Instrumentierte Ganganalyse
Ganganalysen beim Hund werden mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt. So liegen beispielsweise Druckplatten, Laufbänder oder kinematische Ganganalysen vielen Untersuchungen zugrunde, wobei diese Methoden zum Teil sehr aufwendig und vor allem auch kostenintensiv sind. Aus diesem Grund sind viele Methoden Kliniken oder Universitäten vorbehalten, wodurch die erhobenen Daten dann auf dieses Umfeld beschränkt sind.
Ein Lösungsansatz für dieses Problem bietet in der Humanmedizin der Einsatz von Messgeräten, die am Körper getragen werden können, wie zum Beispiel eine Smartwatch zur Messung von Herz-Kreislauf Parametern oder das Mobiltelefon zur Beobachtung von Aktivitäten.
Auch in der Tiermedizin wäre der Einsatz von solchen Messmethoden wünschenswert. Beim Pferd kommen beispielsweise bereits Sensoren zum Einsatz, die den Tierarzt in der klinischen Lahmheitsuntersuchung unterstützen können.
Ziel der Studie
In dieser Pilotstudie aus der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde untersucht, inwieweit Ganganalysen durch ein am Hund getragenes Smartphone bei der Diagnose von ataktischen Bewegungsabläufen durchgeführt werden könnten. Eine darauf aufbauende Datensammlung könnte sowohl bei der Diagnose als auch bei der Therapie von Erkrankungen hilfreich sein, die im Zusammenhang mit Ataxien stehen.
Ataxie
Neurologische Erkrankungen werden nicht selten erst spät diagnostiziert. Leider sind dann die therapeutischen Möglichkeiten oft limitiert.
Klinisch zeigen Hunde bei vielen Erkrankungen eine Ataxie. Die Ataxie ist eine Störung im koordinierten Bewegungsablauf bzw. der Koordination der Interaktion von assoziierten Muskeln, die zu gestörten Bewegungsmustern führen. Die Ataxie ist also ein klinischer Befund und keine Erkrankung.
Ataxie
Generell unterscheidet man, je nach Lokalisation der Ursache, drei Formen der Ataxie: sensorisch , cerebellär , vestibulär. Auch gemischte Formen sind möglich. Eine neuroanatomische Lokalisation der Störung ist für die Diagnose und eine entsprechend optimale Therapie notwendig
Sensorische Ataxie
Bei der sensorischen Ataxie ist die Meldung des Körpers über die Körper- bzw. Gliedmassenposition an das zentrale Nervensystem gestört. Die Störung kann sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem ihre Ursache haben, wobei in beiden Fällen die afferent sensorischen, also propriozeptiven Reizleitungen betroffen sind. Die Hunde stehen oft breitbeinig, zeigen eher eine vergrößerte Schrittlänge bei Erkrankungen des oberen motorischen Neurons, oder eher einen schleppenden Gang mit kürzerer Schrittlänge bei Erkrankungen des unteren motorischen Neurons.
Cerebelläre Ataxie
Cerebelläre Ataxien entstehen durch Schäden im Kleinhirn oder in den spinocerebellären Trakten des Rückenmarks. Sie zeichnen sich durch Abweichungen in der Ausdehnung und der Frequenz von Bewegungen aus, was klinisch zu Dysmetrie und Intentionstremor führen kann.
Vestibuläre Ataxie
Läsionen im peripheren Vestibularapparat (Rezeptoren im Innenohr, N. vestibulochochlearis) oder im zentralen Vestibularapparat (Hirnstamm, Kleinhirn) führen zu Kopfschiefhaltung. Die Hunde lehnen sich häufig an einer Wand an bzw. fallen zu einer Seite und können außerdem einen Nystagmus zeigen.
Methode
In dieser Studie wurden 23 Hunde im Alter von 1–12 Jahren (9 weiblich, 14 männlich) untersucht, die eine neurologisch bedingte Ataxie aufwiesen. Das Gewicht der Hunde lag zwischen 7 kg und 32 kg. Durch eine klinische Untersuchung wurden Hunde, die orthopädische Probleme hatten, aus der Studie ausgeschlossen.
Die Kontrollgruppe bestand aus 55 Hunden im Alter von 1–13 Jahren (39 weiblich, 16 männlich), die keine Gangstörungen aufwiesen. Das Gewicht der Hunde in dieser Gruppe lag zwischen 4,4 kg und 41,4 kg.
Jede Gangprobe wurde mindestens 5×wiederholt, bis mindestens 50 auswertbare Schritte erfolgten. Insgesamt wurden 770 Gangproben untersucht, die alle auch auf Video aufgezeichnet wurden, um sie auch nachträglich evaluieren zu können. Zudem wurden die Hunde von ECVN-diplomierten Neurologen (European College of Veterinary Neurology) wiederholt klinisch untersucht.
Den Hunden wurde zur Messung ein Smartphone am Sternum befestigt , welches mit einem, System (EncephaLogTM; Mon4t) ausgestattet war, das in der Humanmedizin zur Messung von Bewegungsdaten validiert ist. Dieses System nutzt die in einem Smartphone integrierte internal motion unit (IMU) zur Messung der Bewegungen.
Ergebnisse
Die Studie zeigt, dass die Daten, die über die IMU des Smartphones generiert wurden, Ataxien bei Hunden mit einer Sicherheit von 95% aufzeigen können.
Insofern scheint die Messung von Bewegungen des Hundes auf diesem Weg jederzeit und überall möglich zu sein. Das Anbringen des Smartphones ist bei großen Hunden und Hunden mittlerer Größe relativ leicht möglich, für kleine Hunde muss ggf. nach einer Alternative Ausschau gehalten werden.
Fazit
Generell geht diese erfolgreiche Pilotstudie den ersten Schritt zur Entwicklung einer einfachen und kostengünstigen Variante, um Hunde mit Ataxien in der Diagnose und bei der Überwachung des Verlaufs einer neurologischen Erkrankung bzw. in der Therapie gezielter begleiten zu können.
Auch wenn diese Anwendung durch weitere Studien noch verfeinert werden muss, erschließt sie eine hervorragende, in der Praxis anwendbare Möglichkeit zur Erhebung von Bewegungsdaten mit dem Smartphone.
Die Originalstudie:
Der Originalartikel zum Nachlesen:
(RG)
