Gab es 2017 in Deutschland 23,2 Millionen Haustiere in privaten Haushalten, waren es im vergangenen Jahr bereits 34,4 Millionen. „In der Corona-Zeit haben sich viele Menschen ein Haustier zugelegt. Das ist ein allgemeiner Trend“, sagt der Präsident der Sächsischen Landestierärztekammer Dr. Uwe Hörügel. Genau dieser Trend bereite der Branche Sorgen, denn es kommen nicht genügend Veterinärmediziner*innen nach, um diesen massiv erhöhten Bedarf zu decken. „Der tierärztliche Nachwuchs ist größtenteils weiblich. Da die Tierärztinnen natürlich auch Mütter werden und für ihre Familien Zeit haben wollen, arbeiten viele in Teilzeit. Dadurch fehlen Arbeitsstunden für die tierärztliche Tätigkeit“, konstatiert er.
Dies reflektiere genau die Bewerberlage: Es bewerben sich vornehmlich Abiturientinnen um die Studienplätze. Der Präsident dies Tierärztekongresses Prof. Uwe Truyen vermutet, dass dies wenigstens teilweise auf die Kriterien des gegenwärtigen Auswahlverfahrens zurückzuführen ist, da für einen Großteil der zu vergebenen Plätze allein der Abiturnotendurchschnitt herangezogen wird. Warum allerdings die Zahl der Bewerbungen von männlichen Abiturienten so viel geringer ist, ist unklar. Möglicherweise trage die im Vergleich zu anderen Hochschulberufen geringere Bezahlung von angestellten Tierärztinnen und Tierärzten zu der Situation bei.
Warum dann nicht einfach mehr Studierende immatrikulieren? – Auch diese Frage ist schnell beantwortet: Es gibt bislang in Deutschland zu wenig Hochschulen, die Veterinärmediziner*innen ausbilden. Zudem ist ein Studienplatz in diesem komplexen Studium sehr teuer. „Das Tierarztstudium ist tatsächlich eines der teuersten in Deutschland. Der Staat kann mit der gegenwärtigen Ausstattung nicht mehr Studierende ausbilden. Die aktuellen Kapazitäten an den veterinärmedizinischen Bildungsstätten sind erschöpft“, weiß Hörügel.
Viele Tierärzt*innen in Deutschland gehen demnächst in den Ruhestand. Da Betreiber*innen von Tierarztpraxen häufig keinen Nachfolger oder Nachfolgerin finden, verkaufen sie ihre Praxis an große Ketten, die als Investor fungieren und das finanzielle Risiko übernehmen.
„Der Leipziger Tierärztekongress möchte die Breite dieses interessanten Berufes darstellen“, betont Kongresspräsident Truyen. Von der kurativen Praxis über die Aufgaben der Veterinärverwaltung im Bereich der Lebensmittelüberwachung, der Tierseuchenbekämpfung und des Tierschutzes bis hin zur Forschung gebe es zahlreiche Einsatzmöglichkeiten in der Tiermedizin. Allerdings seien dafür häufig Zusatzqualifikationen notwendig. Die hierzu erforderliche Weiterbildung der Tierärzt*innen liege in der Verantwortung der jeweiligen Landestierärztekammern. „Wir haben in unserer Branche in vielen Bereichen nicht genug qualifizierte Fachkräfte, um die vielen offenen Stellen zu besetzen. Die Weichen für diese Misere sind vor Jahren gestellt worden“, erklärt Truyen.
Erstmals wird aktuell Hörügel zufolge in Sachsen auch die Zahl der Teilzeit- und Vollzeitkräfte in der Branche erfasst. Diese werde dann zur Zahl der Haustiere in Relation gesetzt, um einen Überblick über das Ausmaß des Nachwuchsproblems zu bekommen.
Quellen (nach Angaben von):
Universität Leipzig: Tierärzt:innen gesucht: Der Branche fehlt es an Nachwuchs (uni-leipzig.de). 24.01.2024
(JD)