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PraxismangementVisite im Wohnzimmer – wie praktikabel sind Hausbesuche?

Der Tierarztbesuch ist für die meisten Tiere mit viel Stress verbunden. Eine Alternative zum überfüllten Wartezimmer sind Hausbesuche in den eigenen 4 Wänden. Doch ist das für den Tierarzt in der Praxis umsetzbar?

Diego Cervo/stock.adobe.com- posed by models
Inhaltsverzeichnis

Welche Vorteile hat die aufsuchende Behandlung?

Viele Tierärzte bieten Hausbesuche an, insbesondere für ihre langjährigen Patienten. Dies ist optimal für den Besitzer, z. B. wenn das Tier sehr groß oder durch die schwere Erkrankung weniger mobil ist. Als Tierarzt hat man dadurch die Möglichkeit, sich die häusliche Umgebung des Patienten anzuschauen, was manchmal die Anamnese oder das diagnostische Vorgehen ergänzen kann. Hausbesuche unterstützen auch enorm die Arzt-Patienten-Beziehung: Sie zeigen als Tierarzt die Bereitschaft, besonders auf die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Kunden einzugehen, und es ist oft ein Ausdruck des Vertrauens, wenn der Besitzer Sie nach Hause einlädt. Aus diesen Gründen ist es sicherlich sinnvoll, die Patienten unter bestimmten Bedingungen in der Häuslichkeit aufzusuchen.

Abschied nehmen

Die Euthanasie stellt einen sehr komplexen und emotional belastenden Bestandteil der tierärztlichen Tätigkeit dar. Wenn der Besitzer sich von seinem geliebten Gefährten trennen muss, besteht manchmal der Wunsch, dass die Euthanasie nicht auf dem Tisch in der Praxis, sondern zu Hause durchgeführt wird. Aus Perspektive des Tierhalters ist dies eine enorme Unterstützung in dem sehr schwierigen Moment.

Während es jedoch für Ihren Patienten und seinen Besitzer ganz klar die optimale Variante ist, stehen Sie als Tierarzt deutlich ungünstiger da als in der Praxis. Zum einen wird der Patient oft von der gesamten Familie begleitet, was eine große Ladung an Emotionen mit sich tragen kann. Während die Anzahl der anwesenden Personen in der Praxis von Ihnen bestimmt werden kann, lässt sich dies schlecht in einem fremden Haus umsetzen. Eventuell bietet es sich an, mit dem Besitzer vorzubesprechen, wer dabei sein soll und wie der Besitzer gut für sich sorgen kann. Bestärken Sie den Besitzer, auf seine Bedürfnisse zu hören. Jeder trauert anders. Der Prozess des Abschieds ist sehr individuell.

Auch auf den zeitlichen und organisatorischen Ablauf des Eingriffes haben Sie weniger Einfluss als in der Praxis. Manche Besitzer haben außerdem besondere Wünsche , z. B., dass das Tier im Garten an seinem Lieblingsplatz einschläft. Dies hört sich zwar sehr romantisch an, kann für den Tierarzt aber noch eine zusätzliche Schwierigkeit bedeuten.

Hausbesuch ist nicht gleich Hausbesuch

Wie bereits beschrieben, gibt es verschiedene Gründe, warum die aufsuchende Behandlung vorteilhaft sein könnte. Doch was ist dabei nicht so optimal? Zum einen sollte man sicherlich den Zeitfaktor bedenken. Es ist nicht nur die Behandlung an sich, die außerhalb der Praxis mehr Zeit kostet – sei es aufgrund fehlenden Personals oder organisatorischem Chaos vor Ort –, sondern auch die Fahrtzeit . Dies lässt sich oft finanziell nicht abbilden und basiert auf Ihrem guten Willen.

Auch der Stress, der z. B. mit unerwarteten Befunden oder fehlenden diagnostischen Möglichkeiten einhergeht, soll hier erwähnt werden. Dies sollte dem Besitzer klar kommuniziert werden, ggf. mit dem Hinweis, dass die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung in der Praxis nicht ausgeschlossen werden kann.

Merke

Es ist sinnvoll, die medizinischen Limitationen noch vor dem Hausbesuch abzuwägen und ggf. im Rahmen eines „Shared Decision Making“ mit dem Tierhalter zu diskutieren.

Manchmal ist es nach einer Nutzen-Risiko-Bilanz doch günstiger, den Patienten trotz dem Stressfaktor direkt in der Praxis vorzustellen, damit aus einem Arzttermin am Ende nicht doch noch zwei werden.

Was auch nicht unterschätzt werden sollte, ist die Tatsache, dass Sie im Rahmen der aufsuchenden Behandlung nicht nur Ihren Patienten, sondern auch seine Besitzer in der privaten Umgebung erleben. Manchmal können Sie dabei Dinge sehen, die Sie über denjenigen nicht unbedingt wissen möchten, wie z. B. familiäre Verhältnisse. Außerdem fühlt sich sowohl der Patient als auch der Tierhalter in der Häuslichkeit deutlich sicherer als in Ihrer Praxis, was einerseits zu Verhaltensauffälligkeiten des Tieres , andererseits z. B. zu Diskussionen mit den Familienmitgliedern führen könnte – insbesondere, wenn mehrere anwesend sind und eine starke Meinung haben. Da diese Diskussionen jedoch nicht zur Behandlung des Patienten gehören und sie sogar verhindern könnten, müssen Sie sich nicht darauf einlassen.

Merke

Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Situation den Rahmen sprengt (nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich), weisen Sie die Anwesenden darauf hin, auch wenn es Ihnen schwerer fällt als in der Praxis.

Es ist auch nicht unhöflich, auf die angebotenen Getränke oder Speisen zu verzichten. Am Neutralsten lässt sich immer mit dem Zeitfaktor argumentieren, dafür haben die meisten Menschen Verständnis.

Eigenschutz bei Hausbesuchen

Das Thema Eigenschutz bei Hausbesuchen ist besonders relevant. Für die meisten fühlt es sich immer etwas unangenehm an, sich allein in einer fremden Wohnung zu befinden. Es könnte hilfreich sein, eine Person (z. B. TFA) zum Hausbesuch mitzunehmen , wenn die Möglichkeit besteht. Eine andere Option ist es, sich z. B. von einem Angehörigen begleiten zu lassen, der dann während der Behandlung im Auto wartet. Achten Sie immer darauf, dass jemand weiß, wohin Sie fahren und wie lange Sie sich dort voraussichtlich befinden werden. Auch die bereits oben erwähnte Reaktion auf inadäquate Kommentare oder Diskussionen gehört zum Eigenschutz. Und wenn Sie trotzdem immer noch ein „schlechtes Gefühl“ haben – sei es beim Tier selbst oder beim Besitzer –, lassen Sie es lieber. In solchen Situationen lohnt es sich i. d. R., auf das eigene Bauchgefühl zu hören.

„Frau Doktor, könnten Sie mal bitte ganz kurz …“

Besonders in kleinen Ortschaften wird man als Tierarzt schnell unter allen Einwohnern bekannt. Dies führt oft zu einem freundschaftlichen Umgang, in dem bestimmte Grenzen schnell verschoben oder gänzlich vergessen werden können. Die zwischenmenschliche Distanz wird weniger, jeder weiß, wo der andere wohnt – und wie der Weg zwischen Ihrer Praxis und Ihrer Wohnung verläuft. Da könnte es passieren – und das ist keine absolute Seltenheit –, dass Sie jemand z. B. auf dem Heimweg nach dem Feierabend anspricht, ob Sie doch noch kurz bei ihm oder ihr vorbeischauen könnten, dem Hund geht es nämlich schon seit 3 Tagen schlecht, „aber Sie wissen, wie es ist, wenn man arbeiten muss …“

Was auch passieren kann, sind „Hausbesuche“ von Tierhaltern, die plötzlich vor der Haustür des Tierarztes mit ihrer Katze in der Transportbox stehen, ebenfalls mit der Frage: „Könnten Sie mal bitte kurz schauen?“ In solchen Situationen ist es wichtig, sorgfältig abzuwägen, wie wichtig einem die gute Stimmung in der Nachbarschaft und die eigene Freizeit ist, um dann eine Kosten-Nutzen-Bilanz zu ziehen. Aus Ansicht der Autorin ist die Gefahr einer psychischen Überlastung durch fehlende Abgrenzung besonders hoch für diejenigen, die in kleinen Gemeinden leben und praktizieren.

Wann sollte man eigentlich „Nein“ sagen?

Diese Frage muss sich natürlich jeder selbst beantworten. Es ist eine schwierige Abwägung von Kosten und Nutzen , sowohl wirtschaftlich als auch emotional. Sicherlich ist es nicht zu empfehlen, ständig Dinge zu tun, bei denen man sich nicht wohlfühlt. Manchen hilft es, dies finanziell zu kompensieren – man legt einfach einen Preis fest, für den man bereit ist, diese Belastung in Kauf zu nehmen. Trotzdem werden viele immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen ihre Fähigkeit, sich abzugrenzen, stark in Anspruch genommen wird.

Bestimmte Menschen werden in belastenden Situationen sehr egoistisch und versuchen, die anderen zu manipulieren, sei es verbal oder z. B. durch Weinen. Dies lässt sich manchmal schwer ertragen. Oft hat man den Eindruck, sich etwas Gutes zu tun, indem man einfach „Ja“ sagt, „damit er/sie mich endlich in Ruhe lässt.“ Dies bringt allerdings nur kurzfristig eine Entlastung, weil man dadurch zwar die unangenehme Situation beenden kann, sich aber dafür anderweitig belasten muss. Außerdem führt dies oft dazu, dass man immer wieder zustimmt und sich nicht abgrenzt – zum einen, weil die Übung im „Nein sagen“ dadurch fehlt, zum anderen, weil bestimmte Menschen „Rezidivtäter“ sind. Wenn diese Menschen einmal merken, dass sie Sie unter Druck setzen können, werden sie es auch in der Zukunft versuchen.

Auch wenn die Tierhalter freundlich und keinesfalls manipulativ sind, Sie sich aber durch die Hausbesuche zeitlich oder emotional zu stark belastet fühlen, sollten Sie es nicht um jeden Preis tun. Sie müssen sich dafür auch nicht vor den Tierbesitzern rechtfertigen. Oft kann sich der dringende Wunsch nach einer aufsuchenden Behandlung relativieren, wenn Sie den Tierhalter darüber aufklären, wie eingeschränkt Ihre diagnostischen und/oder therapeutischen Möglichkeiten in einer häuslichen Umgebung sind. In so einem Gespräch können Sie mit dem Besitzer im Rahmen eines „Shared Decision Making“ gemeinsam entscheiden, ob der Hausbesuch stattfinden soll, ohne ihn grundsätzlich von Anfang an abzulehnen. Was auch immer Sie machen, bleiben Sie dabei authentisch und empathisch. Zu einem guten Arzt geht man nämlich gern, auch wenn er nicht all das macht, was man sich wünscht. Wenn die Tierbesitzer generell mit Ihnen zufrieden sind, werden Sie sie trotzdem als Kundschaft behalten.

Fazit

„Thereʼs no place like home“ – mit diesem Satz von Dorothy aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ können sich die meisten identifizieren. Insgesamt stellen Hausbesuche eine gute Alternative zur regulären Behandlung in der Praxis dar, vor allem für die Patienten und ihre Besitzer. Auch für Sie als Tierarzt können Hausbesuche zu einer schönen Abwechslung vom Praxisalltag werden, solange Sie dabei – wie bei allen anderen Aspekten des beruflichen Lebens – Ihre Grenzen respektieren.
 

Zum Originalartikel: 

Kantor K. No place like home? Vor- und Nachteile von Hausbesuchen. kleintier konkret 2022; 25(06): 46 - 48. doi:10.1055/a-1937-5278