werden, ob sie diesen auch selbstständig frisst. Das geht am besten, wenn man die Futtermenge berechnet, abwiegt und was nicht gefressen wurde, auch wieder abwiegt und notiert.

Merke

Energie und Wasser bitte! Energie- und Flüssigkeitszufuhr sind 2 Hauptpfeiler der ANS-Therapie.

Dialyse bei schwerer akuter Nierenschädigung

In schwerwiegenden Fällen der ANS, wie z. B. bei Katzen mit Kreatinin über 500 µmol/l, Anurie oder Oligurie, Hyperkaliämie oder Überhydratation, kann versucht werden, die Nierenfunktion durch eine Dialyse zu ersetzen. Mit der Hämodialyse werden die Urämietoxine aus dem Blut entfernt und damit Zeit bis zur Regeneration der Tubuluszellen der Nieren gewonnen. Die Dialyse muss bis zur Regeneration der Nierenfunktion anfangs täglich, später alle 2–3 Tage erfolgen. Dieser Zeitraum kann sich über mehrere Wochen erstrecken. In Deutschland gibt es bisher nur wenige Kliniken, die eine Hämodialyse anbieten (z. B. die Medizinische Kleintierklinik der LMU München). Bei Katzen ist aufgrund des sehr geringen zur Verfügung stehenden Blutvolumens die Dialyse besonders schwierig und mit mehr Komplikationen behaftet als beim Hund. Dennoch kann damit in einigen Fällen das Leben der Katze gerettet werden.

Intensivpatient Katze mit ANS

Katzen mit ANS sind Intensivpatienten und müssen engmaschig überwacht werden! Neben der klinischen Überwachung sollten Flüssigkeitsstatus, Futteraufnahme, Urinproduktion, Blutdruck und die Laborparameter Harnstoff, Kreatinin, Albumin, Kalium und Hämatokrit engmaschig überprüft werden.

Prognose für Katzen mit ANS

Mit einer Überlebensrate von durchschnittlich 40–50% ist die Prognose für Katzen mit ANS meist vorsichtig. Bei den entlassenen Katzen kann auch bei Verbesserung der Nierenwerte eine chronische Nierenerkrankung zurückbleiben. Die beste Prognose haben Katzen mit Pyelonephritis oder posttraumatischer ANS. In einer Untersuchung mit Katzen nach Ibuprofenvergiftung konnten ebenfalls 80% der Katzen mit Nierenschädigung entlassen werden. Ein Therapieversuch über einige Tage lohnt sich in vielen Fällen.

Fazit: Vorbeugen besser als heilen

Aufgrund der meist vorsichtigen Prognose gilt auch bei akuten Nierenerkrankungen: Vorbeugen ist besser als heilen. In der Pflege und Therapie von Katzen sollte generell versucht werden, immer eine gute Nierendurchblutung zu erhalten, vorsichtig mit potenziell nephrotoxischen Medikamenten wie NSAIDs zu sein und die Tiere möglichst von nephrotoxischen Pflanzen, wie z. B. Lilien, fernzuhalten. Zudem ist es wichtig, prädisponierte Tiere engmaschig zu überwachen: Bereits ein Anstieg des Kreatinins im Referenzbereich um 26,4 µmol/l über 2 Tage stellt das erste Stadium der ANS dar. Daher sollte man immer auf die absoluten Kreatininwerte achten und nicht nur schauen, ob diese sich im Referenzbereich befinden.

Der (hier aktualisierte) Originalartikel ist erschienen in:

Akute Nierenerkrankung bei der Katze – hier kann geheilt werden!.team.konkret 2021; 17(03): 7 - 11. DOI: 10.1055/a-1516-0989.

Dr. med. vet. René Dörfelt, Dipl.ECVECC, Dipl.ECVAA, EBVS®, ist Fachtierarzt für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie und Fachtierarzt für Kleintiere. Er ist Oberarzt für Intensiv- und Notfallmedizin sowie Anästhesiologie an der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München.

 

Nierenerkrankungen spielen bei Katzen eine große Rolle. Dabei ist eine frühzeitige Diagnose der wichtigste Schritt für eine gezielte Therapie und eine gute Prognose: