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Mental HealthTierärzt*innen im Fadenkreuz der sozialen Medien

Im Internet ist es heutzutage sehr einfach seine Meinung – oft anonym – zu äußern. Als Tierarzt kann man schnell zum Opfer böser Kommentare, ungerechter Beurteilungen und sogar verbaler Gewalt werden.

Rawpixel.com/stock.adobe.com

Anonym = straflos?

Im Internet kann man sich sehr leicht unter einem Pseudonym (Nickname) verstecken und auf manchen Seiten sogar vollständig anonym bleiben. Dies hat natürlich gute Seiten, da viele Künstler oder Aktivisten nur so ihre politisch nicht immer erwünschten Meinungen äußern können, ohne schwere Folgen davon zu tragen. Auf der anderen Seite führt es aber oft dazu, dass einige Menschen das Gefühl bekommen, alles schreiben zu können – egal, ob wahr oder gelogen, beleidigend oder sogar bedrohlich – und trotzdem keine Strafe dafür zu bekommen. Dieses Gefühl der Straflosigkeit wird mit der Zeit stärker und kann unter Umständen zu immer aggressiverem Auftreten führen.

Deswegen kann es in Extremfällen wie Mord- oder Gewaltdrohungen auch wichtig sein, Kommentare strafrechtlich anzuzeigen, wenn diese vermutlich einen Straftatbestand erfüllen. Auch wenn die Personen sich unter einem Pseudonym in der Anonymität fühlen, können Strafbehörden unter Umständen die Identität ermitteln. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Auch für die eigene Psyche ist dies wichtig. Sich zu wehren, hilft gegen das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit.

Wie entsteht aber die Hassrede – und weswegen sind Sie als Tierärzte besonders davon bedroht?

Kommentar als Ventil

Man könnte endlos viel darüber schreiben, warum sich bestimmte Menschen dafür entscheiden, andere zu verletzen oder schlecht zu machen. Insgesamt kann man aber annehmen, dass die Kommentare im Internet – insbesondere die negativen – häufig als Ventil für Emotionen wie Frust, Trauer, Wut usw. dienen. Es muss natürlich nicht gleichzeitig bedeuten, dass derjenige die Absicht hat, uns gezielt zu verletzen. Man muss aber davon ausgehen, dass es ihm in diesem Moment zumindest egal ist, wie der Kommentar bei uns ankommt. Manche Leute fühlen sich tatsächlich für eine kurze Zeit entlastet, wenn sie ihre Meinung geäußert haben, und selbst wenn danach der Gedanke kommt, dass es vielleicht doch zu viel gewesen war, sind sie deutlich seltener in der Lage, als Konsequenz den Beitrag zu löschen oder sich dafür zu entschuldigen. Dem einen fehlt der Mut dazu, der andere möge denken, es sei nicht so schlimm und man müsse sich keine Zeit dafür nehmen, den Kommentar zu ändern oder zu löschen. Deswegen ist es so wichtig, die Beiträge nicht im Affekt zu veröffentlichen. Stattdessen kann man zum Beispiel einen Text schreiben und speichern, ihn nach einigen Stunden oder sogar Tagen durchlesen und erst dann entscheiden, ob es genau das ist, was man äußern möchte. Es ist auch ratsam zu überlegen: „Schreibe ich das nur, weil die-/derjenige nicht vor mir steht oder würde ich es ihr/ihm genauso unter 4 Augen sagen?“.

Kommentare werden allerdings nicht nur als Ventil, sondern auch bewusst eingesetzt, um bestimmte Meinungen oder Akteure kleinzuhalten. Insbesondere könnte dies der Fall sein, wenn sie eine bestimmte politische oder berufspolitische Meinung vertreten. Insbesondere Frauen oder Personen, die zu einer Minderheit gehören (z. B. People of Color) sind vermehrt betroffen – Frauen zusätzlich von Kommentaren mit sexuellem Hintergrund. Die Kommentare dienen dann nicht dem Ziel der Emotionsregulation, sondern dazu, eine bestimmte Meinungsvorherrschaft zu bewahren. Hier spielt die Angst vor dem Verlust von Privilegien eine Rolle.

Welche Emotionen landen in dem „Internetabfluss“?

Die Mehrheit der Menschen tendiert dazu, negative Erfahrungen oder Meinungen zum Ausdruck zu bringen, während man die positiven eher für sich behält oder nur im persönlichen Umfeld teilt. Ob es daran liegt, dass Zufriedenheit weniger intensiv als Wut empfunden wird oder manche Menschen so erzogen werden, dass hauptsächlich Kritik und nur selten Lob geäußert wird – Fakt ist, dass die ausführlichen und nicht selten sehr emotionalen Kommentare häufiger eine negative Ladung mit sich tragen.

Da Sie als Tierärzte immer wieder mit unheilbar kranken Patienten arbeiten und die Lebenszeit der Haustiere von Natur aus wesentlich kürzer als die eines Menschen ist, werden sie wiederholt mit der Trauer der Besitzer konfrontiert. Insbesondere in der akuten Trauerphase sind die Betroffenen etwas empathie- und kritikloser als sonst, was die Schwelle, eine negative, manchmal sogar ungerechte Bewertung zu schreiben, deutlich senkt. Auch Schuldgefühle können ihren Ausdruck in solcher Externalisierung finden. Manche Menschen reagieren mit Abwertung oder sogar Aggression, wenn man sie auf einen Fehler wie eine Vernachlässigung des Tieres anspricht und geben die Schuld weiter, um sich selbst zu entlasten. Außerdem führen häufig Frust und Wut dazu, dass die Menschen ein Bedürfnis haben, sich zu „rächen“ – in diesem Fall verbal in Form eines bösen Kommentars oder einer schlechten Bewertung. Dies kann sowohl eine gerichtete Wut sein (z. B. nachdem die teure Behandlung wenig gebracht hat oder die Diagnose nicht korrekt gestellt wurde) oder eine „allgemeine Frust“, die immer wieder in dieser Form Entlastung sucht.

Im medizinischen Bereich kann es auch passieren, dass die negative Wahrnehmung der Behandlung aus einem mangelnden Wissen resultiert. Sie können solchen Situationen vorbeugen, indem Sie die Tierbesitzer gründlich und für sie verständlich aufklären und Raum für Fragen offenlassen.

Vorbeugend kann es auch helfen, dem Besitzer die Emotionen direkt zu spiegeln, allerdings möglichst im direkten Kontakt, z. B. „Ich weiß, Sie sind unzufrieden mit der Behandlung. “, „Sie haben sich geärgert, dass Sie so lange warten mussten.“

Sind alle negativen Kommentare gleich Hassreden?

Die sogenannte „Hassrede“ (eng. „hate speech“) wird bereits seit mehreren Jahren in verschiedensten Diskussionen thematisiert und scheint nach wie vor ein sehr großes Problem auch im Internet zu sein. Es handelt sich dabei um jegliche sprachlichen Ausdrücke von Hass, die das Ziel haben, bestimmte Personen herabzusetzen. Immer wieder wird von Fällen von Suizidversuchen aufgrund von Hetze im Netz berichtet, was sehr eindeutig zeigt, dass es zum Teil enorme Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit haben kann. Es kann Angst, Minderwertigkeits- oder Insuffizienzgefühle, Verzweiflung oder Wut auslösen.

Man sollte aber die Hassrede nicht mit Kritik verwechseln , denn die Kritik kann uns sogar helfen, unsere Fehler zu erkennen und sich beruflich oder persönlich weiterzuentwickeln. Es gibt natürlich keine klare Grenze zwischen den beiden Aspekten, in der „Grauzone“ hängt aber vieles von unserer persönlichen Wahrnehmung ab. Konstruktive Kritik sollte natürlich keine Beleidigungen oder Drohungen beinhalten und nicht unter die persönliche Gürtellinie gehen. Sie sollte sich auch auf eine Ebene beziehen und z. B. keine Aspekte aus unserem Privatleben angreifen, wenn es dabei um ein rein berufliches Thema geht. Ob wir uns durch die negative, aber trotzdem konstruktive und adäquate Kritik gekränkt fühlen, hängt u. a. von unseren Persönlichkeitseigenschaften und Erfahrungen ab.

Merke

Bei berechtigter Kritik gilt es, souverän damit umzugehen – „Nobody is perfect“!

Berechtige Kritik hilft uns, unsere Arbeit und Prozesse zu verbessern und ist damit sehr wertvoll.

Wie entsteht Kränkung, und was kann man dagegen tun?

Ganz vereinfacht kann man sagen, dass die Kränkung aus dem Berühren eines „ wunden Punktes “ resultiert. Diesen kann man tatsächlich ganz gut mit einer unverheilten seelischen Wunde vergleichen, die durch bestimmte Situationen, Menschen oder auch unsere eigenen Erwartungen an uns selbst immer wieder neu gereizt wird. Je mehr Wunden wir haben, desto leichter ist es, uns zu kränken – und umgekehrt. Kränkung kann u. a. durch respektlosen Umgang, unzureichende Wertschätzung oder Zurückweisung entstehen und sich auf verschiedenen Ebenen (emotional mit Wut, Angst oder Scham, körperlich mit Unwohlsein, Kopf- oder Bauchschmerzen, Muskelanspannung oder auch kognitiv mit Gedanken wie „Mich respektiert keiner.“) äußern.

Häufig ist Kränkung Ausdruck unserer unbefriedigten Bedürfnisse – nach Respekt, Wertschätzung, Verständnis usw. Man kann dem vorbeugen, indem man sein Selbstwertgefühl stärkt sowie die echten Auslöser der Kränkungsreaktion und die dadurch ausgelösten Gefühle erkennt und versteht. Untenstehend finden Sie Literaturempfehlungen zu diesem Thema; sollten Sie jedoch bemerken, dass Sie nicht in der Lage sind, dieses Problem selbst zu bewältigen, können Sie Unterstützung, z. B. bei einem Psychotherapeuten, suchen.

Lesen oder nicht lesen?

Es gibt leider keine universelle Strategie, wie man am besten mit Kritik und Hassrede umgehen sollte. Sinnvoll ist auf jeden Fall zunächst zu erkennen, um welche der beiden Formen es sich handelt. Danach können Sie entscheiden, ob Sie den Beitrag weiter lesen wollen oder nicht. Diejenigen, die Beleidigungen oder Drohungen enthalten, werden am ehesten nichts Konstruktives mit sich bringen. Ob der Kommentar eine große emotionale Ladung mit sich trägt, erkennt man relativ schnell, z. B. an Rechtschreibfehlern oder Buchstabendrehern, aber auch an vielen Ausrufe- oder Fragezeichen. In solchen Fällen ist es ratsam, sich in keine Diskussion verwickeln zu lassen, denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese adäquat verlaufen wird.

Trotzdem ist es vielen Ärzten wichtig zu wissen, wie sie und ihre Arbeit von ihren Patienten bzw. deren Angehörigen gesehen werden. Ein Feedback, positiv und negativ, hilft uns, sich als Mediziner zu verbessern und sollte nicht einfach ignoriert werden. Wie viel davon wir zulassen wollen, hängt – insbesondere im Netz – von uns ab. Wenn Sie wissen, dass Sie sich durch böse Worte oder Drohungen schnell verunsichert fühlen, lassen Sie die Beiträge lieber von jemandem anders lesen – sei es der Partner, Freund oder Kollege – und sich danach eine Rückmeldung geben. Während die meisten Kommentare einfach ignoriert oder gelöscht und die Nutzer ggf. geblockt werden können, gibt es auch Fälle, die strafrechtlich verfolgt werden sollten.

Merke

Falls Sie Opfer von besonders aggressiven oder boshaften Angriffen geworden sind, konsultieren Sie Ihren Anwalt

Wenn Sie die Beiträge selbst lesen wollen, tun Sie es bestenfalls nicht „irgendwann“, sondern zu einem geeigneten, ruhigen Zeitpunkt , um eine unnötige Aufregung zu vermeiden. Eine ungünstige Zeit dafür ist zum Beispiel abends, denn es kann unter Umständen auch Ihren Schlaf beeinträchtigen oder vor einem wichtigen Ereignis. Es wäre auch ratsam darauf zu verzichten, wenn Sie aktuell unter Stress stehen – sei es beruflich oder privat.

Selbstverständlich können Sie auf die Kommentare reagieren – davor wäre es aber wichtig, die „Kosten und Nutzen“ zu erwägen. Dabei sollte man im Hinterkopf haben, dass derjenige, der uns beleidigt oder unfair bewertet hat, dies vermutlich unter starkem emotionalen Einfluss getan hat, sodass die Diskussion auch weiter eskalieren könnte.

Wichtig ist es:
  • Ruhe zu bewahren
  • die persönlichen Anmerkungen zu ignorieren
  • möglichst neutral und auf fachlicher Ebene zu bleiben

Sollten Sie bemerken, dass der Kommentierende für eine sachliche Argumentation nicht zugänglich ist und Sie weiterhin angreift, beenden Sie die Diskussion, um sich selbst zu schützen.
 


   Take Home

    Negative Internetbewertungen:

  • meist großer emotionaler Hintergrund
  • häufig Ventil für Emotionen wie Frust, Trauer, Wut und Schuldgefühle
  • Angst vor dem Verlust von Privilegien
  • im medizinischen Bereich oft mangelndes Wissen
   Lesen oder nicht?
  • als erstes erfolgt die Einschätzung: Hassrede oder konstruktive Kritik?
  • Hassreden haben enorme Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit
  • konstruktive Kritik hilft uns, unsere Arbeit und Prozesse zu verbessern
  • Rechtschreibfehler, Buchstabendreher, viele Ausrufe- oder Fragezeichen entlarven enorme Emotionalität; nur selten erfolgreiche Diskussion möglich
  • Beitrag zu einem geeigneten, ruhigen Zeitpunkt lesen
  • ggf. Beitrag von Partner, Freund oder Kollegen lesen lassen und besprechen
   Tipps zu einer möglichen Reaktion:
  • Ruhe bewahren
  • persönliche Anmerkungen ignorieren
  • ggf. neutral und auf fachlicher Ebene antworten
  • bei weiteren Angriffen: Diskussion zum Selbstschutz beenden
  • Anwalt bei besonders aggressiven oder boshaften Angriffen konsultieren


Fazit

Auch wenn Sie nicht leicht kränkbar sind, kann es trotzdem sein, dass ein Kommentar oder eine Bewertung Sie verletzt. In diesem Fall kann es hilfreich sein, einen Kollegen oder ein Teammitglied um seine ehrliche Meinung zu bitten. Was sicherlich langfristig nicht hilft, ist die negative emotionale Ladung weiter zu tragen, obwohl manche von uns dazu tendieren. Denken Sie daran, dass es von jedem von uns abhängig ist, welches Klima im Netz herrscht. Tun Sie lieber etwas Gutes für sich als Ausgleich für die unangenehme Erfahrung! Wichtig ist auch der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen.
 

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